In dem neuen Buch über Medien – coming soon – steckt eine Menge Gedankenarbeit. Kollege Frank Eckert und ich kamen auf einige spannende Ergebnisse und auch Nebenergebnisse. Beispielsweise sind die drei Hauptstellschrauben zur Lösung der Medienkrise in unseren Augen:
1. Journalisten müssen ihre Arroganz ablegen und dem Publikum auf Augenhöhe begegnen.
2. Journalisten müssen sich aufs journalistische Handwerk besinnen, und dort insbesondere auf das Gebot der Ausgewogenheit. Das bedeutet beispielsweise, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen und fremde Sichtweisen zu berücksichtigen.
3. Journalisten müssen damit aufhören, die Menschen erziehen zu wollen, sondern müssen einfach nur Journalismus machen – also sagen, was ist, und das im Kommentar kommentieren.

Pressefreiheit dient nicht den Medien, sondern den Lesern

Zu diesen drei Punkten finden sich in unserem 500 Seiten starken Buch jede Menge Beispiele und Argumente wie beispielsweise den Aspekt, dass die Pressefreiheit nicht für die Presse da ist, sondern fürs Volk, das sich durch die Presse sachgerecht informieren will. Es gibt also durchaus einen Missbrauch der Pressefreiheit, der streng genommen verfassungswidrig ist. Wer relevante Fakten verschweigt, obwohl sie zur Meinungsbildung wichtig sind, verstößt im Grunde gegen das Grundgesetz.
Zugleich verbirgt sich hinter Punkt 3 die „political correctness“, die ich einfach „politische Korrektheit“ nenne. Natürlich spielt sie auch im Buch eine Rolle, aber da wir kein Buch über die politische Korrektheit schreiben wollten, will ich hier einmal einen Gedankengang dazu skizzieren.
Wie erklärt es sich, dass die Grünen-Chefin Simone Peter die Kölner Polizei kritisiert, weil sie an Silvester 2016/2017 das Codewort „Nafri“ je nach Lesart für „Nordafrikaner“ oder „nordafrikanische Intensivtäter“ verwendet?
Ein nüchtern denkender Mensch fasst sich angesichts dieser Äußerung der Grünen-Spitzenpolitikerin einfach nur an den Kopf. Das tun wir, wenn wir uns etwas nicht erklären können. Aber es ist erklärbar. Es hat sogar Methode. Es geht nur darum, die gedankliche Logik hinter Peters Gehirnaktivität zu durchschauen, auf deren Basis weite Teile der Linken bis Linksextremen denken, und dann hat man’s begriffen. Simone Peter konnte im Grunde gar nicht anders. Ein politisch korrekter Mensch ist so konditioniert. Was sie da von sich gab, war Ergebnis einer vollautomatischen Gedanken-Reproduktion. Im Grunde hat etwas gesprochen, nicht sie.
„Konditioniert“ heißt: Simone Peter hat – wie viele andere politisch korrekte Menschen auch – einen Pawlowschen Mechanismus im Kopf, der automatisch anspringt, sobald ein bestimmter Schlüsselreiz ins Gehirn dringt und dem dort hinterlegten Weltbild widerspricht. Dieser mechanistische Abgleich von Realität und Weltbild erfolgt beim politisch korrekten Menschen unmittelbar, er ist antrainiert und funktioniert sofort und meist perfekt. Diese sofortige Reaktion verhindert sogleich eine unvoreingenommene Reflexion des Begriffes „Nafri“ in seinem Kontext.
Es geht bei der Debatte um politische Korrektheit bei weitem nicht um klares Denken. Es geht ausschließlich um automatisiertes ideologisches Denken. So mechanistisch wie Simone Peter tickt fast die gesamte linke Szene, so gut gemeint deren Ansätze auch sind und so sehr wir Flüchtlingen auch helfen müssen. Aber wenn man einmal verstanden hat, dass der politisch korrekte Mensch eher automatisch reagiert als rational, ist das Verhalten zahlreicher Politiker und Journalisten komplett einleuchtend. Jede Menge bisher unerklärlicher Phänomene und Missverständnisse in Politik und Publizistik lassen sich plötzlich verstehen.

Politische Korrektheit in aller Kürze

In aller Kürze liegen die Ursachen der heutigen, intoleranten Form der politischen Korrektheit meiner Ansicht nach in folgenden Phänomenen begründet:

  • Infolge der sozialistischen Idee, alle Menschen seien gleich, nivellieren politisch korrekte Menschen Unterschiede zwischen Menschen. Der Irrtum ist, von der tatsächlichen Gleichwertigkeit der Menschen auf ihre Gleichheit zu schließen. Dabei sind Menschen nicht gleich; sie sind verschieden.
  • Aus der postulierten Gleichheit aller Menschen ergibt sich die Forderung nach Toleranz gegenüber Jedwedem. Beliebigkeit ist die Folge.
  • Aus der postulierten Gleichheit aller Menschen ergibt sich zudem die Abkehr von Kultur, Religion und Nation und allen weiteren für soziale Gruppen elementaren identitätsstiftenden Größen.
  • Aus der Leugnung der Bedeutung von Kultur, Religion und Nation folgt die Grenzenlosigkeit der Welt.
  • Der diskursanalytische Dekonstruktivismus liefert die theoretische Grundlage, um im Sinne einer Ideologie die Wirklichkeit zu leugnen und Begriffe umzudefinieren und umzudeuten, um beispielsweise Geschlechter aufzulösen oder andere Teile der Realität zu ignorieren. Hier liegt die Basis für die weitgehende Realitätsferne des politisch korrekten Menschen – man akzeptiert nur, was der Ideologie entspricht. Was nicht passt, argumentiert man diskursiv weg. Das gibt es dann einfach nicht. Beispielsweise Unterschiede zwischen Menschen. Also kann man darüber auch nicht diskutieren.
  • Der Intellektualismus insgesamt, vorwiegend aus Geistes- und Sozialwissenschaften genährt, bewirkt eine Vergeistigung der Protagonisten, was ebenfalls einen Teil der Realitätsferne erklärt.
  • Der Dogmatismus der politischen Korrektheit bewirkt die Intoleranz gegenüber ihren Gegnern und damit auch einen Widerspruch gegenüber dem eigenen Toleranzprinzip.
  • Die Kombination aus Dogmatismus und Umdeutung von Begriffen erklärt, weshalb auch sachlich richtige Hinweise dem politisch korrekten Menschen dazu dienen, sein Gegenüber als Feind zu verteufeln und zu diffamieren.
  • Der linke Sozialismus in Kombination mit dem Dogmatismus bewirkt, dass die politische Korrektheit jeden als rechts diffamiert, der etwas anders sieht.
  • Der Dogmatismus bewirkt dabei zudem Maßlosigkeit, sodass Kritiker nicht nur als rechts, sondern auch rasch als rechtsextrem gelten.

Insofern hat Simone Peter gemäß eines Pawlowschen Kurzschlusses reagiert. Unüberlegt. Wozu auch überlegen? Die Wahrheit existiert ja schon längst. Aufgrund der Gleichheit aller Menschen und der Beliebigkeit von Nation und Kultur konnte ein Begriff wie „Nafri“ nur diskriminierend sein. Das war alles bereits definiert.
Das Ansinnen Simone Peters, niemanden wegen seiner Herkunft zu diskriminieren, teile ich übrigens ausdrücklich. Ich will, dass wir Menschen nur anhand ihrer Taten beurteilen. Zugleich weiß ich, dass es in der Polizeiarbeit wichtig ist, wenn Täter gemeinsame Merkmale tragen. Um die Balance zwischen diesen beiden Aspekten geht es, und da hat Simone Peter eben aufgrund ihrer politisch korrekten Konditionierung den Part der Realität zunächst übersehen.

Wir handeln nach dem, was wir denken

Das war erst einmal die Kurzversion. Wer mag, lese weiter – jetzt geht es ins Detail. Beziehungsweise: Gehen wir etwa 100 Jahre zurück. Ich bitte um Nachsicht, wenn nicht alle relevanten Informationen aus dieser Zeit auftauchen. Natürlich ließe sich alles noch viel tiefer und erschöpfender beschreiben. Das weiß ich auch.
Zuvor aber noch etwas Lerntheoretisches: Wir handeln nach dem, was wir denken. Also nach dem, was wir wissen, meinen und glauben. Damit wir etwas wissen, meinen oder glauben, muss es vorher irgendwie in unseren Kopf hinein. Meist geschieht das durch Sozialisation, also durch unsere kulturelle Prägung, oder es geschieht durchs Lernen, gerne auch entgegen unserer kulturellen Prägung. Nur so entwickeln sich Zivilisationen – und deshalb entwickeln sie sich unterschiedlich. Wenn wir etwas nicht lernen, ist es auch nicht in unserem Kopf, und wir handeln nicht danach.
Die Zeit zwischen den Kriegen war geprägt von einer unglaublichen Vielfalt an politischen Strömungen. Gegen Ende der Weimarer Republik spitzte sich die Vielfalt auf einen beziehungsweise zwei Konflikte zu: Die NSDAP gegen die SPD und die KPD. Vereinfacht gesagt, ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Ende Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler, der dann bis zur Reichstagswahl im März 1933 möglichst viele Gegner einschüchtern, verschwinden oder umbringen ließ, um diese Wahl möglichst klar zu gewinnen. Die politischen Gegner waren vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch Liberale.

Warum die Linken lieber „Faschismus“ sagen

Bis 1933 standen einander auf den Straßen – aus der Distanz betrachtet – zwei antiliberale Konzepte gegenüber. Sowohl die Nazis als auch die Kommunisten waren gegen den Kaiser, gegen den Kapitalismus, gegen den Individualismus, für den Kollektivismus und für die Unterwerfung des Einzelnen unter die Gruppe, allerdings bitte ohne Monarchie. Der Wortteil „-sozialismus“ im Wort „Nationalsozialismus“ ist kein Zufall, da beide Ansätze antiliberal und antikapitalistisch waren, also gegen die Großindustriellen, gegen den Adel, gegen die Großgrundbesitzer. Nur war der Sozialismus eben international orientiert – Stichwort: „Sozialistische Internationale“ – und negierte den Nationalstaat. Der Nationalsozialismus dagegen propagierte eher die Abgrenzung des Nationalen von anderen Nationen und Ethnien.
Vielleicht lässt sich der Unterschied am besten so beschreiben: Der internationale Sozialismus war integrativ – er fragte zunächst nach der Bereitschaft, sich dem Sozialismus und dem Kollektiv unterzuordnen, und nahm dann jeden auf, egal aus welcher Nation oder Kultur. So sind die Linken auch heute, was ja auch nichts Schlechtes ist; die Ignoranz des Nationalgedankens und damit die Toleranz des Fremden ist integrales Merkmal. Der nationale Sozialismus dagegen war abgrenzend – er verlangte von vielen einen „Ariernachweis“ und erlaubte es erst bei positivem Befund, zu heiraten oder auf sonstige Weise an dieser nationalen Form von Sozialismus teilzunehmen. Und so sind die Rechten auch heute; das Beharren auf dem Nationalgedanken ist integrales Merkmal. Es scheint sich nichts geändert zu haben in all den Jahren.
Der Arbeiter und der Bauer spielten mit ihrer ehrlichen Arbeit in beiden Systemen Hauptrollen, bei den Nazis und in der Sowjetunion; zumindest in der Propaganda. Die Menschen sollten gleich sein – sowohl bei Sozialisten als auch bei Nationalsozialisten. Entsprechend nivellierte beispielsweise der Sozialismus der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) nach dem Zweiten Weltkrieg sehr früh Eigentumsunterschiede in Gestalt der Bodenreform. Man zerschlug Güter und gab „Neubauern“ Land.
Allerdings gefällt die Wortähnlichkeit von „Sozialismus“ und „Nationalsozialismus“ den Sozialisten nicht, weshalb sie den lateinisch-italienischen Begriff „Faschismus“ dem Begriff „Nationalsozialismus“ vorziehen. Es ist schon ein wenig diskursiver Dekonstruktivismus – denn die Ideologie der Nazis hatte ja nun einmal ihre sozialistischen Elemente. Die DDR sprach fast ausschließlich vom „Faschismus“, in ihrem technokratischen Abkürzungswahn bis hin zu den „OdF“, den „Opfern des Faschismus“.
Nach dem Krieg teilten die Alliierten Deutschland in vier Zonen und Berlin in vier Sektoren: drei kapitalistisch-liberale Zonen/Sektoren und eine/n sowjetisch-sozialistische/n Zone/Sektor. Im Westteil Deutschlands und in West-Berlin galt die soziale Marktwirtschaft, also der Kapitalismus. In der SBZ, die bald zur DDR wurde, herrschte die Planwirtschaft, also eine Wirtschaft nach staatlichen Vorgaben. In der SBZ vereinigten sich bereits 1946 die Parteien SPD und KPD zur SED – eine Vereinigung, die nach dem Ende der DDR nie rückgängig gemacht wurde, was vielleicht ein Fehler war.
Spätestens mit der Einheit Deutschlands verschwanden der Sozialismus und mit ihm die Planwirtschaft aus Deutschland. Aus der SED ist „Die Linke“ geworden. Wir haben, wenn wir uns „die Linke“ anschauen, mitten in einem kapitalistischen System eine kommunistische Partei.

RAF und PLO hatten einen gemeinsamen Gegner

Die politische Korrektheit stammt aber eher aus dem Westen. Sie hat mit den Achtundsechzigern dort zu tun. In den sechziger Jahren revoltierte die Jugend vor allem im Westen Europas – der Versuch in Prag war ja eher erfolglos, und in der DDR und in Ungarn war seit 1953 und 1956 klar, wie der Staat reagieren würde. In Anlehnung an die Sowjetarmee, die einst die Nazis niederrang, gab es in Westdeutschland plötzlich die „Rote Armee Fraktion“ (RAF). Sie ermordete immer wieder hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft, gerne mit Verweis auf deren Funktionen im Dritten Reich wie beispielsweise bei dem Arbeitgeberpräsidenten und früheren SS-Untersturmführer Hanns Martin Schleyer.
In der DDR waren solche Morde nicht nötig, denn die DDR hatte offiziell keine Nazi-Vergangenheit. Hier herrschten die einstmals verfolgten Kommunisten, die Erben des im KZ Buchenwald ermordeten KPD-Chefs Ernst Thälmann. Der Nationalismus war de facto unterm Deckel, Nazis gab es offiziell keine mehr. Ob das nun stimmte oder nicht: Die RAF hatte insofern eine verständliche Nähe zur DDR. Die RAF hatte zugleich eine interessante Nähe zum arabischen Raum und zu den Palästinensern. Dass die Väter und Großväter Juden ermordet hatten, bewirkte seltsamerweise nicht, dass sich die RAF-Generation generell gegen jeglichen Judenhass richtete. Wichtiger war der gemeinsame Gegner von RAF und PLO: der Imperialismus und der Kapitalismus der USA. Fidel Castros Kuba war – obwohl eine Folterdiktatur – aus Sicht der Linken eine tolle Sache, einfach weil es den gemeinsamen Gegner USA gab.

Warum wir „aufarbeiten“ statt „bewältigen“ sollen

Wir haben es also mit Ideologie zu tun – dem Denken in Schwarz und Weiß, in Entweder und Oder. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – so einfach ist das. Auch wenn es nötig wäre zu differenzieren: Zwischentöne gehen bei Ideologen unter wie zu Kriegszeiten.
Entsprechend pauschal reduzierten die Linken das Deutschsein bald aufs Nazi-Sein. Die Abschaffung des Nationalen, die aus dem Dekonstruktivismus und der Gleichheit aller Menschen resultiert, bedeutet, nicht mehr nur Nazis zu bekämpfen, sondern das Deutsche schlechthin. Heute sehen wir das an Demo-Transparenten mit der Aufschrift „Nie wieder Deutschland“ oder „Deutschland verrecke“. Der Hass auf das Deutsche wirkt bis heute nach. Am 30. Juni 2016 – während der Fußball-Europameisterschaft – schrieb die Journalistin Mareike Nieber­ding im „Zeit-Magazin“ über eine Deutschlandfahne aus Papier an einem BMW: „Es war halb drei Uhr nachts an einem Samstag in Berlin, ich hatte zwei Wein getrunken, viel­leicht drei. Als ich die Deutschlandfahne sah, konnte ich nicht an­ders, ich rupfte sie aus dem Zwischenraum, in den sie der Fahrzeug­hal­ter mühevoll hinein­gezwängt hatte und zerriss sie. Ihre Schnipsel mein Konfetti.“
Sie konnte nach eigenen Worten nicht anders – und das „Zeit-Magazin“ bringt das. Ganz offiziell. Es gab und gibt kaum Stimmen gegen ein Denken wie das von Mareike Nieberding. Wer es kritisiert, handelt sich rasch den Vorwurf ein, nationalistisch zu sein. Denn wer verteidigt schon Schwarz-Rot-Gold? Dass dies die Farben der Republik waren, natürlich im Sinne einer Nation, aber eben integrativ, und zwar bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirche – all das interessiert den politisch korrekten Menschen nicht. Linksradikale ignorieren Geschichte. Für sie ist alles rechtsradikal, was rechts von ihnen steht, weil sie sich für die Mitte halten.
Mareike Nieberding, deren Haltung eigentlich egal ist, und der „Zeitverlag“, dessen Haltung nicht egal ist, stehen unter politisch korrektem Schutz. Denn deutscher Nationalismus ist schlecht, selbst wenn er sich auf 1848 bezieht – resultierend aus Sozialismus, Nivellierung von Nationen und diskursivem Dekonstruktivismus. Wobei Helmut Schmidt, lange Jahre Herausgeber der „Zeit“, niemals etwas gegen Schwarz-Rot-Gold hatte und sich sicherlich angesichts eines so dilettantischen Geschreibsels von Frau Nieberding, das sich „Journalismus“ nennt, im Grab noch eine anstecken würde beim Rumdrehen.
Tatsächlich hatten die Linken schon weit vor 1968 die Intellektualität besetzt. Es gab schon lange die „Frankfurter Schule“ um Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die die Linksintellektualität als Geist vorgab. Rechte Intellektuelle wie beispielsweise Ernst Jünger waren den Linken – und auch den Alliierten und der bürgerlichen Mitte, obwohl Bundespräsident Theodor Heuß Jünger 1953 in Wilflingen besucht hat – nicht geheuer. Jünger, Soldat des Ersten und Zweiten Weltkriegs und Autor des Kriegsbuches „In Stahlgewittern“, sprach angesichts des Umgangs mit den Verbrechen der Nazis von „Bewältigung“, einem bis dahin völlig harmlosen und auch zutreffenden Wort.
Allerdings hob die intellektuelle Linke bei dem Begriff „bewältigen“ die Konnotation des „Abstreifens“, „Vergessens“ und „Schlussstrich-Ziehens“ hervor, und Adorno empfahl 1959 den Begriff „aufarbeiten“. Es ist zwar – vermutlich – dasselbe gemeint, und jeder Fremdsprachler wird sich beim Verständnis des Unterschieds zwischen „bewältigen“ und „aufarbeiten“ das Gehirn verknoten, aber bitte schön. Dann geht es eben nicht mehr darum, die Vergangenheit zu bewältigen, sondern „aufzuarbeiten“. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient …
Nur: Wollte Jünger überhaupt vergessen und einen Schlussstrich ziehen? Die Linke sagt ja, allein schon wegen des Wortes „bewältigen“. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich bin von Wissen weit entfernt, aber ich kann mir vorstellen, dass er mit dem Wort „bewältigen“ das gemeint hat, was es sagen sollte. Und ich bin geneigt, Menschen verstehen zu wollen, auch wenn sie sich nicht perfekt ausdrücken. Die Verbrechen der SS und auch der Wehrmacht waren Ernst Jünger durchaus bewusst.

Gleichberechtigung oder Gleichheit?

Spätestens nach 1968 war „intellektuell“ gleichzusetzen mit „links“. Dass der Springer-Verlag „DDR“ in Anführungsstrichen schrieb, galt als reaktionär – schließlich war die Teilung Deutschlands die gerechte Strafe für Krieg und Völkermord. Alleine die deutsche Einheit auch nur anzustreben, sorgte für Nazi-Verdacht.
Angedacht vonseiten der Linken war der „Marsch durch die Institutionen“, heute weitgehend vollzogen vor allem mithilfe der Grünen, 1980 in der Bundesrepublik gegründet, gedanklich aus den Achtundsechzigern entstanden, in der Tat auch mit diverser Nähe zur RAF; und heute im nahezu kompletten öffentlichen Dienst und unter Lehrern vertreten, wodurch sich ihre Gedanken noch weiter verbreiten. Ein zentrales Thema der Grünen war – neben der Umwelt – die Gleichberechtigung der Frau. Und jetzt wird es ein wenig diffizil: Natürlich müssen Frauen gleichberechtigt sein, ohne Frage. Fürs theoretische Verständnis ist nur wichtig, dass hier im Kern der sozialistische Gedanke der Gleichheit aller Menschen zugrunde liegt und wir es mit einer Unschärfe zu tun haben: Menschen sind zwar gleich viel wert – daher die Gleichberechtigung –, aber sie sind nicht gleich (siehe auch „Das Buch der 1000 Gebote“, 591. Gebot). Menschen sind verschieden.
Gleich sind nach Ansicht der Grünen (ich sage vereinfacht „die Grünen“, auch wenn es eine Fusion mit „Bündnis ’90“ gab) nicht nur Männer und Frauen, sondern auch alle anderen Gruppen. Bezeichnet Artikel 3 des Grundgesetzes noch die Gleichberechtigung, also dass niemand bevorzugt oder benachteilt werden dürfe, runden weite Teile der linken Szene den Gedanken der Gleichberechtigung auf den Gedanken der Gleichheit auf – was nicht weiter verwundert, weil die Tradition der Achtundsechziger ja nun eine sozialistische ist, die die Unterschiede zwischen Menschen nivelliert.
Es ist erstaunlich, dass die politische Korrektheit sehr wohl auf dem Unterschied zwischen „bewältigen“ und „aufarbeiten“ besteht, aber Gleichwertigkeit sofort mit Gleichheit gleichsetzt, was in meinen Augen ein größerer Unterschied ist und mithin ein semantischer Fehler. Aber offenbar geht es nicht um sprachliche Präzision, sondern um die Ausrichtung der Sprache im eigenen ideologischen Sinn. Das wiederum ist totalitär, unwissenschaftlich und – erneut – antiliberal. Denn Liberalismus bedeutet, die Menschen reden zu lassen. Doch gegen diese Meinungs- und Redefreiheit geht die politische Korrektheit vor. Die Liberalen sind daher naturgemäß einer der größten Feinde dieser Gleichmacher, denn die Liberalen fördern den Individualismus, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, und sie sind gegen das Vereinheitlichen. Was so viel heißt wie: Wer sich aus der Masse erhebt, dem rasiert die politisch korrekte Linke den Kopf ab. Die Menschen sollen gefälligst gleich sein und auch bleiben.

Gleichmacherei widerspricht dem Pluralismus

Wie sehr die Gleichmacherei der Linken inzwischen in den Medien angekommen ist, zeigt zum Beispiel (das Buch bringt noch mehr Beispiele) das gleichmacherische Weltbild von Bernd Kramer in dessen Kommentar über die Deutsche Bahn AG in „Spiegel Online“ am 21. Oktober 2016. „Schafft die erste Klasse ab!“, ruft er in der Überschrift. Die Gesellschaft sei ohnehin auf dem Weg zur „egalitären Einheitsgesellschaft“, zitiert er den Politikwis­sen­schaftler Siegfried Landshut – ignorierend, dass wir eine plura­listische Gesell­schaft sind und Pluralismus Vielfalt bedeutet statt Gleichmacherei.
Auch der Gedanke von „Multikulti“ und einer „bunten“ Gesellschaft widerspricht de facto dem Nivellierungsgedanken der politischen Korrektheit. Die in den Begriffen propagierte Vielfalt klingt schön, aber sie geht nicht zusammen mit dem Gedanken, wir alle seien gleich. In der Praxis reduziert die politisch korrekte Linke die Vielfalt auf die schönen Aspekte der Vielfalt – das Unschöne unterdrückt sie, was ihr dank der diskursiven Dekonstruktion ganz wunderbar gelingt und was sich ideologisch hervorragend erklärt. Es gibt eben nur das, wovon wir wollen, dass es es gibt. Dieser Euphemismus mag freundlich gemeint sein, aber wer die Realität ignoriert, ist am Ende leider alles andere als freundlich.
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 hielt sich bei vielen Linken im Osten und wenigen im Westen noch eine Weile die Idee, man könne aus der DDR einen alternativen zweiten deutschen Staat machen – mit einem demokratischen Sozialismus. Die Politik überging diese Idee. Bald wurde aus dem Satz „Wir sind das Volk“ der Satz „Wir sind ein Volk“, was die Bürgerrechtler, Alternativen und Kirchenleute in der Berliner Gethsemanekirche und andernorts zunächst nicht im Sinn hatten. Die Entwicklung steuerte schnurstracks auf die deutsche Einheit zu – ab Juni 1990 gab es im Osten die D-Mark, am 8. Juli 1990 siegte Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien, was den Gedanken ans Nationale verstärkte („Wir sind wieder wer“), und am 3. Oktober 1990 war Deutschland wieder eins. Auf den Straßen waren wieder Nationalflaggen zu sehen.
Den Linken behagte das ganz und gar nicht. Entsprechend pfiff man Helmut Kohl und andere Politiker aus, die 1989 am Schöneberger Rathaus das Deutschlandlied sangen. Interessant ist das insofern, als es politisch völlig korrekt war, Kohl auszupfeifen, denn die deutsche Einheit widersprach ja dem linken Dogma. Auch der Slogan „Stoppt Strauß!“ war vollkommen in Ordnung, während sich über „Merkel muss weg!“ und über die Störungen am 3. Oktober 2016 in Dresden jede Menge Journalisten aufregten.

Die Deutschen neigen zum Extrem

In den Neunzigerjahren schlug der Gedanke ans Nationale bei einigen Menschen um ins Nationalistische und in Fremdenhass – und es geschahen die bekannten ausländerfeindlichen Angriffe unter anderem in Hoyerswerda, Mölln, Rostock, Solingen und anderswo. Am 24. November 1990 überfielen Neonazis in Eberswalde (Brandenburg) drei Ausländer. Unter den Opfern war Amadeu António Kiowa, der am 6. Dezember 1990 seinen Verletzungen erlag. Es schien, als bräche sich der jahrzehntelang unterdrückte Nationalismus Bahn – im Osten wie im Westen, aber im Osten aufgrund der massiveren Leugnung jeglicher NS-Verantwortung eben ein wenig mehr. So wie sich auch in den Neunzigern in Jugoslawien die alten nationalistischen Befindlichkeiten wieder Luft verschafften, um es harmlos zu sagen.
Eine Reaktion der Linken auf die rechtsextremen Übergriffe war die Gründung der Amadeu-Antonio-Stiftung 1998. Aber auch diese neigt wieder ins Extrem. Beispielsweise ist es gemäß der Broschüre „Geh sterben!“ der steuerfinanzierten Stiftung schon ein Merkmal für Rassismus, wenn man „Rassenunter­schiede“ gene­tisch begründet (Seite 19) – was natürlich unwissenschaftlicher Humbug ist, weil Haut­far­ben in der DNA hinterlegt und damit nichts anderes als eine genetische Information sind. Gleichwohl gibt sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für diese „Fake News“ mit seinem Namen her, indem er das Geleitwort für diese Broschüre geschrieben hat.
Wir scheinen also irgendwie ins Extreme zu neigen in Deutschland, ins Totalitäre. Wir scheinen nicht differenziert denken zu wollen, sondern entweder in Schwarz oder Weiß. Wenn die Amadeu-Antonio-Stiftung behauptet, beispielsweise eine helle oder dunkle Haut sei nicht genetisch begründet, dann ist das umgedeutete Realität gemäß des diskursiven Dekonstruktivismus. Heute würde man „postfaktisch“ sagen. Vieles aus politisch korrektem Mund ist „postfaktisch“, vulgo: unwahr. Das ist aber auch klar, wenn man meint, wie in George Orwells „1984“ die Realität durch Begriffe ändern zu können. Nur gehört eben genau diese Vorstellung zum Markenkern des politisch korrekten Menschen.
Rekapitulieren wir kurz: Das linksintellektuelle Klima bewirkt, dass in einem Medium wie dem „Zeit-Magazin“ sogar Schwarz-Rot-Gold hassenswert ist – am Ende infolge der historisch gewachsenen und damit tief verwurzelten linken Ansicht, dass jegliches Deutschsein „faschistisch“ sei. Einer Frau wie dieser Journalistin etwas anderes beizubiegen, wird schwierig sein, denn es ist ja das Wesen von Ideologen, dass sie nicht frei denken, sondern auf der Basis eines Weltbildes.
Zugleich zeigt sich der kommunistische Gedanke der Gleichheit aller Menschen in einem Kommentar wie jenem zur Ersten Klasse bei der Bahn. Wieder ist er antikapitalistisch, weil es offenbar schlecht ist, Geld zu verdienen und zu haben. Und er ist antiliberal, weil er den Leuten verbietet, zu tun, was sie wollen. Auch hier wäre es anspruchsvoll, Herrn Kramer etwas anderes beizubringen: Sein Denken ist in seinem Kopf. Das kommunistische Plug-in läuft – seit wann und von wem er es auch hat. So sehr man auch argumentiert, so sehr dürfte man gegen eine Wand reden. Denn auch hier liegt ein Weltbild zugrunde, kein unvoreingenommenes Denken. Ideologen fehlt per se die Offenheit, sonst wären sie ja keine Ideologen.

Katrin Göring-Eckardt: „Nichts sonst jetzt!“

Das ist der Ursprung unserer heutigen Form der politischen Korrektheit: Die Linken, bevorzugt grüner Prägung, wollen uns vorschreiben, was wir tun sollen – aber nicht aufgrund kluger Überlegungen, sondern infolge eines festen Weltbildes. Und sie schreiben uns auch vor, was wir denken und sagen sollen. Ebenfalls ein hervorragendes Beispiel in jüngster Zeit brachte Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, die nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin am 19. Dezember 2016 twitterte: „Das ist eine furchtbare Nachricht. Trauer und Mitgefühl. Nichts sonst jetzt!“
Das „Nichts sonst jetzt!“ erinnert ein wenig an den Unsinn, wenn Politiker sagen, heute sei „nicht der Tag“, um etwas Bestimmtes zu fragen oder zu sagen. Doch! Natürlich! Es ist immer der Tag, wenn wir das wollen, in einem freien Land. Wir denken und sagen auch über das Geschehen in Berlin, was wir wollen, wann wir wollen. Nur ist das eben Liberalismus. Liberalismus, den die Nazis ebenso verfolgt haben wie die Kommunisten, und den heute die politisch korrekte Linke bekämpft. Liberalismus, also freies Denken, geht nicht mit Katrin Göring-Eckardt zusammen, nicht einmal in einem freien Land. Wer noch nicht sicher weiß, ob es hierzulande Sprechverbote gibt, betrachte einfach nur das bevormundende Denken Göring-Eckardts. Und er überlege, ob er sich Vorschriften machen lassen will, was er wann zu sagen hat.
Wer auf der Basis von Weltbildern denkt, schleift Nuancen glatt – nur so erklärt es sich für mich, dass jemand Gleichberechtigung vollautomatisch mit Gleichheit gleichsetzt. Ideologen, und über Ideologen reden wir hier, runden auf. Linke Ideologen beispielsweise glauben im Ernst, wir würden bei der Nennung einer Nationalität eines Straftäters glauben, alle Angehörigen dieser Nationalität seien kriminell. Also wird die Nicht-Nennung des kulturellen Hintergrundes von Straftätern zum dogmatisch definierten Don’t, obwohl die Sozialisation eines Menschen wichtig ist, um sein Handeln zu verstehen – erst recht dann, wenn Hunderte Täter das gleiche Herkunftsmerkmal aufweisen. Aber die politisch korrekte „taz“ wäre nicht die „taz“, wenn sich darin nicht Daniel Bax echauffieren würde: „Was soll das?“ Es ist eben politisch nicht korrekt, wenn jemand es beim Namen nennt, wenn Hunderte ein gemeinsames Merkmal aufweisen. Aber auch bei Daniel Bax liegen eben ideologische Steine im Weg, die klares Denken und einen Blick auf die Realität verhindern.
Die Übergriffe in Köln an Silvester 2015/2016 sind ein entscheidender Punkt, an dem das Schwarz-weiß-Denken der Linken ins Wanken gekommen ist. Grundsätzlich sind aus linker Sicht alle Menschen gleich, das heißt: Fremde sind einfach Menschen; ihre andere Kultur nivellieren wir weg. Sofern wir die Kultur betonen, ist sie niemals frauenfeindlich und gewalttätig, sondern stets eine Bereicherung. Die zahlreichen menschenrechtswidrigen Anteile des Islams dekonstruiert die Linke ebenso diskursiv weg wie den Antisemitismus und Antizionismus der PLO – Hauptsache, das kommunistische Prinzip der Gleichheit aller Menschen bleibt ebenso erhalten, wie der Liberalismus und Kapitalismus als Feindbilder erhalten bleiben. Unter diesem Dogma ordnet der politisch korrekte Mensch die ganze Welt ein.

In Abu Dhabi auf die junge Homo-Ehe anstoßen

Dass ein hübscher junger Kommunist Probleme bekommt, wenn er in Abu Dhabi, Rabat oder Riad seine frisch geschlossene Homo-Ehe öffentlich mit einem guten Glas Rotwein feiern will, fällt im politisch korrekten Denken unter den Tisch – oder man legt es den glücklichen Schwulen aus dem Okzident als Respektlosigkeit vor der Kultur aus, in der sie zu Gast sind. Wer aber anmerkt, dass es umgekehrt ebenso Ärger geben kann, wenn junge Männer nach Köln kommen, die in Nordafrika muslimisch sozialisiert sind, gilt umgehend als „rechtspopulistisch“ oder gar „rassistisch“ – ein Urteil, das sehr rasch fällt in politisch korrekten Kreisen, wie wir ja bereits an der erwähnten Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung sehen. Hier zeigen sich sehr deutlich die Einseitigkeit des politisch korrekten Denkens und vor allem seine mangelhafte Logik.
Dabei sagt beispielsweise auch die muslimische und sozialdemokratische Flüchtlingshelferin Katja Schneidt in ihrem Buch „Wir schaffen es nicht“: „Der muslimische Glauben und die deutsche Kultur kollidieren in vielen Bereichen. Der Großteil der Flüchtlinge gehört dem muslimischen Glauben an. Sie sind grundsätzlich nicht bereit, diesen Glauben unserer Kultur zu unterwerfen. Dies ist aber gerade im Bereich der Frauenrechte unumgänglich.“ Es ist weder rassistisch noch antimuslimisch, das zu sagen.
Dies wiederum ist den politisch Korrekten zu hoch: Sie denken ja eben nicht differenziert, sondern ideologisch, auf der Basis eines Weltbildes, und das auch noch in allergröbsten Rastern. Sie denken so unpräzise, dass es fast schon unintellektuell ist: Es gibt keine Unterschiede zwischen Kulturen, alle Menschen sind gleich, also kann Katja Schneidts Betrachtung nur rechtsextrem sein. Der politisch korrekte Mensch begreift es eben nicht, wenn ein Hilferuf wie der von Katja Schneidt nicht in eines der groben und linkspopulistischen Denkmodelle politischer Korrektheit passt. Ideologisches Denken schließt differenziertes Denken nun einmal per se aus.

Politische Korrektheit stört die Flüchtlingsarbeit

Es mag den politisch korrekten Menschen verwundern, aber die politische Korrektheit ist nach Katja Schneidt vor allem beim Management der Flüchtlingssituation nicht sehr hilfreich – und das aus vielen Gründen. Sie schreibt zum Beispiel: „Es ist niemandem damit geholfen, die Feststellung solcher kulturellen Unterschiede als Rassismus zu bezeichnen. Am allerwenigsten den Flüchtlingen selbst.“ Oder: „Viele der Menschen, die alle entstandenen Probleme vehement ignorieren und mit dem Finger auf Menschen zeigen, die dies nicht tun, habe ich niemals in der Flüchtlingshilfe gesehen.“
Die Realität hat mit politisch korrektem Denken insgesamt wenig zu tun. Dass Linke nach dem Anschlag in Berlin nicht gegen den Islamismus protestieren, wie es naheliegend gewesen wäre, sondern gegen rechts, weil niemand die Opfer des Anschlags instrumentalisieren soll, wodurch die Linke die Opfer des Anschlags instrumentalisiert, ist ebenfalls ein Zeichen für das nicht unbedingt logische Denken dieser Szene.
Bis ein politisch korrekter Mensch realistisch denkt, vergeht eine Menge Zeit. Das klingt jetzt so, als befreie man jemanden aus einer Sekte, aber so ist es vielleicht auch. Der Vergleich ist gar nicht so schlecht. Seine Zeit verbringt ein politisch korrekter Mensch in der Regel mit dem ständigen Prüfen der Realität anhand seines Weltbildes. Das sind ständige Abgleiche primitivster Natur, eigentlich Aufgabe für einen Computer. Es dauert, bis der politisch korrekte Mensch erkennen kann, dass ihn sein Gedankenmechanismus von der Wahrnehmung der Welt abhält und davon, offen zu sein. Daraus aufzuwachen, muss vergleichbar sein mit der Situation, wenn uns jemand aus einem Traum weckt oder bei einem Spiel unterbricht, in das wir versunken waren.
Viele politisch korrekte Menschen gleichen die Wirklichkeit seit zwanzig Jahren mit ihrem Weltbild von 1997 ab und glauben zu jedem Zeitpunkt, sie würden realistisch denken und hätten die Welt im Blick. Diese Verzerrung hat Gründe, denn die Gehirnwäsche wirkt außerordentlich gut. Dahinter steht kontinuierliche Arbeit der Indoktrination.
Der politisch korrekte Mensch muss erst einmal kapieren, was wirklich wichtig ist. Er muss (aber was heißt schon „muss“?) erfassen, dass es bei einer Sache nicht einfach nur um die Übereinstimmung eines Geschehens mit seinem dogmatischen Weltbild geht. Dies zu verstehen, dauert umso länger, je stärker indoktriniert er ist. Ich sage es mal flapsig: Erst wenn die Bahn frei ist, können wir fahren. Bevor klare Gedanken möglich sind, muss der ideologische Müll zur Seite. Unser Weg von einem Gedanken zum anderen darf nicht mit Ballast zugestellt sein. Und ich denke: Wahre Intellektualität macht sich frei von solchem Ballast.
Genau dieser Ballast war Simone Peter beim Denken im Weg: Nachdem die Polizei zum Glück ein weiteres Fiasko wie 2015/2016 verhindert hat – mehr als tausend Vertreter der Täterklientel des Vorjahres waren im Anmarsch –, tadelt Simone Peter die Polizei wegen des Begriffes „Nafri“. Genau hier gipfelte der den Grünen innewohnende Konflikt zwischen ideologischem Dogma und Realitätssinn.
Statt die Realität zu sehen und anzuerkennen, dass man einer Polizei vielleicht mal eine Wortwahl nachsehen könnte, reagierte Simone Peter so radikal und extrem, wie das die jahrzehntelange Gehirnwäsche der politischen Korrektheit infolge des Gleichheitswahns vollautomatisch ausgelöst hat. Simone Peter reagierte nicht sinnorientiert, sondern dogmatisch, also mechanistisch-automatisch und – pardon – nach dem gedanklichen Plan, den ihr Gehirn nach Jahren der Indoktrination abgelegt hatte. Sie gab von sich, was zu sagen war gemäß der in diesem Text beschriebenen Gehirnfütterung.
Simone Peter konnte vermutlich gar nichts dafür; sie war entsprechend konditioniert. Da lief einfach ein Programm im Gehirn ab, das man ihr irgendwann eingepflanzt hat. Infolge des Postulats der Gleichheit aller Menschen und der dekonstrutivistischen Leugnung der Verantwortung von Nordafrikanern für die Übergriffe 2015/2016, weil Menschen nur Menschen sind, konnte der Begriff „Nafri“ nur verurteilenswert sein.
Wer sich in einen politisch korrekten Menschen hineinversetzt und in dessen Setting denkt, für den ist das komplett klar. Es ist, wie wenn man Scheuklappen aufsetzt. Die Welt sieht mit einem Mal ganz einfach aus.

Uns droht eine McCarthy-Ära von links

Inzwischen hat Simone Peter eingelenkt. Warum? Weil sie vermutlich verstanden hat, wie abstrus ihr Vorwurf war. Jemand scheint ihrem kurz zuvor noch nach Pawlow-Prinzipien geleiteten Gehirn einen Gedanken aus der realen Welt eingepflanzt zu haben, den sie jetzt denken kann. Vielleicht hatte sie ihn schon im Kopf, und ihr Gehirn hat sich an ihn erinnert. Wie auch immer: Irgendwie scheint dieser Gedanke in die Richtung zu gehen, die Realität über das ideologische Dogma zu stellen. Dieser Wandel ist beeindruckend für eine Ideologin. Ob das genügt, dass die Grünen bis zur Bundestagswahl regierungsfähig werden, bezweifle ich allerdings. Die politische Korrektheit besiegt hat diese Partei noch lange nicht. Das wäre aber nötig, um mit nüchternem Verstand einen Staat zu lenken.
Haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, warum die politische Linke den Islam so verteidigt, obwohl der Islam vor allem die Gleichberechtigungs- und Gender-Ideale der Linken mit Füßen tritt? Die schwierige Rechtsposition von Frauen und Ho­mo­sexu­el­len im Islam dürfte nicht der Grund sein für die Liebe der Linken zum Islam. Wa­rum hören wir von Linken keine Kritik an der Haltung des Islams gegen­über Frau­en und Homosexuellen, obwohl die Linke für deren Rechte kämpft?
Es ist ganz einfach – wir müssen nur zurückgehen zur Liebe der RAF zur PLO. Das war in den Siebzigern. Und was ist heute? Vierzig Jahre später gilt das Gleiche: „Für viele Angehö­rige des traditionellen linken Spek­trums verkör­pert der Islam einen Bünd­nis­partner im Kampf ge­gen den US-Impe­ria­lis­mus“, schrieb Richard Gebhardt im September 2007 in der lin­ken „Jungle World“. Der frühere SPD-Chef und heu­ti­ge Linken-Politiker Oskar Lafon­taine hatte im „Neuen Deutschland“ erklärt, Islam und Lin­ke träten für den Kollektivismus ein, gegen Zinsen – und das eine sie.
Ginge es den Linken wirklich um Menschenrechte, würden sie sich in islamischen Ländern für die Gleichberechtigung der Frau und für die Religionsfreiheit einsetzen. Davon höre und lese ich aber nicht viel. Es geht einfach nur um Antikapitalismus – also um den guten alten Kommunismus mit der entsprechenden Nivellierung der Unterschiede zwischen Menschen. Frauen in Entwicklungsländern sind heutigen politisch korrekten Linken herzlich egal. Für politisch korrekte Linksextreme zählt ja inzwischen sogar Alice Schwarzer als Rassistin, weil sie die kulturelle Prägung von Tätern berücksichtigt.
Unser neues Buch ist übrigens viel weniger politisch als dieser Text – es geht uns im Buch viel mehr ums journalistische Handwerk. Dieses Handwerk aber ist derzeit getrübt, weil ein Großteil deutscher Journalisten politisch äußerst links ist und die zugrundeliegenden ideologischen Dogmen das Denken und Schreiben verzerrt.
Eine politische Erkenntnis aus dem neuen Buch ist immerhin: Die politische Korrektheit muss weg. Sonst funktioniert kein Journalismus. Die politische Korrektheit ist nicht nur einer der größten Feinde der Kunst, wie der Schau­spieler und „Tatort“-Kommissar Udo Wachtveitl in Cordt Schnibbens Film zum tausendsten „Tatort“ sagt, sondern sie ist auch insgesamt einer der größten Feinde des freien und klaren Denkens. Unter dem Einfluss politischer Korrektheit haben wir bestenfalls politischen Aktivismus, der sich als Journalismus tarnt, wie es schon Sascha Lobo unfreiwillig zugegeben hat.
Wir brauchen freies Denken, nicht limitiertes – und das heißt noch lange nicht, rechts zu sein. Wir müssen für die Freiheit des Wortes kämpfen und dürfen uns nicht länger von Radikalen vorschreiben lassen, was wir sagen dürfen und was nicht, weder von linken noch von rechten. Ansonsten könnten wir bald eine neue McCarthy-Ära bekommen – nur dieses Mal von links. Denn wenn sich Ideologen durchsetzen, siegt der Totalitarismus. Und wer gegen Totalitarismus ist, sollte sich jetzt für einen freien Journalismus einsetzen – ohne politische Korrektheit.
Hier können Sie das neue Buch „Sind die Medien noch zu retten?“ vorbestellen.