Die Wege der Deutschen Bahn sind unergründlich.

Am 27. Oktober 2023 will ich von Langenfeld (Rheinland) nach Lübeck fahren. Am einfachsten wäre es, mit der S-Bahn nach Düsseldorf zu fahren und dort in einen ICE nach Hamburg zu steigen. Von dort geht es dann weiter nach Lübeck.

Doch bahn.de und auch der DB Navigator wollen unbedingt, dass ich in Essen umsteige und so mehr als eine Stunde in der S-Bahn sitze. Das ist das Ergebnis meiner Anfrage, ohne dass ich in den Settings etwas Ungewöhnliches eingestellt hätte:

Die vorgeschlagene Verbindung ist kurios. Denn derselbe ICE, in den ich in Essen steigen soll, hält vorher auch in Düsseldorf. Die S-Bahn-Fahrt nach Düsseldorf würde nur 20 Minuten dauern und ich wäre früher an meinem Tischplatz im ICE, an dem ich ja was arbeiten will:

Und selbstverständlich hält die S-Bahn in Düsseldorf Hbf, wie gesagt nach 20 Minuten:

Die S-Bahn hält also um 13.08 Uhr in Düsseldorf, der ICE 200 fährt dort um 13.32 Uhr los – das wäre ausreichend Zeit zum Umsteigen, während für den von der Bahn vorgeschlagenen Umstieg in Essen zum Umsteigen nur 7 Minuten bleiben.

Weshalb soll ich erst in Essen in den ICE einsteigen? Der Sinn dieser Bahnverbindung erschließt sich mir nicht. Auch eine Bahn-Mitarbeiterin am Telefon konnte das Problem nicht lösen, sie fand ebenfalls nur Verbindungen über Essen. Auch auf meine Anfrage per E-Mail schrieb die Bahn keine brauchbare Antwort.

Per E-Mail meldet der Support, ich solle unter „Weitere Optionen“ die Umstiege einstellen. Das Problem: Selbst wenn ich nach einem Klick auf „Weitere Optionen“ Düsseldorf als Umsteigebahnhof auswähle, schlägt mir bahn.de die Verbindung über Essen vor.

Wie ist das gedacht? Ist die Prämisse, dass der Fahrgast möglichst viel Zeit im Zug und möglichst wenig Zeit am Bahnhof verbringt? Warum?

Oder soll der Fahrgast möglichst lange in unkomfortablen Verkehrsmitteln sitzen? Wieso?

Beim Versuch mit einem anderen Reisetag bietet bahn.de dann beides an. Ich wähle spaßeshalber den 21. September 2023 und erhalte eine Verbindung mit Umstieg in Essen und darüber hinaus eine Verbindung mit Umstieg in Düsseldorf. Sie sehen das am grünen Balken, der für die S-Bahn steht – er ist bei der Abfahrt um 12.48 Uhr kürzer als bei der Abfahrt um 13.48 Uhr. Der lange grüne Balken oben bezeichnet die gute Stunde, der kürzere grüne Balken unten bezeichnet die 20 Minuten:

Blenden wir die Details ein, zeigt sich das Phänomen. Bei der Verbindung um 12.48 Uhr soll ich in Essen umsteigen, obwohl der ICE 200 wie gesagt vorher auch in Düsseldorf hält:

Bei der Verbindung um 13.48 Uhr dagegen lässt mich die Bahn komfortabel in Düsseldorf umsteigen:

Die Erklärung ist vermutlich, dass der ICE 928 nicht in Essen hält:

Das heißt: Die Bahn will mich offensichtlich möglichst lange in der S-Bahn sitzen lassen. Nach ihrem Algorithmus steige ich erst spätmöglichst in den ICE um, und das ist beim ICE 200 noch in Essen möglich, beim ICE 928 aber spätestens in Düsseldorf.

Was soll dieser Algorithmus? Die Deutsche Bahn hat es mir bis heute nicht erklärt. Falls jemand eine Antwort kennt, dann bitte her damit.

Eventuell ist die Lösung auch die, dass die Bahn die Leute lieber beliebig herumfahren lässt, statt sie am Bahnhof warten zu lassen. So schlägt der DB Navigator eine Fahrt von Köln nach Paris vor, bei der wir erst in Düsseldorf und dann noch mal in Köln umsteigen sollen, von wo wir ja starten. Also: Wer von Köln nach Paris will, soll laut Bahn erst mal einen Abstecher nach Düsseldorf und zurück machen. Und dann geht es nach Paris:

 

Die Lösung dafür war, dass sich die App meine Einstellung „Umsteigen in Düsseldorf“ aus meiner Anfrage von Langenfeld nach Lübeck gemerkt hat und fortan auch auf andere Suchen anwendet – warum auch immer. Die App hat sich eine Option aus einer völlig anderen Reise gemerkt und denkt, diese Option sei auch bei jeder anderen Bahnreise aktuell, ob nach Paris oder München, wohin auch immer. Hauptsache: umsteigen in Düsseldorf.

Darauf, dass die Bahn einen solchen Denkfehler auch noch programmiert, muss der User auch erst mal kommen – beim DB Navigator ist das alles schön versteckt, und erschreckend viele Service-Leute von der Bahn können nicht helfen.

Dann sagt die Bahn, sie stelle ihre Systeme um:

Vermutlich ist das nicht die dümmste Idee angesichts der aktuellen Systeme. Vielleicht behebt die Bahn dann auch den einen oder anderen Bug und wird etwas kundenfreundlicher und besser anwendbar. Das Problem ist nur: Dieser Balken mit dem Hinweis bewirkt beim User nur, dass er auf das neue System wartet. Denn da steht nicht, dass der User auf ein anderes System gehen sollte – da steht nur, dass die Bahn ihre Systeme umstellt. Der User klickt also in aller Regel nicht auf „Weitere Informationen“. Wer formuliert so einen Kasten? Denken die Leute bei der Bahn im Ernst, die Leute haben Zeit und wollen „weitere Informationen“ lesen? Warum schreibt die Bahn hier nicht hin, worum es geht, sondern irgendeinen Nebenaspekt?

Wer da aber draufklickt, erfährt, dass es jetzt auch next.bahn.de gibt – eine neue Plattform, damit die Bahn die alte vorerst nicht abschalten muss und quasi einen Übergang hinbekommt. Ebenso gibt es den „next DB Navigator“ als App. Tja, wissen muss man das. An dem Hinweis auf die Systemumstellung zeigt sich eben, dass man bei der Bahn denkt, die Leute könnten Gedanken lesen. Können sie halt nicht.

Nach mehreren erfolglosen Telefonaten mit Bahnmitarbeitern, die im Nebel gestochert haben, habe ich schließlich einen Experten ans Telefon bekommen, der mir sinngemäß gesagt hat, ich soll bahn.de und den alten Navigator einfach vergessen, die seien völlig verkorkst. Fragen wie meine würden zu Tausenden bei der Bahn auflaufen, die Systeme seien im Grunde so unbrauchbar, dass die Bahn jetzt eben diese Next-Dinger programmiert. Und er hat mir gezeigt, wie ich einen Umstieg in Düsseldorf erzwingen kann: Ich gebe nicht nur Düsseldorf ein (das genügt ja nicht, warum auch immer), sondern erzwinge auch mindestens 20 Minuten Aufenthalt.

Dieser Quark ist bei bahn.de das gleiche Problem wie bei next.bahn.de. Die Option erklärt sich auf der neuen Oberfläche nicht leichter als auf der alten. Warum auch immer jemand so etwas programmiert – aber laut diesem Mitarbeiter scheint ein möglichst kurzer Aufenthalt am Bahnhof tatsächlich der Wille des Algorithmus zu sein und nicht etwa die frühestmögliche Ankunft am gebuchten Tisch im ICE. Die Bahn betrachtet die S-Bahn nicht als Zubringer zum ICE für eine weite Reise, sondern als gleichwertiges Transportmittel. Und das kapiere ich nicht.

Der DB Navigator merkt sich jedenfalls „Umsteigen in Düsseldorf“ aus völlig anderen Verbindungen und wendet die dann bei neuen Buchungen an. Das ist der Denkfehler, den ich nicht für möglich hielt. So soll ich erst um 15.22 Uhr von Köln nach Düsseldorf fahren, um von dort in den Thalys 9472 nach Paris zu steigen, der um 16 Uhr in Düsseldorf startet und dann allerdings auch um 16.41 Uhr in Köln hält:

Also: Damit ich in Düsseldorf umsteigen kann (Option aus einer alten Anfrage bei einer völlig anderen Strecke), fahre ich erst nach Düsseldorf und dann im Thalys zurück über Köln (ohne Umsteigen) nach Paris.

Dass sich das System irgendwelche Umsteigebahnhöfe alter Anfragen merkt und auf völlig andere Verbindungen anwendet, ist natürlich Quatsch. So fahre ich um 8.39 Uhr in Stuttgart los und bin nach Umstieg in Düsseldorf um 17.06 Uhr in München. Die App merkt sich das Setting „umsteigen in Düsseldorf“ für alle Fahrten, die ich abfrage.

Der neue DB Navigator („next“) macht zwar den gleichen Fehler, aber da stolpert der User immerhin über den definierten Umsteigebahnhof. Er steht groß zwischen Start und Ziel, sodass man den Fehler sofort sieht und den Bahnhof rauslöschen kann. Der Umsteigebahnhof ist nicht irgendwo in irgendwelchen tief vergrabenen Optionen versteckt wie beim alten DB Navigator. Also: Es ist der gleiche Denkfehler, aber immerhin deutlicher zu erkennen.

Auch behebt der neue DB Navigator nicht den alten Denkfehler mit der Umsteigezeit: Obwohl ich Düsseldorf als Zwischenhalt angebe, soll ich auf der Fahrt von Langenfeld nach Hamburg in Essen umsteigen. Obwohl Düsseldorf glasklar als Umsteigebahnhof definiert ist. Die App ignoriert eine Eingabe, die Bahn schickt mich über Essen. Erst wenn ich mindestens 20 Minuten Umstiegszeit eingebe, ist der Umstieg in Düsseldorf erzwungen. Warum? Wieso akzeptiert das System meinen gewünschten Umsteigebahnhof nicht? Weshalb ist da so ein verkorkster Workaround nötig, warum ist das nicht aus User-Sicht programmiert, wenn doch jetzt alles „next“ ist und damit scheinbar besser?

Unter dem Strich ist es in meinen Augen völliger Quark, den die Bahn da zusammenbaut. Ob diese „Next“-Generation besser ist? Bisher nicht. Wenn Systeme so kompliziert werden, dass nicht einmal mehr die Menschen im Unternehmen sie verstehen, ist ein Reset gefragt. Anwendbar ist das Ganze für Normalsterbliche nicht. Besonders erschreckend finde ich, dass der Support so gut wie nicht helfen kann – die Leute stochern selbst im Nebel. Irgendjemanden von den wenigen Leuten, die sich auskennen, die muss der Kunde halt irgendwie ans Telefon kriegen. Sonst verzweifelt er.