Von Frank Eckert und Thilo Baum

Die Gedanken- und Wortexperimente der „Framing“-Expertin Elisabeth Wehling haben die ARD in Erklärungsnot gebracht. Vor der inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihren Ideen geht es hier um Wehlings Geschäftsgebaren. Ihr „Institute“ ist kein Institut, sondern eine Marke. Ein Impressum existiert ebenso wenig wie eine DSGVO-konforme Datenschutzerklärung. Und außer der „Bild“ regt sich kaum jemand darüber auf. Wir zeigen, warum Geschäftsleute zu Recht nach dem Impressum fragen, wie Medien versagen und inwiefern Elisabeth Wehling Propaganda betreibt.

Das „Framing“-Manual von Elisabeth Wehling für die ARD hat schon einige Wellen geschlagen. Sie schlug in ihrem „Manual“ zahlreiche Formulierungen vor, mit denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk vorteilhafter für sich kommunizieren soll. Der Titel lautet: „Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“. Diesen pathetischen Stil finden wir seltsam, wo doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Wille des Gesetzgebers ist und es dazu zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gibt. Wir sehen keinen Grund, das Thema zu moralisieren.

Wir bearbeiten den Fall natürlich für die kommende Auflage unseres Buches „Sind die Medien noch zu retten?“ – darin gehen wir intensiv auf die vielen Fragen ein, die sich zum Inhalt stellen. Jetzt aber geht es uns erst einmal um viel basalere Dinge: um das krude Verständnis vom Geschäftsleben, das das „Manual“ entlarvt – und darum, wie Frau Wehling beispielsweise die FDP diffamiert, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschlanken will.

Natürlich haben wir dazu ein paar Fragen an einige Protagonisten rausgeschickt, auch an Frau Wehling. Wir hatten auf der Website ihres Instituts eine Anfrage ins Kontaktformular eingetippt zur Rechtsform und zum Sitz ihres „Berkeley International Framing Institute“.

Antworten haben wir bisher keine, weder von Frau Wehling noch von der ARD-Generalsekretärin noch von diversen Medien oder auch von einem Buchverlag, in dem Frau Wehling publiziert. Aber das soll kein Vorwurf sein, vermutlich haben alle momentan viel zu tun.

„Berkeley International Framing Institute“: Viele Fragen offen

Hier wollen wir kurz darstellen, welche Fragen unserer Ansicht nach offen sind. Die berichtenden Medien rühren einige Kernfragen bisher nicht oder nur halbherzig an:

Am 22. Februar 2019 schreibt Joachim Huber vom „Tagesspiegel“ den Beitrag „Die ARD wurde nicht in die Irre geführt“ (mit diesem Titel als Zitat). MDR-Sprecher Walter Kehr erklärt darin, der MDR habe „Elisabeth Wehling vom Berkeley International Framing Institute Hamburg“ beauftragt. Wenn Frau Wehling in Hamburg sitzt, stellt sich die Frage, weshalb sie kein Impressum auf ihrer Website hat, zumal sie in Deutschland Geschäfte macht. Und es stellt sich die Frage, warum sie keine Datenschutzerklärung hat, obwohl ihr Kontaktformular mutmaßlich personenbezogene Daten überträgt, wenn man welche eingibt.

Diese Frage beantwortet Herr Huber leider nicht. War Frau Wehling tatsächlich 2017 in Hamburg ansässig, als die ARD ihr den Auftrag für das „Manual“ gab, und hatte sie damals vielleicht ein Impressum? Das wäre interessant zu erfahren. Hat sie dann aber möglicherweise alle Zelte abgebrochen und ist seitdem Auslandsdeutsche, die im Konsulat den Bundestag wählt (laut Wikipedia ist sie Deutsche)? Dann gilt das EU-Datenschutzrecht möglicherweise nicht für sie. Aber ist es denn so? Diese Information vermissen wir im „Tagesspiegel“.

Im gleichen Beitrag heißt es, das „Manual“ habe nicht 120.000 Euro gekostet, sondern 10.000 Euro (also nur das „Manual“ ohne Workshops, auch ohne vorbereitende Workshops). Welches Geld also ist geflossen? 10.000 Euro? Oder die 10.000 Euro aus dem „Tagesspiegel“ plus die früher kolportierten 30.000 Euro für die Workshops, also 40.000 Euro? Oder eben doch 120.000 Euro, von denen der „Tagesspiegel“ zuvor berichtet hatte, nur davon eben 110.000 Euro für die Workshops (davon 30.000 Euro für Folgeworkshops) und 10.000 Euro fürs „Manual“? Irgendwie will sich uns das nicht erschließen.

Wehling-Workshops: Welche Zahl stimmt jetzt?

Und warum bleiben zahlreiche Medien auch nach dieser Veröffentlichung im „Tagesspiegel“ bei den 120.000 Euro, beispielsweise die „Bild“ in ihrem Beitrag, in dem WDR-Intendant Tom Buhrow das „Manual“ kritisiert? Dem Vernehmen nach kommt die 120.000er-Info vom ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm. Aber stimmt die Zahl denn? Welche Zahl nun richtig ist, haben wir natürlich den MDR und auch ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab gefragt.

Am 23. Februar 2019 brachte dann Detlef Esslinger von der „Süddeutschen Zeitung“ den Beitrag „Elisabeth Wehling verteidigt sich“. Dem Vernehmen nach hat er mit ihr gesprochen. Herr Esslinger schreibt über den Begriff „Berkeley International Framing Institute“: „Wehling sagte am Freitag der Süddeutschen Zeitung, es handele sich dabei lediglich um eine Marke, kein wissenschaft­liches Institut. Sie trenne dadurch diese Tätigkeit von ihrer wis­senschaftlichen. Das wüssten all ihre Kunden.“ Ähnliches hatte zuvor bereits Fritz Esser von der „Bild“ recherchiert, und zwar über die Uni Berkeley.

Also: Das „Berkeley International Framing Institute“ ist offenbar gar kein Institut, sondern eine Marke. Kann ja sein, warum nicht. Aber welche Relevanz hat es, dass „alle ihre Kunden“ wüssten, dass es eine Marke ist?

Im Wettbewerbsrecht geht es vermutlich nicht nur um die Frage, was Bestandskunden eines Unternehmens über eine werbende Bezeichnung denken. Sondern es geht auch um die Wahrnehmung aller anderen Marktteilnehmer, beispielsweise von Wettbewerbern. Wozu, wenn nicht für einen Markt, etabliert man eine Marke?

Warum also lässt Herr Esslinger Frau Wehlings Einlassung so unkritisch und unkommentiert stehen? Wird er in der Folgeberichterstattung noch tiefer auf die Frage eingehen, inwieweit der Markt weiß, dass Frau Wehlings Institut „lediglich“ eine Marke ist? Wo ist das öffentlich kommuniziert – durch Frau Wehling?

„Süddeutsche“: „Bild“ habe sich „mokiert“

Auch schreibt Herr Esslinger, „Bild“ habe sich „diese Woche darüber mokiert, dass die Homepage des ‚Institute‘ kein Impressum, keine Anschrift, keine Kontaktdaten, keine Mitarbeiter nenne“.

Warum „mokiert“? „Sich mokieren“ heißt so viel wie „sich lustig machen“ oder „sich abfällig oder spöttisch äußern“. Die „Bild“ hat sich aber nicht mokiert, sondern sie hat die berechtigte Frage nach dem Impressum gestellt.

Wie gesagt: Es mag ja sein, dass Elisabeth Wehling in der EU nicht impressumspflichtig ist. Zumal sie auch überall erklärt, dass sie in Kalifornien lebt. Aber wenn das die Impressumspflicht aufhebt, dann hat die Öffentlichkeit aus journalistischen Erwägungen heraus einen Anspruch darauf, das zu erfahren – oder einen anderen Grund für diese rechtliche Sonderstellung einer Lieferantin der ARD. Und wie erwähnt: Der MDR hat laut „Tagesspiegel“ erklärt, Frau Wehlings Institut sitze in Hamburg oder habe zumindest 2017 dort gesessen. Vielleicht ist das ja falsch, mag sein. Aber warum erfahren wir das nicht? Diese Sache gehört unzweifelhaft zur gesamten Geschichte über das „Manual“ und über Frau Wehling.

Warum hat Herr Esslinger also, wenn er schon mit Frau Wehling spricht, die Frage nach ihrem Wohnsitz nicht aufgeklärt, auch zum Zeitpunkt des Auftrags? Die „Bild“ lächerlich machen, weil sie sich angeblich „mokiert“, aber dann nicht begründen, warum die Impressumsfrage nicht Gegenstand sein soll – na ja.

Elisabeth Wehling über Markt und Profit

Die beste inhaltliche Analyse des Falles hat in unseren Augen bisher Michael Rasche geliefert – Geistlicher und Philosoph, seine Ansicht ist unbedingt lesenswert. Inhaltlich wollen wir hier nur auf zwei Dinge kurz eingehen: auf Frau Wehlings offenkundiges Verständnis von Wirtschaft und auf die Parallelen zur Propaganda der Nationalsozialisten.

Zuerst zur Wirtschaft. Auf Seite 29 ihres „Manuals“ schreibt Wehling:

Und nicht zuletzt kaufen wir oft gern aus „privater“ Hand oder mieten bei „Privatanbietern“ Ferienwohnungen. Man kann es nicht anders sagen: Die Profitwirtschaft, die ihrer Natur nach zumindest primär keine besondere emotionale Bindung zum Menschen hat, sondern ihn als Kunden und damit als Mittel zum finanziellen Zweck sieht, profitiert ungemein von ihrem Framing als „privat“.

Die „Profitwirtschaft“ hat „ihrer Natur nach zumindest primär keine besondere emotionale Bindung zum Menschen“? Schwierige These. Gerade der Natur nach besteht diese emotionale Bindung. Zu Beginn der Zivilisation, als der Handel entstand, hat man sich gegenseitig Vorteile geboten und zunächst einmal Ware getauscht. Als Medium kam zu diesem Zweck später das Geld ins Spiel. Der Mensch an sich stand immer im Zentrum: Menschen tauschen einfach etwas – indem sie wussten, was andere brauchen. Das ist grundlegend emotional. Ware gegen Ware, Zeit gegen Geld, Ware gegen Geld und so weiter. Ganz einfach.

Frau Wehling macht übrigens genau das. Sie tauscht Texte und Workshops gegen Geld. So wie viele andere Einzelunternehmer auch – mit denen sie im Wettbewerb steht.

(Meistens haben diese Einzelunternehmer dann aber ein Impressum und eine DSGVO-konforme Datenschutzerklärung. Und sie fragen sich außerdem, warum sie einigen Produktivitätsausfall dadurch in Kauf nehmen sollen, dass sie ihre Website DSGVO-konform aufstellen, Frau Wehling das aber nicht tun muss, obwohl sie die ARD beliefert.)

Emotional sind Geschäftsleute insofern, als sie die Perspektive ihres Gegenübers einnehmen, um zu verstehen, was es braucht. Das ist ziemlich banal. Natürlich brauchen wir Emotion, um Geschäftsmodelle zu entwickeln. Egozentriker entwickeln in aller Regel keine Geschäftsmodelle, weil es ihnen nicht gelingt, zu erfassen, was andere Menschen denken, fühlen, brauchen und wollen. Egozentriker denken eben nur an sich selbst.

Das Entmenschlichen von Wirtschaft wirkt auf uns insofern sehr befremdlich. Man kann fast glauben, die ARD habe eine Kommunistin engagiert.

Weltfremdes Gedankengut

Menschen positionieren sich auf Märkten, indem sie etwas tun, was sie gerne tun, was sie gut können und was jemand haben will oder braucht. Jeder Musiker macht das so, jeder Maler, jeder Handwerker. Es ist das Einfachste der Welt. Es ist zutiefst menschlich. Wir wollen die Wiener Symphoniker hören, und zwar jetzt sofort, also bezahlen wir dafür Apple und nutzen iTunes. Simpel und normal. Märkte funktionieren nicht ohne Menschen. Wir wissen nicht, was es daran zu meckern gibt, und wir wissen vor allem nicht, warum die ARD sich durch solch wirtschaftsfeindliches und weltfremdes Gedankengut beraten lässt.

Keine Geschäftsidee funktioniert, wenn sie den Menschen nicht in irgendeiner Weise hilft. Kein Produkt verkauft sich, das keinen Nutzen für die Menschen hat. Wirtschaft ist genauso altruistisch wie egoistisch motiviert, beides hängt zusammen. Denn ohne anderen einen Nutzen zu bringen, erzielt niemand Einnahmen. Und da Wirtschaft am Ende auf Tauschhandel beruht, geht es um ein Geben und Nehmen und nicht um Raffgier als primäres Motiv. Raffgier ist eine Begleiterscheinung, aber sie ist nicht das Wesen des Wirtschaftslebens.

Frau Wehling diskreditiert sich hier in unseren Augen unfreiwillig selbst, weil auch sie mit ihrem „Manual“ Profit erzielt hat, und zwar aus Gebührengeldern. Sie scheint es nur nicht zu merken oder blendet es aus. Wenn wir Rechnungen schreiben für eine Leistung, dann wissen wir, dass das Wirtschaft ist. Und ohne Profit gäbe es uns nicht, denn der Profit ist die Spanne, von der der Bäcker ebenso lebt wie der Friseur oder Apple. Auch einfach. Simpelst.

Warum verteufelt die Dame den Gewinn? Was für eine Propaganda – pardon: Welches Framing betreibt sie hier mit dem Wort „Profitwirtschaft“? Es gibt keine Wirtschaft ohne Profit. Sogar nach Götz Werner, dem Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens, ist Gewinn nicht das Ziel eines Unternehmens, sondern seine Bedingung. Ohne Gewinn, Lateinisch: Profit, existiert im Wirtschaftsleben niemand. Keine Aktiengesellschaft, keine GmbH, kein Einzelunternehmen, keine Elisabeth Wehling.

Elisabeth Wehlings Winterhilfswerk

Aber wie gesagt: Ihrer Diktion nach ist Frau Wehling anscheinend Kommunistin und bekämpft die soziale Marktwirtschaft – dafür sprechen auch eine Menge Textstellen aus ihrem „Manual“, was wir in der zweiten Auflage des Buches im Einzelnen darlegen werden. Vermutlich tun wir das in dem Kapitel über die Wirtschaftsferne von Journalisten. Frau Wehling ist zwar keine Journalistin, aber sie ist bei Journalisten äußerst beliebt – vielleicht gerade wegen ihrer Wirtschaftsferne. Hat sie möglicherweise eine ganze Menge Journalisten hypnotisiert mit ihrem Framing?

Schließlich noch zum zweiten inhaltlichen Punkt: die Parallele zwischen Elisabeth Wehlings Rhetorik und der Propaganda der Nationalsozialisten. Möglicherweise kennen Sie das Buch „LTI“ von Victor Klemperer – Frau Wehling kennt es als Linguistin mit Sicherheit. In diesem Buch („Lingua Tertii Imperii“, die Sprache des Dritten Reiches) hat der Dresdner Philologe Nazi-Propaganda dokumentiert. Was „Spin-Doktor Goebbels“ gemacht hat, war am Ende Framing, am besten zu verstehen am Phänomen des „Winterhilfswerks“: Wer nicht spendete, galt als Volksverräter, und so ließen sich die Leute eben erpressen. Thilo Baum thematisiert dieses Element demagogischen „Nudgings“ in seinem Buch „Komm zum Punkt! So drücken Sie sich klar aus“ im Kapitel „Ideologiefrei formulieren“:

Elisabeth Wehling ist auch ein Spin-Doktor, sie ist Expertin für Framing, also für den gewünschten „Dreh“. Sie verwendet die gleiche Methode wie jene, die Klemperer beschreibt. Wie tut sie das? Einmal durch Umdeutungen, wie das für Ideologen eben üblich ist – ihr „Manual“ ist voll davon, das Umdeuten ist ja gerade das, worum es in diesem „Manual“ geht. Und sie tut es, indem sie aus einfachen Zusammenhängen falsche und diffamierende Folgerungen ableitet, was ebenfalls zum Handwerkszeug des Populismus gehört. Beispielsweise schreibt sie auf Seite 72 ihres „Manuals“, wer die ARD verkleinern wolle, wie das beispielsweise aus guten Gründen die FDP fordert, fordere in Wirklichkeit weniger Demokratie. Diese Unterstellung ist nicht nur falsch, sondern auch massiv diffamierend und ein deutliches Anzeichen für totalitäres Denken, wie Michael Rasche zu Recht sagt:

Hier fallen nun Töne, in denen das „Manual“ von Elisabeth Wehling endgültig zu einer Propagandaschrift eines autoritären Regimes wird. Kritik an der ARD als „Missachtung des allgemeinen Willens des Volkes“ zu bezeichnen, ist jenseits aller demokratischen und vernünftigen Gepflogenheiten und erinnert an unselige Zeiten, in denen die Führer des Volkes auch sehr genau wussten, was der Wille des Volkes war, und ebenfalls jede Kritik an ihnen als Kritik am Willen des Volkes interpretiert und bestraft wurde. (…) Sollte die ARD jedoch glauben – wie dieses Manual alleine durch seine Existenz nahelegt –, dass die eigenen Probleme nicht inhaltlicher, sondern nur sprachlich-semantischer Natur sind, dann sieht es wirklich düster um sie aus.

Wehlings Winterhilfswerk: Wer die ARD kritisiert, gilt als Demokratiefeind – so einfältig denken Ideologen. Screenshot von Seite 72 des „Manuals“

Vorläufiges Fazit: Frau Wehling sollte darlegen, weshalb sie weder auf ihrer Website noch auf der Website ihres „Institutes“ ein Impressum und eine Datenschutzerklärung bereithält. Die ARD sollte die Ausgaben für das „Manual“ und die Workshops detailliert aufschlüsseln und ein Statement zu der Frage abgeben, ob sie die Workshops fortzusetzen gedenkt. Die „Süddeutsche Zeitung“ möge uns verraten, was an der Frage nach dem Impressum lächerlich sein soll. Die ARD und Frau Wehling sollten die FDP um Entschuldigung bitten dafür, sie als demokratiefeindlich zu bezeichnen, wenngleich das implizit passiert ist. Die ARD sollte erklären, inwiefern sie Frau Wehlings krause Vorstellung von Wirtschaft teilt. Und die ARD sollte deutlich machen, inwiefern sie sich von den zahlreichen Vorwürfen distanziert, die Elisabeth Wehlings „Manual“ gegen ARD-Kritiker und Wettbewerber erhebt. Im Grunde sollte der ARD-Vorsitzende zurücktreten, das Projekt gestoppt werden und eine offene Debatte über Ideologie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnen.

Elisabeth Wehlings „Klarstellung“ finden Sie hier.

Offenlegung: Thilo Baum machte in der Vergangenheit hin und wieder Hörfunkbeiträge für den Südwestrundfunk, der zur ARD gehört. Thematisch verwandt mit der ideologischen Sprache von Elisabeth Wehlings „Manual“ ist Thilo Baums SWR-Beitrag über Ideologie und Sprache – hier als Podcast.

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Update 1, 27. Februar 2019, 13.35 Uhr: Laura Cwiertnia hat Elisabeth Wehling für „Zeit online“ interviewt. Frau Wehling sagt darin: „Das Papier wird instrumentalisiert für eine politische Skandalisierung.“ Und: „Bei dem Papier handelt es sich um ein internes Dokument, das aus dem Kontext gerissen wurde.“ Wir meinen: Auch in einem internen Dokument sollte kein Unfug stehen. Offenbar hält Frau Wehling die krude Ansicht des „Manuals“ übers Wirtschaftsleben und den Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit an ARD-Kritiker ARD-intern für zumutbar.

Update 2, 27. Februar 2019, 13.35 Uhr: Detlef Esslinger hat Elisabeth Wehling für die „Süddeutsche Zeitung“ interviewt. Nichts Erhellendes zum Thema „kein Wohnsitz in Deutschland“. Frau Wehling erklärt: „Es gab eine Reihe von Workshops, ich habe das Papier auf Basis der Arbeit mit dem Kunden erstellt. Darin wurden Inhalte aus den Workshops aufgegriffen, zusammengefasst und widergespiegelt.“ Demnach will sich Elisabeth Wehling offenbar die zahlreichen kruden Inhalte ihres „Manuals“ nicht zu eigen machen, sondern offenbar kommen sie von ARD-Mitarbeitern. Hierzu bitten wir die ARD dringend um Aufklärung: Wer bei der ARD will ARD-Kritiker als Demokratiegegner darstellen? Wer genau hat das Argument entwickelt, ARD-Kritiker seien im Grunde Demokratiegegner? Über allem steht die Marke „Berkeley International Framing Institute“, aber Frau Wehling will es momentan offenbar so darstellen, als habe sie mit diesen kruden Texten nicht viel zu tun, außer dass sie eben in Workshops entstanden seien. Wer also zeichnet verantwortlich für die Texte, die beispielsweise dieser Blogbeitrag hier kritisiert? Wichtige Frage an die ARD.

In beiden Interviews verrät Elisabeth Wehling auch, wie die Marke zustande gekommen ist: Gedacht für Aufträge aus Deutschland, gedacht als Marke eines Viererteams, wobei drei dann ausgestiegen sind. Die Kosten beliefen sich offenbar tatsächlich auf 120.000 Euro, das allerdings für ein monatelanges Projekt.

Fazit zu den Updates: Wir wissen nicht, was andere tun, aber wir reißen nichts aus einem Kontext. Wir sprechen über Texte, die so dastehen, mit ihrem Kontext, also dem „Manual“ und dem Auftrag Elisabeth Wehlings für die ARD. Ob das „Manual“ intern oder extern ist, ist im Grunde gleichgültig. Die interne Öffentlichkeit der ARD ist riesig. Offenbar nehmen sehr viele Mitarbeiter an diesen Workshops teil und kommen in Kontakt mit den hanebüchenen Aussagen im „Manual“.

Außerdem versteht sich das „Manual“ ausdrücklich als Anleitung – und das lässt sich auch nicht „reframen“ oder sonstwie verdrehen oder leugnen. Auf Seite 6 heißt es: „Wir weisen Sie auf Begriffe hin, die Sie umgehend aus dem Sprachgebrauch der ARD streichen sollten und zeigen Alternativen auf.“ Das letzte Kapitel des „Manuals“ heißt „Hinweise zur Umsetzung“. Ab Seite 85 bringt Elisabeth Wehling „Beispielhafte linguistische Umsetzungen der moralischen Framings 1-4 in kurzen Sätzen und Slogans“ – so die Überschrift. Eine „beispielhafte Umsetzung“ ist eine Empfehlung. Als erster Punkt steht da: „Kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will“. Dass das Ganze zur Umsetzung gedacht ist, steht exakt so auf Seite 7, wo Elisabeth Wehling die Struktur des „Manuals“ erläutert:

Abschließend folgen wichtige generelle Hinweise zur Umsetzung der Framing-Methode in der alltäglichen Kommunikationsarbeit, etwa in Interviews, Grundlagenpapieren oder Werbekampagnen. (…) Diese Hinweise und Anleitungen helfen Ihnen, die für die ARD erarbeiteten Framings optimal umzusetzen – von der Verwendung einzelner hier vorgelegter Sprachbilder bis hin zur Herleitung zusätzlicher linguistischer Realisierungen der in diesem Manual vorgelegten Framings angesichts aktueller und zukünftiger Herausforderungen in der Vermittlung des Wertes und der Rolle des gemeinsamen, freien Rundfunks ARD.

Was soll das sein, wenn es keine Anleitung ist?

Es ist eine kognitive Dissonanz, wenn Frau Wehling uns jetzt via „Zeit online“ weismachen will, sie schreibe niemandem vor, wie er zu sprechen habe. Wir fragen uns, aus welchen Kontext („Frame“) Kritiker des „Manuals“ solche Äußerungen reißen sollen, und bitten Frau Wehling dazu um Aufklärung.

Übrigens sagt Elisabeth Wehling bei „Zeit online“: „Ich weiß, derzeit kursieren viele verrückte Theorien.“ Wir ahnen also, wie Frau Wehling mit Kritikern des „Manuals“ verfahren will: wie mit Kritikern der ARD. Ein bisschen „Reframing“, und schon ist der Kritiker der Böse. Es ist die gute alte ideologische Wahrheitsverdrehung, das immerwährende Relativieren von allem, was einem nicht in den Kram passt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte sich von einem solchen Stil unserer Ansicht nach eher fern halten.

Im Gespräch mit der „Süddeutschen“ versucht Elisabeth Wehling dann einen ganz besonderen Dreh, um Kritik unmöglich zu machen. Sie sagt: „Wenn man den Kontext nicht kennt, in dem damals in den Workshops mit Verantwortlichen der ARD diskutiert wur­de, kann man auch einzelne Schlagwörter nicht einordnen.“ Tja. Dann erklären Sie uns doch mal, warum solcher Unfug wie der hier zitierte in diesem „Manual“ steht. Wollen Sie uns weismachen, das „Manual“ beinhalte die abgelehnten Formulierungen? Der Abschnitt über die Demokratiegegner, die die ARD verkleinern wollen, ist nicht als Formulierung gekennzeichnet, die aus dem Sprachgebrauch der ARD zu streichen wäre. Sondern das steht genau so im Fließtext. Welcher Kontext soll nötig sein, damit jemand solche Äußerungen kritisieren darf? Auch hier bitten wir Frau Wehling dringend um Erläuterung.

Update 3, 1. März 2019, 6.45 Uhr: Der „Cicero“ schreibt von einem „teuren Bluff“ und davon, dass Elisabeth Wehlings Aussagen ein „intellektuller Offenbarungseid“ seien und zeigten, „dass Framing im Journalismus nichts zu suchen hat“.

Update 4, 1. März 2019, 6.45 Uhr: Im Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks ist man der Ansicht, das „Manual“ habe den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschädigt – schreibt Joachim Huber im „Tagesspiegel“. Laut Dagmar Gaßdorf, stellvertretende Vorsitzende des Rundfunkrats, sei das „Manual“ eine „Dummheit“. Joachim Huber schreibt: „Das Papier sei ‚keine vernünftige Grundlage für eine Diskussion‘, sagte die Europa-Parlamentarierin Petra Kammerevert (SPD) bei der Sitzung am Dienstag. Es enthalte nicht mehr zeitgemäße linke Kampfbegriffe, die das duale Rundfunksystem in Gute und Böse unterteilten.“

Ob diese Kampfbegriffe jemals zeitgemäß waren, dürfen wir bezweifeln, aber immerhin: Ganz langsam, mit enormer Verzögerung, wie so oft in der deutschen Öffentlichkeit, nennen auch entscheidende Leute die Sache beim Namen.