In der Krise zeigt sich, wer gut ist und wer nicht – darüber hatte ich ja schon mal geschrieben. Zunehmend gewinne ich aber auch einen weiteren Eindruck: Die Krise bringt einfach nur unser Wesen ans Licht. Die Krise demaskiert die Leute. Kluge Menschen zeigen, dass sie klug sind; Spinner zeigen, dass sie Spinner sind. Proaktive Menschen zeigen ihre Proaktivität, bei passiven Angsthasen zeigt sich der passive Angsthase. Und Demagogen werden sichtbar demagogisch.

Krude Argumentationen aus dem SPD-Bundesvorstand

Die krasseste Begegnung in dem Zusammenhang hatte ich mit Michaela Engelmeier vom Bundesvorstand der SPD. In einem Facebook-Beitrag schrieb ich am 26. März auf meinem Facebook-Profil:

Hat die „Bild“ meinen Podcast gestern gehört? Sieht ganz so aus. Auch „Bild“ stellt fest: In Sachen Corona glänzte das Robert-Koch-Institut (RKI) vorwiegend mit Fehleinschätzungen. Was „Bild“ nicht erwähnt: Das RKI hat erst am 17. März die Gefahr von Corona als „hoch“ klassifiziert. Auch erwähnt „Bild“ nicht die Bundestagsdrucksache 17/12051 von 2012/2013, die die derzeitige Krise nahezu haargenau vorzeichnet. Mehr dazu im Podcast, in dem es um Wissenschaftskommunikation geht und darum, dass wir bei einer Instanz wie dem RKI Menschen mit Vorstellungsvermögen brauchen. Gerade in Krisenzeiten.

Überschrift in „Bild“ am 26. März 2020 über Irrtümer des RKI

Die „Bild“ vom 26. März 2020, Seite 3: Kritik am Robert-Koch-Institut. Aus Sicht der SPD-Frau Michaela Engelmeier aus Thilo Baums Feder nicht statthaft

Das hat Frau Engelmeier vom SPD-Bundesvorstand gar nicht gefallen. Sie kommentierte (fehlender Strich in „Corona-Themen“ im Original):

Sind Sie Mediziner, sind Sie gar Virologe? Sind Sie Wissenschaftler? Nein, ok, dann enthalten Sie sich doch bitte beim RKI und Corona Themen, von denen Sie keine Ahnung haben! Bitte!

Das fand ich interessant: Eine Vertreterin des SPD-Bundesvorstandes will mir den Mund verbieten. Das ist mein erstes Beispiel dafür, dass die Krise das wahre Gesicht der Menschen zeigt. Hier zeigen sich eine gehörige Intoleranz und ein Anflug ins Totalitäre. Ginge es nach Michaela Engelmeier, stünde der politische Kommentar vor dem Aus. Theaterkritiker müssten selbst Regisseure sein, Fußballberichterstatter müssten Fußballer sein – und so weiter. Wenn sich Menschen nur noch in den Fächern äußern dürfen, in denen sie ihre Ausbildung oder ihr Studium absolviert haben, dann ist Art. 5 GG tot. Das ergibt sich exakt so aus den Worten einer Dame aus dem SPD-Vorstand, und das ist brandgefährlich.

Natürlich habe ich Frau Engelmeier per Einwurfeinschreiben um Stellungnahme gebeten und auch dem SPD-Vorstand eine Kopie geschickt. Meine Briefe waren vom 27. März 2020 und vom 3. April 2020. Es kamen keine Antworten, bis heute nicht, trotz einer Fristsetzung zum 15. April 2020, weder von Frau Engelmeier noch von der SPD-Führung.

Das ist schade, denn ich hatte Frau Engelmeier einige Fragen gestellt, auf die ihre Antworten sicher interessant gewesen wären. Zum Beispiel:

Als Politikerin äußern Sie sich zu Wirtschaft und Sport. Dabei haben Sie laut Wikipedia Ihr Wirtschaftsstudium abgebrochen, und auch Sportwissenschaftlerin sind Sie nicht. Wie kommen Sie dazu, sich für diese Themen eine Expertise anzumaßen?

Denn gemäß der Lehre, dass alle Menschen gleich sind, müsste ja für Frau Engelmeier ebenso gelten, was sie auf mich anwendet. Oder:

Anbei finden Sie einen Kommentar von Herrn Kreutzmann vom Hessischen Rundfunk. Er sagt: „Die Argumentation des RKI widerspricht den Geset­zen der Logik.“ Meines Wissens hat Herr Kreutzmann Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft und Klassische Archäologie studiert. Er ist also kein Mediziner und kein Virologe. Werfen Sie nun auch Herrn Kreutz­mann vom Hessischen Rundfunk vor, er habe „keine Ahnung“ und solle sich daher „enthalten“? Und falls nicht: Warum nicht? Weshalb darf Herr Kreutzmann vom Hessischen Rund­funk seine Meinung übers RKI äußern, ich aber nicht? Worin liegt für Sie der Unterschied zwischen Herrn Kreutzmann und mir?

Leider keine Antworten. Was soll’s. Aber immerhin: Die Krise zeigt hier das wahre Gesicht der Menschen – konkret zeigt sie die für viele Vertreter dieser politischen Ecke typische Doppelmoral. Man nimmt für sich selbst in Anspruch, was man anderen verwehrt. Vermutlich haben „Reporter ohne Grenzen“ nicht an Michaela Engelmeiers Worte mir gegenüber gedacht, aber auch die Kollegen dort sehen die Pressefreiheit infolge der Corona-Krise massiv in Gefahr.

Ebenfalls typisch für dieses politische Milieu ist das Verdrehen von Fakten, also das „Reframing“ im Zuge des nihilistischen „dekonstruktivistischen Diskurses“, wonach alles relativ ist. Bei Facebook kommentiert Frau Engelmeier:

Warum sprechen Sie mir meine eigene Meinung ab?

Das tat und tue ich an keiner Stelle – ich widerspreche Frau Engelmeier nur. Zumal sie mir meine Meinung abspricht, indem sie mir den Mund verbietet. Auch diese Täter-Opfer-Umkehr als besonders perfide Form der schmutzigen Rhetorik ist typisch für dieses Milieu. Ebenso ist es typisch, aufgrund emotionaler Wahrnehmung Fakten zu erfinden – beispielsweise behauptet Frau Engelmeier, ich pöbele (ohne es zu belegen, trotz meiner Bitte), und sie behauptet, Kritik sei nicht mein Ding, weil ich ihr widerspreche. Stellen Sie sich vor: Nur weil Sie jemandem widersprechen, der Sie angreift, wirft dieser Jemand Ihnen vor, Sie seien nicht kritikfähig – was für eine regressive Kommunikationskultur ist das? Höchst bedenklich finde ich, dass die Neigung zu derart bizarren Umdeutungen der Realität Einzug in den SPD-Bundesvorstand gehalten hat. Das finde ich richtig gefährlich, denn Regierende in einer pluralistischen Demokratie sollten niemals so ticken und kommunizieren. Den gesamten Thread finden Sie hier.

Freaks präsentieren sich als Freaks

Anfang Mai dann die Begegnung mit der Aluhut-Fraktion bei Facebook: Jemand aus der Coaching-Ecke raunt, die Bundesregierung plane einen „Impfzwang“. Er verlinkt ein Youtube-Video, in dessen Headline steht: „Impfzwang von Bundeskabinett beschlossen OFFIZIELLE QUELLE“. Darin geht es um eine Formulierungshilfe der Regierungskoalitionsparteien im Deutschen Bundestag von 102 Seiten (PDF). Erst auf Nachfrage verrät der Mann, es gehe um Seite 21 (und das ist schon mal typisch für diese Szene, es den Leuten möglichst schwer zu machen, ihre Behauptungen nachzuvollziehen). Auf Seite 21 lese ich:

20. § 28 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 Satz 3 werden die folgenden Sätze eingefügt:

„Bei der Anordnung und Durchführung von Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 ist in angemessener Weise zu berücksichtigen, ob und inwieweit eine Person, die eine bestimmte übertragbare Krankheit, derentwegen die Schutzmaßnahmen getroffen werden, nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft wegen eines bestehenden Impfschutzes oder einer bestehenden Immunität nicht oder nicht mehr übertragen kann, von der Maßnahme ganz oder teilweise ausgenommen werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Soweit von individualbezogenen Maßnahmen abgesehen werden soll oder Ausnahmen allgemein vorgesehen werden, hat die betroffene Person durch eine Impf- oder Immunitätsdokumentation nach § 22 oder ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, dass sie die bestimmte übertragbare Krankheit nicht oder nicht mehr übertragen kann.“

Daraus lese ich heraus: Man will schauen, dass man die Einschränkungen fürs Individuum möglichst gering hält. Und ja, man kann so einen Vorstoß kritisieren. Wie sich daraus aber die Behauptung ableitet, es gäbe einen Impfzwang, beantwortet dieser Facebooknutzer beharrlich nicht, obwohl ihn mehrere Leute danach fragen. Auch Freaks präsentieren sich in der Krise eben als das, was sie sind: als Freaks. Als Leute, die wirr denken.

Ich weiß: Es fällt vielen Menschen schwer, Informationen richtig zu erfassen. Aber um aus einer Formulierungshilfe heraus den Dreh zu erfinden, eine Impfpflicht sei beschlossene Sache, und das vor dem Hintergrund, dass wir nach wie vor keinen Impfstoff haben – dazu muss ein Gehirn schon über einigermaßen eigenwillige Denkstrukturen verfügen. Das von dem Facebook-Nutzer verlinkte Video namens „Impfzwang von Bundeskabinett beschlossen OFFIZIELLE QUELLE“ ist erstens keine offizielle Quelle, sondern stammt von dem Leipziger Fotografen Corwin von Kuhwede. Und dass der Impfzwang kommt, wie Corwin von Kuhwede das behauptet und wie der Facebook-Kontakt das naiv übernimmt, ist zweitens gar nicht das Thema des verlinkten Dokuments, sondern darin geht es um den derzeit diskutierten Immunitätsnachweis – und das drittens vor dem Hintergrund, dass die Immunität Genesener laut WHO keineswegs so sicher gegeben ist, wie das derzeit manche behaupten, beispielsweise Mathias Schneider vom „Stern“ in Ausgabe 16/2020 auf Seite 27.

Ausschnitt aus dem „Stern“, der über Corona-Genesene behauptet, sie seien immun.

Fake-News? Mathias Schneider schreibt im „Stern“ 16/2020 auf Seite 27, Corona-Genesene seien „nicht mehr ansteckend“ und „immun“ – obwohl der „Stern“ selbst wenige Tage später vermeldet, die WHO warne vor dieser Behauptung (WHO laut stern.de: „Es gibt im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die sich von Covid-19 erholt und Antikörper haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind“) 

Selbstverständlich habe ich den „Stern“ um eine Stellungnahme zu diesem Widerspruch gebeten. Die Chefin der „Markenkommunikation“ schrieb mir unter anderem:

  • „Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt allerhöchstens sporadische Evidenz für die unwahrscheinliche Annahme, dass SARS-CoV-2 in der Lage ist, die Ausbildung einer Immunität im Menschen zu unterlaufen; aufgrund der Kürze der Zeit, während der das Virus in der menschlichen Population gegenwärtig ist, ist jedoch noch keine definitive Aussage über die langfristige Stabilität der Immunität möglich.“
  • „Sämtliche derzeit angewandten nationalen Pandemie-Strategien beruhen auf der Annahme, dass es zu einer Ausbildung von Immunität gegen SARS-CoV-2 beim Menschen kommt. Es ist dies dementsprechend auch herrschende Meinung beim Robert Koch-Institut und seinen internationalen Schwesterbehörden.“

Der erste Punkt ist besonders interessant: Der „Stern“ argumentiert nicht für eine Immunität, wie es geboten wäre, sondern er sagt, es gebe keine Belege für das Gegenteil seiner Aussage. Im selben Atemzug verweist der „Stern“ darauf, dass sich derzeit ohnehin keine „definitive Aussage über die langfristige Stabilität der Immunität“ treffen lasse, und bescheinigt damit seinem Autor Mathias Schneider, etwas nicht Belegtes geschrieben zu haben.

Der zweite Punkt betont noch einmal, dass es sich um eine Annahme handelt, und der „Stern“ verweist hier konformistisch auf die Bundesregierung: Weil andere davon ausgehen, gehen auch wir davon aus. Für mich ist das eine merkwürdig unkritische und opportunistische Art von Journalismus: Dass andere oder eine Mehrheit etwas annehmen, reicht nach Maßstäben des journalistischen Handwerks nicht dafür aus, etwas so apodiktisch und unkritisch als absolute Wahrheit zu veröffentlichen, wie es der „Stern“ hier tut. Eine Formulierung wie „vermutlich“ oder „nach Ansicht der Bundesregierung“, und die Behauptung wäre auch im Nachhinein noch richtig, selbst wenn sich die Immunität als Schmu erweisen sollte.

Fake-News durch Logikumkehr

Mir ist auch klar: Dass der Mensch zum Mond fliegt, war 1920 vermutlich eine krude Idee und 50 Jahre später nicht mehr. Aber dass der Mensch inzwischen zum Mond geflogen ist, schmälert nicht das Raunerische an der Idee bezogen auf das Jahr 1920. Es hätte auch sein können, dass der Mensch eben nicht zum Mond fliegt – und bis eine Sache manifest ist, ist sie eben nicht manifest. Geraune ist Geraune, und exakt so entstehen Fake-News, ob im „Stern“ oder auf dem Youtube-Kanal eines Leipziger Fotografen. Beim Verarbeiten von Informationen und beim Behaupten von Sachlagen geht es halt nicht darum, was vielleicht mal Fakt sein könnte und was böse Mächte ganz bestimmt planen, sondern es geht vor allem erst einmal darum, den Leuten reinen Wein einzuschenken und nichts herbeizuinterpretieren, was nicht ist. Vielleicht gibt es ja mal eine Impfpflicht, wenn es einen Impfstoff gibt. Aber das ergibt sich momentan nun mal nicht aus dem Dokument, das mein Aluhut-Facebook-Freund verlinkt. Der Leipziger Fotograf und alle, die seine Behauptungen unkritisch weiterverbreiten, geben Vermutungen und vor allem Assoziationen als Fakten aus. Damit betreiben sie Desinformation, weil naive Charaktere – von denen es in dem betreffenden Facebook-Thread zahlreiche gibt – die Aussagen bedenkenlos glauben und ihr Weltbild damit festigen.

Meiner Beobachtung nach ticken Aluhut-Verschwörer meistens so:

  • Niemals geschieht etwas durch Zufall. Immer steht dahinter eine böse Absicht.
  • Niemals geschieht etwas Normales. Entweder etwas Unnormales geschieht, oder hinter etwas scheinbar Normalem steckt etwas zutiefst Unnormales.
  • Die böse Absicht gehört meistens irgendwelchen undurchsichtigen mächtigen Kreisen.
  • Die Tatsache, dass es keine Belege gibt, widerlegt die Verschwörungstheorie nicht, sondern ist ein weiterer Hinweis auf eine Verschwörung.
  • Wer Aussagen der Aluhut-Fraktion angreift, ist schnell im Verdacht, selbst Verschwörer zu sein.
  • Insgesamt beruht das Denken auf Fehlschlüssen, vor allem auf der Verwechslung von Kausalität und Korrelation.
  • Die Fähigkeit, zwischen Wissen, Meinen und Annehmen zu differenzieren, ist völlig unterentwickelt bis nicht vorhanden.
  • Man trifft Urteile auf der Basis von Halbwissen, Annahmen, Interpretationen und emotionaler Assoziationen.
  • Was das Weltbild bestätigt, ist so willkommen, dass der Betreffende es sofort und ohne weitere Überlegungen als Fakt akzeptiert.
  • Unzulässige Beweislastumkehr ist ein Hauptmittel in der Rhetorik: Man beweist seine Theorien nicht, aber verlangt von Gegnern, dass sie das Gegenteil belegen.

Und so geht das eben die ganze Zeit. Was für ein Chaos muss in den Köpfen solcher Freaks herrschen. Welcher Mangel an Struktur.

Linke und Rechte finden zueinander

Diese beiden Geschichten finde ich symptomatisch. Die eine Geschichte kommt aus der SPD, die andere Geschichte aus der Aluhut-Fraktion. Beiden Protagonisten gemeinsam ist das krude Denken: Die SPD-Vorstandsfrau tritt Art. 5 GG mit Füßen, handelt bigott und selbstgerecht, und sie erfindet Vorwürfe, die nicht zutreffen. Der erwähnte Facebook-Nutzer bekennt sich in einem seiner Kommentare zu „Widerstand 2020“, also der Gruppe von Impfgegnern und Corona-Verharmlosern, nach deren Auffassung eine tyrannische Regierung mit eiserner Hand Freiheitseinschränkungen befiehlt, um die Menschen zu unterjochen. Die beiden Seiten könnten unterschiedlicher nicht sein, aber dennoch ticken sie in manchen Ausprägungen ähnlich. Die Gemeinsamkeiten zeigen sich vor allem vor dem Hintergrund der Corona-Krise: Bei den „Hygiene-Demos“ zeigt sich tatsächlich eine abenteuerliche Mischung aus links und rechts, aus Verschwörungstheoretikern und Kapitalismusgegnern – bei der Antifa spricht man unter anderem von einer „Querfront“.

Eine Facebook-Freundin schreibt mir über den erwähnten Facebook-Nutzer mit dem Impfzwang, der beruflich Coach und Unternehmensberater ist:

Seine Aufrufe empfinde ich als zunehmend bizarr, wenn man sein Business in Betracht zieht. Leider ist das wie gesagt kein Einzelfall. Posts in dieser Richtung und Tonalität nehme ich seit Wochen wahr im Bereich Coaching und Unternehmensberatung. Nicht unerwartet, denn Existenzängste sind schlimm … und Ertrinkende schlagen um sich … nur hatte ich es aus der Unternehmensberater Ecke nicht innerhalb so kurzer Zeit vermutet.

Bringt Corona also ans Licht, wer wir wirklich sind?

Vor allem eine Sache eint diese Protagonisten – die Neigung zu unlogischer Beweislastumkehr. Wir haben hier die beiden Hauptgeschichten SPD-Vorstand und Aluhut sowie den Nebenstrang „Stern“. Alle vereint die Logik ihres Denkens:

  • SPD-Vorstandsmitglied Michaela Engelmeier stellt haltlose Behauptungen und Widersprüche auf (Kritik wäre nicht meine Sache, und ich spräche ihr ihre Meinung ab) und zwingt mich argumentativ, diese Anwürfe zu widerlegen – statt dass Sie auf meinen Vorwurf eingeht, der ja nun einmal im Raum steht.
  • Der Aluhut-Vertreter schreibt mir: „Die Aussagen bezüglich der Organisationen von Gates und Co. können Sie gerne widerlegen.“ Auch er liefert keine Belege für seine kruden Behauptungen, sondern betrachtet seine unbewiesenen Aussagen als korrekt, solange sie niemand explizit widerlegt.
  • Der „Stern“ argumentiert, jedenfalls zum Teil, wir müssten nicht die Immunität durch das Virus beweisen, sondern wir müssten beweisen, dass es keine Immunität gibt. Das heißt: Auch der „Stern“ liefert keine Belege, sondern argumentiert mir gegenüber, es brauche keinen Beweis. Beim „Stern“ denkt man offensichtlich wie bei den anderen beiden Beispielen, die jeweilige Behauptung (Genesene seien immun) sei richtig, solange sie nicht widerlegt ist.

Diese Ablenkungsmanöver betrachte ich nicht nur als aussagenlogisch unsauber, sondern auch als ideologisch. Sie sind typisch für Menschen, die sich ein Weltbild zurechtgelegt haben, das auf Denkfehlern beruht und das sie mit allen Mitteln verteidigen, nur um ihren Irrtum nicht einräumen zu müssen. Den „Stern“ will ich davon ein wenig ausnehmen: Dort vermute ich keine Verschwörung in Richtung Immunitätsnachweis, sondern das bei Journalisten häufig anzutreffende „Aufrunden“ von Aussagen. Wenn wir etwas annehmen, was vermutlich zu 80 Prozent gilt, sagen manche Kollegen eben: „Sei’s drum“, und runden die Aussage auf 100 Prozent auf. So entstehen dann eben Mythen. Oder auch rein auf Spekulationen basierende Behauptungen wie die der „Zeit“ in Ausgabe 13/2015 vom 26. März 2015, der Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 am 24. März 2015 sei eine Folge der Konzernpolitik der Lufthansa („Absturz eines Mythos“, „Absturz stellt Lufthansa-Konzept infrage“) – dabei war es ein erweiterter Suizid. Und es war eben schon damals logisch falsch, eine Annahme als Behauptung zu veröffentlichen, und die „Zeit“ kann sich dabei auch nicht darauf berufen, das sei zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eben die gängige Theorie gewesen. Es war einfach nur Raunen, unbewiesenes Zeug, einer Verschwörungstheorie gar nicht so unähnlich.

Mehr Beispiele finden sich im Buch „Sind die Medien noch zu retten“, wobei es dabei oft um Narrative geht, also um Reframings der Wirklichkeit, die am Ende den erwähnten Mechanismen der Wirklichkeitsleugnung und Faktenverdreherei auf der Basis einer Ideologie gleichkommen.