Habe mal wieder ferngesehen – und bin in der ARD auf einen wundervollen Film gestoßen. „Zur Hölle mit den anderen“ – eine klare Anspielung auf „L’enfer, c’est les autres“ („Die Hölle sind die anderen“) aus „Huis Clos“ („Geschlossene Gesellschaft“) von Jean-Paul Sartre. Wer den Film nicht gesehen hat – bitte Mediathek.
Wie bei Sartre handelt es sich um ein Kammerspiel – übersichtliches Ensemble, ein Schauplatz, keine Zeitsprünge. Zwei alte Freundinnen begegnen einander wieder, die eine lädt die andere ein, doch sie verstehen sich so gar nicht mehr. Die Begegnung ist ein einziges Missverständnis inklusive den männlichen Partnern. Die Zuspitzung beginnt mit Anspielungen, Gezicke, und steigert sich dann langsam bis zu einem zwar spannenden, aber leider verhaltenen Showdown. Hervorragend spielt vor allem Britta Hammelstein, mir zuvor bekannt aus „Der Baader-Meinhof-Komplex“, in dem sie die Terroristin Hanna Krabbe spielte, und dann natürlich aus dem NDR-„Tatort“.
Beim Sehen fiel mir ein älterer Film ähnlicher Art ein – auch ein Kammerspiel. Mit mehr Figuren, ein paar wenigen Schauplätzen mehr, aber ebenfalls ohne Bruch der aristotelischen Einheit aus Ort, Zeit und Handlung. Und diesen Film will ich Ihnen ebenfalls ans Herz legen. Er ist ein Meisterwerk der Eskalation. Der Film beginnt völlig harmlos, und dann beginnt eine Zuspitzung, die sich gnadenlos und in kleinen Schritten immer weiter steigert – weiter, als man es bei einem deutschen Film für möglich hält. Es ist „Die Bluthochzeit“ von 2005 mit dem genialen Armin Rohde und mit dem ebenso genialen Uwe Ochsenknecht; beide spielen die Widerparts. Wie gesagt auch hier ein Kammerspiel: keine Zeitsprünge, keine Rückblenden – und vor allem kein Funknetz, was das Kammerspiel in heutigen Zeiten denkbar macht.
Die Spannung bei der „Bluthochzeit“ spitzt sich auf eine Weise zu, die keine weitere Eskalation mehr erlaubt: Am Ende genügen dem jungen Bräutigam (Arne Lenk) die gewalttätigen Sperenzien seines Vaters (Rohde), und er gibt dem Vater, was der Vater den ganzen Film über will: eine Ehrenbezeugung als wehrhafter Sohn, eine tribalistische Gewaltdemonstration, damit man Vater und Sohn ernst nimmt. Trivial gesagt: Er haut ihm auf die Fresse (Drehbuch und Regie: Dominique Deruddere).
Bei „Zur Hölle mit den anderen“ ist eine solche Eskalation auch denkbar, aber das Drehbuch (Nicole Armbruster) bleibt am Schluss leider zurückhaltend, obwohl der Film die Spannung sehr gut und sehr unerträglich aufbaut, inklusive bösartigen Aktionen gegenüber Kleinkindern, was wirklich an die Nerven geht. Obwohl das Gastpärchen mehrfach beschließt, das destruktive Beieinander zu verlassen und nach Hause zu fahren (was das Drehbuch immer wieder auf großartige Weise vereitelt), fahren sie am Ende des Filmes doch.
Darf ich böse sein? Ich hätte mir am Ende Tote durch einen mehrfachen Mord gewünscht, einfach der Spannungsentwicklung wegen. Oder dass das Haus abbrennt und alle kathartisch gereinigt im Himmel sind. Wahrscheinlich war das nicht möglich, weil zwei Kinder (3 und 4 Jahre alt) im Drehbuch eine wichtige Rolle gespielt haben, die man nicht sterben lassen durfte.
Aber dennoch: Beide Filme sind wunderbare Beispiele für Zuspitzung und Eskalation.