Herrn
Jan Philipp Albrecht MdEP
Parlement européen
B-1047 Bruxelles/Brussel
Anfrage für Buchveröffentlichung / DSGVO
Gersfeld (Rhön), 9. Juni 2018
Sehr geehrter Herr Albrecht,
mein Kollege Frank Eckert und ich arbeiten derzeit an der zweiten Auflage des Buches „Sind die Medien noch zu retten?“ (Midas-Verlag, 1. Auflage Zürich 2017). Darin wird es auch um den Umgang der Medien mit der DSGVO gehen, der uns nicht kritisch genug erscheint.
Der massive Stress, den Selbstständige und Mittelständler mit dem Thema haben, die Rechtsunsicherheit und vor allem auch die Frage nach der unerklärlichen Ignoranz der Macher gegenüber dem normalen Geschäftsleben findet in den Medien viel zu leise statt.
In der ersten Auflage unseres Buches hatten wir für die Ignoranz der Medien gegenüber der Wirtschaft das Beispiel „Geoblocking“ angeführt. Hier folgten Medien sehr ignorant der Argumentation aus Brüssel, obwohl Unternehmen Gründe haben können, den Verkauf ihrer Produkte auf bestimmte Regionen zu begrenzen, beispielsweise den Umsatzsteuerbetrug bei grenzüberschreitendem Warenverkehr. Dieses Argument haben wir bei unseren Recherchen in keinem Medium gefunden, was uns zeigt, dass Medien politische Dinge oft unhinterfragt übernehmen, statt professionell ihren kritischen Job zu machen.
Wir werden argumentieren: Der grundsätzliche Denkfehler bei der DSGVO liegt nach unserem Dafürhalten darin begründet, dass die Macher der DSGVO sich selbst ganz offenbar noch nie in ihrem Leben maßgeblich in der Wirtschaftswelt bewegt haben. Sonst wüssten sie, dass ein Visitenkartenaustausch auf einem Kongress oder einer Messe den Sinn hat, dass man miteinander kommuniziert. Den Leuten, die die DSGVO maßgeblich gestaltet haben, mangelt es offensichtlich ganz massiv an elementaren Lebenserfahrungen, insbesondere in der einfachsten und normalsten Daseinsform des Lebens, der Selbstständigkeit, in der man anderen einen Nutzen bietet und davon lebt.
Entsprechend Ihrer politischen Sozialisation liegt der DSGVO ein linkes Wirtschaftsbild zugrunde. Dieses Wirtschaftsbild unterscheidet im Grunde nur zwischen der bösen Wirtschaft (Konzerne) und dem armen Privatmenschen, der niemals selbstständig ist, sondern stets nur Konsument und angestellt. Dass es Mittelständler und Selbstständige gibt, ignoriert die politische Linke – und auch die DSGVO.
Sicher ist die DSGVO gut gemeint, was Konsumentenrechte gegenüber Konzernen angeht. Aber dass Wirtschaft fast überall zu finden ist, dass also auch mein Friseur Wirtschaft ist, der über mich personenbezogene Millimeterangaben gespeichert hat, ignoriert Ihr Gesetz. Es ist insofern schlicht zu kurz gedacht und oberflächlich. Ganz im Ernst: Haben Sie wirklich nicht zu Ende gedacht, welche Bedeutung die DSGVO für normale Geschäftsleute hat? Warum nicht?
Diese Oberflächlichkeit in der Erstellung der DSGVO dürfte dann auch der Grund für die massive Rechtsunsicherheit sein. Ein Hannoveraner Rechtsanwalt sagt in einem DSGVO-Workshop, mit meinem Steuerberater bräuchte ich einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung. Der Steuerberater sagt, das sei nicht nötig. Was stimmt nun? Und wie heißt das Ding überhaupt? DAV? ADV? Wer weiß das exakt?
Dann heißt es: Abmahner haben keine Chance, da Verstöße durch eine Aufsichtsbehörde mittels Bußgeldern geahndet werden. Der Hannoveraner Anwalt vertritt diese These, andere nicht. Was stimmt?
Dann fragen sich die Leute: Wie dokumentiert man die Löschung von Daten, ohne diese Daten weiterhin zu speichern? Oder fallen Daten ab dem Löschungsersuchen unter Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c der DSGVO und dürfen deswegen weiterhin gespeichert werden, weil es zur Erfüllung einer Rechtspflicht (der Dokumentation) erforderlich ist?
Und vor allem stellt sich die Frage: Wenn ich auf einer Messe einen Geschäftsmann kennenlerne und er mir seine Visitenkarte gibt – welchen bürokratischen Aufwasch verlangen Sie von mir, dass ich diesen neuen Kontakt in mein Adressbuch eintragen und anrufen darf? Warum kriminalisieren Sie ganz normale Geschäftsleute?
Also: Wir werden in der zweiten Auflage das Versagen der Medien in Sachen DSGVO thematisieren. Wie beim Geoblocking erlaubt es deren Weltbild nicht, die Folgen zu ermessen, wie auf Seiten der Politik.
Wir werden auch schreiben, dass wir den Grundgedanken der DSGVO sinnvoll finden, die Datenschutzrechte des Einzelnen zu stärken. Aber das Vorstellungsvermögen der DSGVO-Macher reichte eben offenbar nicht so weit, um das ganz normale Geschäftsleben zu berücksichtigen – und das ist ein Armutszeugnis für die Politik.
Wollen Sie uns dazu eine Stellungnahme schreiben? Das wäre sehr schön. Dass wir uns ausgerechnet an Sie wenden, hängt damit zusammen, dass Sie die DSGVO im Netz umfangreich als Ihr Werk darstellen und offenbar der Ansicht sind, dass alles so stimmt. Das „Handelsblatt“ nennt Sie den „Vater der DSGVO“.
Ich freue mich, von Ihnen zu hören.
Vielen Dank und beste Grüße
Thilo Baum
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