Politische Konzepte klingen oft sehr kompliziert: Unter „Emissionshandel“ kann sich kaum jemand etwas vorstellen, und ein Begriff wie „E-Fuel“ sorgt bei vielen Leuten für Verwirrung. Elektrischer Sprit? Für mich ist es nicht verwunderlich, dass manch ein gutes Konzept nicht durchdringt, obwohl es gut ist. Unter „E-Fuel“ können sich eben fast nur Fachleute etwas vorstellen.

Bei einem Oldtimertreffen habe ich das Foto oben gemacht – es zeigt drei amerikanische Straßenkreuzer mit V8-Motoren. Solche Autos gelten als Klimakiller. Tatsächlich stoßen alte Autos Schadstoffe aus, die neue Autos idealerweise für sich behalten. Und doch sind Oldtimer ein schönes Transportmittel fürs Verständnis klimapolitischer Konzepte.

Hier will ich zwei Argumentationen vorstellen, beide zum gleichen Thema, beide mit demselben Ziel. Es geht darum, den Verbrennungsmotor weiter zu nutzen. Die Reflexe sind erfahrungsgemäß sofort zu vernehmen: „Verbrennungsmotoren sind klimaschädlich“, heißt es, und daher müsse man sie verbieten. Aber der Reihe nach. Selbst wenn Sie gegen Verbrenner sind, bitte ich Sie, sich mal beide Darstellungen anzuschauen.

Argumentation vom Politiker aus

Beginnen möchte ich mit der typischen Argumentation aus Politikersicht. Die Reihenfolge ist in etwa die:

  1. Ohne E-Fuels ist die individuelle Mobilität nicht mehr gewährleistet.
  2. Ohne E-Fuels lassen sich auch die Klimaziele nicht erreichen.
  3. Ein Verbrennerverbot schadet der Automobilindustrie.

So in etwa lesen und hören wir es. Die Reflexe sind völlig klar:

  1. Auf Punkt 1 reagieren manche Menschen, indem sie die individuelle Mobilität infrage stellen. Wer braucht denn das? Sollen die Leute doch Bus und Bahn fahren!
  2. Auf Punkt 2 reagieren manche Menschen, indem sie sagen: Unsinn! E-Fuels schaden dem Klima, weil Verbrennungsmotoren CO2 ausstoßen.
  3. Auf Punkt 3 reagieren manche Menschen, indem sie sagen: Der Industrie geht es doch sowieso viel zu gut! Gerade die verpesten doch die Luft und schaden dem Klima.

Aus meiner Sicht sind diese Reflexe zu erwarten, weil die klassische Argumentation dem Weltbild quasi der gesamten politischen Linken widerspricht und bekannte Triggerpunkte drückt. Dass die Gegenargumente auch Irrtümer transportieren (beispielsweise dass E-Fuels klimaschädlich seien), geht dabei unter, und wir haben vor lauter emotionaler Gegenwehr keine Chance, das zu korrigieren. Obwohl unser Konzept im Sinne des Klimaschutzes ist und insofern niemand etwas dagegen haben sollte.

Damit unsere Botschaft durchdringt, sollten wir die Politikersicht verlassen und dasselbe Thema mit derselben Forderung aus einem anderen Blickwinkel darstellen. Ich schlage die Sicht klassischer Autofahrer vor, also vor allem von Menschen, die arbeiten gehen oder das Auto sogar für ihren Job brauchen wie beispielsweise Handwerker.

Argumentation vom Verbraucher aus

Schauen Sie sich bitte folgende Argumentation an:

  1. Stellen Sie sich vor, Sie können mit Ihrem jetzigen Auto weiterfahren, und zwar klimafreundlich. Sie müssen sich weder ein Elektroauto kaufen (dessen Herstellung alles andere als umweltfreundlich ist und das mit Kohlestrom dem Klima schadet), noch müssen Sie Ihren bisherigen Wagen umrüsten lassen.
  2. Wenn Sie Ihr Auto mit synthetischen Kraftstoffen tanken, ist die CO2-Bilanz rechnerisch neutral.
  3. Denn synthetische Kraftstoffe kommen nicht aus der Erde und belasten die Atmosphäre mit zusätzlichem CO2, sondern das Kohlenstoffatom im Kraftstoff war bereits vorher in Gestalt von CO2 in der Atmosphäre. Bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe wird dieses CO2 aus der Luft gemeinsam mit Wasserstoff chemisch gebunden. An der Formel des einfachsten Brennstoffs Methan (CH4) zeigt sich, dass Wasserstoff im Spiel ist. Unter Energiezufuhr beispielsweise durch die Sonne also speichert der synthetische Kraftstoff die Energie. Der Kraftstoff selbst enthält dann kein CO2 mehr, sondern das C-Atom. Das verbrennt dann im Motor.
  4. So bleibt das COin einem Kreislauf: Der Motor verbindet Sauerstoff aus der Atmosphäre mit dem Kohlenstoff-Atom aus dem Sprit und wandelt die Energie aus der exothermen Reaktion in Bewegungsenergie um. Dabei wird nur das CO2 frei, das vor der Produktion des synthetischen Kraftstoffs bereits in der Atmosphäre war.
  5. Mit welcher Energie also fährt ein Auto? Mit der Sonnenenergie, die im Kraftstoff gespeichert wurde.
  6. Am Ende also speichert ein synthetischer Kraftstoff Sonnenenergie, und der Verbrenner verwandelt die Sonnenenergie in Bewegungsenergie. Das C-Atom läuft dabei nur im Kreis herum.

Und dann legen Sie dar: Das geht zum einen mit synthetischen Kraftstoffen – also idealerweise hergestellt in einer Fabrik an der arabischen Golfküste, wo es Hitze und Wasser gibt. Darauf setzen die Nationen dort ja bereits – weshalb also nicht mitmachen? Zum anderen geht es eben mit Biosprit, gewonnen aus Pflanzen. Auch hier fährt das Auto am Ende mit der Sonnenenergie, die die Pflanze bei der Photosynthese in ihrer Biomasse speichert. Und es stößt nur das CO2 aus, das die Pflanze vorher produziert hat.

Unsere amerikanischen Straßenkreuzer also können sehr klimafreundlich unterwegs sein, wenn sie beispielsweise Rapsöl tanken. Die alten Motoren ertragen das ja mitunter gut. Erst recht gilt beim synthetischen Brennstoff, dass wir es am Ende mit den gleichen Molekülen zu tun haben wie beim Benzin. Es sind eben Alkane. Also extrem energiehaltige Kohlenwasserstoffverbindungen – die man entweder aus der Erde holen oder künstlich produzieren kann. Ob aus Raps oder aus Wasserstoff.

Es geht nicht um die Sache, es geht um die Bedeutung

Das sind zwei verschiedene Argumentationen fürs gleiche Thema – beide unterscheiden sich im Kern nur durch die Herangehensweise. Die Frage ist: Setzen wir unser Wissen auch bei unserem Gegenüber voraus? Legen wir die chemischen Zusammenhänge als bekannt zugrunde? Oder beschreiben wir aus Empfängersicht, wie das Konzept konkret funktioniert?

Darum geht es in meinen Augen in der politischen Kommunikation. Es sind komplexe Modelle und Techniken, und die müssen wir einleuchtend erklären. Das gelingt nicht, indem wir von unserem Wissen ausgehen und die fraglichen Begriffe als bekannt voraussetzen. Sondern es gelingt, indem wir die Begriffe loslassen und ohne Verweis auf Fachbegriffe einfach erklären, was konkret geschieht.

Der Punkt ist also aus meiner Sicht nicht die politische Forderung: „Wir wollen auch nach 2035 noch Verbrenner kaufen können“, sondern der Punkt ist: „Was haben Sie gegen klimafreundliche Verbrenner?“ Ich bin überzeugt davon, dass die wenigsten Menschen wissen, dass ein Verbrenner klimafreundlich sein kann. Die Leute denken: Sobald ein Motor CO2 ausstößt, ist er genau deswegen schon klimaschädlich. Und darin irren sich die Leute eben. Aber wer soll es ihnen verübeln? Mit der gewohnten Kommunikation wird das Konzept schließlich nicht klar.

Und statt „E-Fuel“ sagen wir „synthetische Kraftstoffe“. Dass das „E“ daher kommt, dass sich diese Stoffe durch Elektrolyse gewinnen lassen, ist zwar korrekt, aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir mithilfe dieser künstlichen Benzinarten klimafreundlich Verbrenner nutzen können.

Daraus folgt vor allem eine politische Conclusio, die nicht nur für Autofahrer relevant ist, sondern vor allem auch für alle Umwelt- und Klimaschützer: Wir müssen keine brauchbaren Autos verschrotten, was ein unfassbarer Frevel wäre. Sondern wir können unsere alten Autos klimafreundlich zu Ende fahren. Es ist ohnehin absurd, einen Oldtimer wie auf dem Foto zu verschrotten, wenn er noch fährt: Es ist besser fürs Klima, ein bestehendes Auto zu fahren, als einen neuen Tesla zu produzieren, der den Oldtimer ersetzt. Erst recht, wenn wir den Oldtimer mit Biosprit oder Kunstbenzin fahren.

Mit diesem Perspektivenwechsel hat das politische Modell „E-Fuel“ möglicherweise eine bessere Lobby – und das betrifft viele politische Konzepte.