LinkedIn, Freitag Vormittag. Eine Frau namens M. schickt eine Kontaktanfrage. Warum nicht, denke ich, und lasse den Kontakt zu. Derzeit interessieren sich viele Menschen für mein neues Buch, also ist das doch in Ordnung.

M. schreibt, sie hätte sich mein Profil „mal etwas näher angesehen“. Ihr seien „ein paar Sachen aufgefallen“ und ich könnte „recht simpel noch mehr Menschen“ aus meiner Zielgruppe erreichen. Ob ich offen für konstruktive Impulse sei.

Hm. Die Dame hat sich mein Profil angesehen? Und geht in keiner Weise auf mein Thema ein, das neue Buch? Seltsam. Hat sie möglicherweise eine nicht so scharfe Wahrnehmung?

Werbemüll bei LinkedIn

Also denke ich mir: wieder Werbe-Schwachsinn. Der nimmt bei LinkedIn derzeit massiv zu: Die Müllwelle ist aus Facebook herübergeschwappt. Wer verstopft zunehmend LinkedIn?

  • die üblichen Reich-in-fünf-Minuten-Spammer,
  • Online-Marketing-Pyramidensystem-Anbieter,
  • erfolglose Berater und Coaches,
  • Reichweitenverkäufer,
  • sonstige Leute ohne Content.

Das ist schade, denn LinkedIn ist super. Es sollte unbedingt brauchbar bleiben. Zuerst ist Xing wegen Spam unbrauchbar geworden, dann Facebook. Und jetzt belagern diese Leute leider LinkedIn.

Ich hätte mir mal eher das Profil der Dame anschauen müssen. „Endlich planbar Kunden gewinnen ohne Geld in Werbung zu stecken“, stellt M. in Aussicht (Kommafehler im Original). Sie behauptet, „3 Mio.+ Follower auf Instagram aufgebaut“ zu haben. Wow! Sollte es uns stutzig machen, dass die Dame selbst nur 33 LinkedIn-Kontakte hat? Wie soll uns jemand dabei helfen, Reichweite aufzubauen, der selbst keine Reichweite hat?

Meine Antwort: „Das klingt, wenn ich mir dein Profil so anschaue, nach einer Werbe-Mail …“

Pfiffige Menschen würden aus diesen Worten ableiten, dass ich keine Werbung will. Doch so kultiviert ist heute kaum noch jemand, im Vertrieb sowieso nicht. Was macht M.? Sie antwortet mit einer Sprachnachricht. Ätzend! Sprachnachrichten müssen wir uns durchhören, um die gesamte Botschaft mitzubekommen. Während wir bei geschriebenen Texten auf einen Blick sehen, worum es geht, rauben uns Sprachnachrichten Zeit.

M. insistiert ohne jede soziale Kompetenz

Was erzählt M.? Sie sagt unter anderem: „Vielen Dank für dein Feedback. Da sollte ich mal mein Profil überarbeiten. Ich höre das nämlich nicht zum ersten Mal.“

Ach. Sie bekommt immer wieder das gleiche Feedback und setzt es nicht um? Das sind ja großartige Voraussetzungen für M.s Erfolg in Zukunft! Alles das erzählt sie lachend, fröhlich, wir sind ja alle Kumpels, ist klar. Was für eine oberflächliche Art, solange sie die Kernbotschaft meiner Worte nicht versteht oder nicht verstehen will.

Und jetzt fängt sie bei Adam und Eva an:

„Ich möchte mich auch kurz vorstellen.“

Ich denke mir: Bitte nicht! Ich habe schon kapiert, dass du nicht auf einem Profi-Level agierst. Aber M. stellt sich unerbittlich vor:

„Mein Name ist M., ich bin 32 Jahre alt und beschäftige mich schon jetzt schon fast über fünf Jahre mit dem Thema Social Media und LinkedIn. In dieser Zeit habe ich auch zusammen mit meinen Teampartnern über drei Millionen Follower in allen relevanten Markt-Nischen aufgebaut.“

2 neue LinkedIn-Kontakte pro Monat

Hm. Sie hat Millionen Reichweite aufgebaut, hat aber bei LinkedIn nur 33 Kontakte. Und das macht sie seit fünf Jahren? Was für eine unfassbare Erfolglosigkeit! M. behauptet, sie könne mich bei LinkedIn erfolgreich machen, bekommt aber in fünf Jahren nur 33 Kontakte aufgebaut, also etwa sechs pro Jahr. Alle zwei Monate einen.

Absenderkompetenz scheint bei dieser Vertriebsdame nicht gegeben zu sein. M. sagt, sie sähe in meinem LinkedIn-Profil Verbesserungspotenzial? Auch ich könnte mich an M. wenden und ihr erzählen, mir seien in Ihrem Profil „einige Sachen aufgefallen“, die sie besser machen könnte.

Entsprechend antworte ich: „Lass uns das bitte beenden.“

Clevere Menschen mit sozialer Kompetenz erkennen in diesem Satz die Bitte, dass M. keine weiteren Werbebotschaften schicken möge.

Doch auch darüber geht M. hinweg. Jetzt beweist sie ihren vollständigen Mangel an Empathie: Statt mich angesichts meiner  überdeutlichen und sehr höflichen und zurückhaltenden Signale in Ruhe zu lassen und sich aussichtsreicheren Neukunden zuzuwenden, textet sie mich voll, und zwar wieder per Sprachnachricht. Darin: „Ich wüsste ehrlich gesagt gar nicht, was wir begonnen hätten, das jetzt zu beenden. Da müsstest du mich vielleicht kurz mal abholen. Aber wie dem auch sei, wahrscheinlich läuft bei dir dein Unternehmen oder deine Selbstständigkeit super perfekt.“

Meine Fresse! Was redet die Frau für einen Müll? Wer ist das? Was will die? Weg damit, sagt mein inneres Kind. Spam, Müll, raus, aufhören, halt die Klappe, du nervst. Geh was Ordentliches arbeiten! Pflegekräfte und Busfahrer/-innen werden gesucht. Und irgendwas wirst auch du können.

Null emotionale Intelligenz

Kennen Sie das? Wenn Verkäufer Ihnen nicht zuhören? Nicht auf das eingehen, was Sie sagen?

Immer wieder habe ich auch am Telefon Verkäufer, die mir ein Ohr abkauen. Obwohl ich freundlich sage, dass ich kein Interesse habe, spulen diese Dumpfbacken ihren Leitfaden herunter und fragen: „Dann läuft es offenbar super erfolgreich?“

Mit dieser stumpfsinnigen Art, liebe Spammer, bekommt ihr kaum hochwertige Kunden. Wer so auf potenzielle Neukunden zugeht, bekommt vermutlich nur Kunden, die selbst keine Kundenorientierung kennen und genauso stumpfsinnig sind wie euer Vertrieb. Aber vermutlich ist euch Spammern und Müllschleudern das egal, weil ihr nur die Kohle abziehen wollt – der wirkliche Geschäftserfolg im Sinne irgendeiner Nachhaltigkeit ist euch ganz gewiss völlig gleich.

Was wir im Vertrieb derzeit erleben, ist eine Schwachsinnsspirale sondergleichen. Emotionale Intelligenz ist kaum anzutreffen. Zuhören können die allermeisten der Typen auch nicht, die mich per Kaltakquise ans Telefon bekommen. Die Anmutung ist meist schon bildungsfern. Das merken natürlich nur die potenziellen Neukunden, die einigermaßen Stil und einen gewissen kultivierten Horizont haben. Derzeit habe ich wirklich das Gefühl, bei den Kaltakquise-Teams der Callcenter sammelt sich das ganze bildungsferne Milieu. Soziale Kompetenz haben die nie gelernt.

Fünf Tipps für Ihren Vertrieb

Doch solange Empathie bei Vertrieblern nur selten anzutreffen ist, ist sie ein Wettbewerbsvorteil für die, die in der Lage sind, auf andere Menschen einzugehen.

Für alle, denen andere Menschen egal sind und die nur ihren Text abspulen: „Empathie“ ist, wenn wir uns für andere interessieren und nachvollziehen, was sie denken und fühlen. Wenn wir uns in deren Lage versetzen. Das mag für euch schwer verständlich sein, aber das gibt es wirklich, und es ist eines der Wesensmerkmale einer kultivierten Kommunikation und eines zivilisierten Miteinanders. Wenn ihr es nicht versteht, dann glaubt es einfach.

Also meine Tipps:

  • Schauen Sie genau, wen Sie kontaktieren, bevor Sie Ihre Sprüche nach Schema F loswerden. Wenn Sie behaupten, Sie hätten ein Profil angesehen, und dabei nicht auf das Thema eingehen, gehen die Leute davon aus, dass Sie nicht die Wahrheit sagen.
  • Eine fürchterliche Banalität: Pflegen Sie Ihr Profil. Und leben Sie vor, was Sie predigen – kommen Sie also nicht mit 33 LinkedIn-Kontakten in fünf Jahren daher, wenn Sie Reichweite verkaufen.
  • Häufen sich Neins, sollten Sie prüfen, ob Ihr Angebot überhaupt irgendetwas mit Ihrem Gegenüber zu tun hat und ob es gebraucht wird. Möglicherweise ist es viel zu pauschal formuliert. In aller Regel holen sich Verkäufer ein Nein, die am Kunden vorbeireden. Also auch hier: Lernen Sie emotionale Intelligenz und Empathie.
  • Akzeptieren Sie ein Nein und wenden Sie sich dann denen zu, denen Sie wirklich helfen können und die sich helfen lassen können. Hören Sie auf, die Leute zu nerven.
  • Fangen Sie keine kruden Diskussionen an, sondern schonen Sie die Zeit der Menschen. Niemand wartet auf Sie. Man empfindet Sie nur dann als wichtig, wenn Sie tatsächlich ein interessantes und individuelles Angebot haben. Haben Sie das nicht, sollten Sie die Leute nicht beim Arbeiten stören.

Eigentlich ganz einfach. Doch wer keinerlei Empathie hat, sollte sich möglicherweise woanders einen Job suchen und nicht unbedingt im Verkauf.