Wie lassen sich Fachinhalte treffend formulieren? Fachleute setzen meist auf Korrektheit und Präzision. Nun hat sicher niemand etwas dagegen, dass Informationen stimmen und genau sind. Aber möglicherweise gibt es da noch ein paar andere Faktoren, die zunächst wichtiger sind: Je nach Kontext und Empfänger kann es nötig sein, Korrektheit und Präzision nach hinten zu stellen. Das gelingt, ohne Informationen zu verfälschen.

Präzision und Korrektheit

Viele Fachleute denken, es gehe bei der Kommunikation in erster Linie um Korrektheit und Präzision. Das ist auch klar, weil sie es so gelernt haben. Ganz gleich, in welchem Fachgebiet: Fachleute denken, ihre Inhalte müssten vor allem korrekt und genau sein.

Korrekt ist etwas, wenn es zutrifft. Wenn es also stimmt. Korrektheit ist natürlich wichtig in der Kommunikation, weil Informationen gesicherte Erkenntnisse sein sollten. Viele Menschen bilden sich ihre Meinungen zunehmend auf der Basis von Vermutungen, Halbwahrheiten und Denkfehlern. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, für gesicherte Erkenntnisse einzutreten. Die Wissenschaft arbeitet so, im Idealfall auch der Journalismus. Das gesamte westliche Denken seit der Aufklärung kommt durch Beweise zu gesicherten Erkenntnissen, nicht durch Gerüchte und Hörensagen.

Präzision ist je nach Kontext unterschiedlich wichtig

Auch Präzision ist in der Kommunikation sehr wichtig, weil ungenaue Informationen zu falschen Schlüssen führen können. Das tun sie allerdings nur dann, wenn es auf die Präzision dieser Informationen ankommt. Bei einer Schnitzeljagd genügt es meist zu sagen: „Wir müssen Richtung Nordwesten.“ Manchmal genügt das aber auch nicht – in der Profi-Navigation sind präzisere Informationen nötig.

Insofern sollten wir die Präzision graduell betrachten. Wie viele Stellen hinter dem Komma dürfen es denn sein? Wie genau eine Information sein muss, hängt nahezu immer vom Kontext ab. Wenn wir uns zum Mittagessen verabreden, genügt die Information „12 Uhr“; bei einem Raketenstart brauchen wir darüber hinaus die Sekunden und die Zeitzone (12:00:00 Uhr MEZ).

Präzision findet mitunter kein Ende, während Korrektheit zu 100 Prozent gegeben sein kann. Das Adjektiv „präzise“ lässt sich insofern sogar steigern, das Adjektiv „korrekt“ dagegen nicht. Ob etwas korrekt ist, ist keine graduelle Sache.

Die Information „Der Unfall geschah zur Mittagszeit“ ist korrekt, wenn es so war, und diese Korrektheit bedarf keiner weiteren Präzision. Die Präzision hätte es auch schwer: Wann genau war der Unfall? Oft weiß das niemand genau. Und wenn es jemand ungefähr weiß: War es um 12:10:58 Uhr? Um 12:11:02 Uhr? Lässt sich ein Unfall überhaupt an einem Zeitpunkt festmachen oder dauert er einige Sekunden? Und wie viel Uhr ist es überhaupt? In Deutschland gehen die Uhren im Grunde nur in Görlitz richtig, weil das auf dem 15. Längengrad liegt. Und auch das stimmt dort genau genommen nicht überall.

Für Ermittlungsbehörden und Gerichte genügen daher oft Angaben, die aus wissenschaftlicher Sicht als „ungenau“ gelten („gegen 12 Uhr“). Aber da es auf kein höheres Maß an Genauigkeit ankommt (weil es nicht relevant ist), kann die Justiz auf dieser Basis ihre Entscheidungen treffen.

Übertriebene Präzision führt zur Spitzfindigkeit

Treffen ein Präzisionsdenker und ein Pragmatiker zusammen, verwässern Debatten schnell. Denn unnötige oder auch absichtlich übertriebene Präzision führt rasch zur Spitzfindigkeit. Zum Worte-auf-die-Goldwaage-Legen, zur Erbsenzählerei. Zu sophistischen Debatten. Womit wir im Zweifel das Thema verlassen und off-topic werden. Übrigens nutzen auch Demagogen die übertriebene Präzision, um gültige Argumente zu zerreden, etwa indem sie von anderen verlangen, bezüglich ihrer Thesen ein übertriebenes und unnötiges Maß an Präzision herzustellen. Das gelingt natürlich nicht, und so können Demagogen die jeweilige These insgesamt als falsch darstellen.

Diese beiden sehr wichtigen Kategorien Korrektheit und Präzision sind zahlreichen Fachleuten mehr oder weniger ins Blut übergegangen. Sie formulieren ihre Texte also vorwiegend korrekt und präzise.

Insofern sind Fachtexte oder auch andere Botschaften von Fachleuten oft unangreifbar korrekt. Sie sind fachlich so korrekt, dass manche Laien nicht mehr verstehen, worum es geht. Beispielsweise wenn korrekte Fachbegriffe zum Einsatz kommen wie die Bezeichnung „Orthochlorbenzylidenmalonitril“. Diese Bezeichnung ist sicher korrekt, aber kaum jemand außerhalb der Chemie wird sie verstehen. In der Zeitung ist daher von „Tränengas“ die Rede.

Je nach Kontext genügen unpräzise Informationen

Und in der Kommunikation sind viele Fachleute möglichst präzise – also so präzise, wie es geht. Sie sagen, das Wort „Tränengas“ sei ungenau, weil es verschiedene Tränengase gibt. Welches Tränengas soll denn gemeint sein?

Aber das ist im Zusammenhang mit einer Demonstration nicht relevant. Die entscheidende Information lautet „Tränengas“.

Bei der Präzision können wir natürlich auch immer tiefer bohren. Doch interessanterweise fragt kaum jemand bei der Berichterstattung über eine Demonstration nach der genauen Bezeichnung des Tränengases – und auch nicht danach, wie viel Kilogramm Tränengas die Polizei denn eingesetzt hat. Das beantwortet der Lokaljournalismus oft nicht. Warum nicht? Diese Information wäre zwar präzise und möglicherweise dann auch korrekt, aber sie ist nicht relevant.

Womit wir bei den nächsten beiden großen Punkten sind:

Relevanz und Prägnanz

Wie viel Kilogramm Tränengas die Polizei bei einer Demonstration einsetzt, steht in aller Regel nicht in der Zeitung, weil es nicht relevant ist. So korrekt und präzise die Information auch sein kann.

Relevant ist, was topic ist. Relevant ist das, worum es geht – direkt oder indirekt. Was eine Bedeutung hat. Was mit etwas zu tun hat. Und auch hier zählt der Kontext: In einem Bericht über eine Demonstration ist es unbedeutend, wie viel Kilogramm Tränengas die Polizei versprüht hat, weil der Rahmen des Themas die Lokalpolitik ist. In einem Bericht über Augenreizungen oder Umweltschutz mag die Information von Belang sein – dann aber spielt dort keine Rolle, wofür die Demonstranten demonstriert haben.

Die Relevanz verlangt stets, dass wir beim Thema bleiben und nicht abweichen. Auch dass wir keine Assoziationspyramiden aufbauen, bei denen wir vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Relevanz erfordert ein strukturiertes Denken und einen ständigen Abgleich: Ist die Information, die wir hier haben, relevant? Sagt sie etwas zu genau dem Thema, um das es geht?

Konkret ist es für Menschen zum Beispiel relevant, wenn die Wasserwerke eine Straße in ihrer Nachbarschaft sperren, weil sie zwei Wochen lang im Untergrund buddeln. Das ist für diese Menschen relevant, weil sie dort wohnen. Für Menschen 300 Kilometer weiter mag es irrelevant sein. Darum ist diese Information bestenfalls lokaljournalistisch relevant – es sei denn, es explodiert ein Blindgänger und es gibt Tote, dann haben wir es mit einer überregionalen Relevanz zu tun. Finden die Wasserwerke beim Buddeln eine antike Amphore, ist die Buddelei kulturjournalistisch relevant. Weil die Baustelle dann weitere Monate existiert, weil Archäologen weiterbuddeln, ist dann wiederum lokaljournalistisch relevant.

Was also relevant ist, hängt vom Kontext ab. Nur weil etwas korrekt ist, ist es nicht unbedingt relevant.

Die Kunst: Das Thema auf den Punkt bringen

„Prägnant“ schließlich bedeutet, dass wir etwas so formulieren, dass es die Menschen unmittelbar verstehen, also ohne Umwege. Der Begriff „Tränengas“ ist in einem Zeitungsbericht die prägnante Formulierung, weil Menschen sofort erfassen, worum es geht. Die genaue wissenschaftliche Bezeichnung ist nicht prägnant, weil die allgemein gebildete Öffentlichkeit sie nicht versteht.

Fachbegriffe sind also oft korrekt und präzise, aber nicht prägnant. Weil sie nicht auf den Punkt bringen, worum es geht. Prägnante Begriffe dagegen sind mitunter unpräzise.

Zugleich steht auch die Prägnanz im jeweiligen Kontext – auf einer wissenschaftlichen Tagung mag die korrekte wissenschaftliche Bezeichnung auch die prägnante sein.

Wobei immer wieder auch prägnante Abkürzungen entstehen: „CO2“ (drei Silben) für „Kohlendioxid“ (fünf Silben) oder auf dem Krankenhausflur „Kochsalz“ (zwei Silben) für „Natriumchlorid“ (fünf Silben).

Gerade unter Zeitdruck nutzen Fachleute die jeweils kürzeste Formulierung: Ärzte sagen „Gastritis“ – nicht um Patienten zu verwirren, sondern weil es kürzer ist als „Magenschleimhautentzündung“. Und sie sagen eben „Kochsalz“, weil es kürzer ist als „Natriumchlorid“. „Gastritis“ verstehen Fachkollegen, „Magenschleimhautentzündung“ verstehen Gleichsprachige. „Kochsalz“ verstehen Gleichsprachige, „Natriumchlorid“ verstehen Fachkollegen.

Die Kunst ist, Themen auf den Punkt zu bringen – und das je nach Kontext und abhängig vom Empfänger.

Was ist gute Kommunikation?

Gute Kommunikation ist also in erster Linie …

  • relevant: Wir sprechen über Dinge, um die es geht. Nicht über Dinge, um die es nicht geht. Je nach unserem Anliegen und nach der Situation unserer Empfänger.
  • prägnant: Wir formulieren unsere Botschaften so, dass unser Gegenüber sie versteht. Es geht weniger darum, was wir sagen wollen, als vielmehr darum, was ankommen soll. Das bringen wir auf den Punkt.

Wenn diese Eigenschaften gegeben sind, kümmern wir uns um die Korrektheit (wir verifizieren die Behauptungen) und um die Präzision (wir finden das nötige Maß). Und erst ganz am Ende schauen wir nach Kommafehlern. Denn es hat keinen Sinn, schlechte Texte zu korrigieren. Sie werden dadurch nicht gut, weil Korrektheit und Prägnanz verschiedene Dinge sind.