Von Thilo Baum und Frank Eckert
Derzeit arbeiten wir an unserem Buch „Sind die Medien noch zu retten?“. Zunächst einmal: Ja, sind sie – wenn sie sich aufs journalistische Handwerk besinnen. Heute nun lesen wir von Jan Fleischhauer vom „Spiegel“ einen so merkwürdigen Text, dass wir gleich darauf eingehen:
Neben der für Medien typischen Taktik, Kritiker lächerlich zu machen und daraus zu begründen, dass es völlig egal sei, was sie anbringen, gibt es die Methode der Bildungsprotzer. Wer Medien kritisiert, soll bitte korrektes Deutsch beherrschen, mahnt Jan Fleischhauer vom „Spiegel“. Und das macht er demagogisch höchst geschickt, indem er erst einmal einen Schreihals aus der „Lügenpresse“-Fraktion zu Wort kommen lässt, um mit diesem Intro geradezu aufrundend alle anderen Kritiker mit in den Dreck der mangelnden Glaubwürdigkeit zu ziehen. Dann schreibt er: „Die deutsche Grammatik ist nicht einfach, das weiß ich. Trotzdem sollte man Kommata nicht wie mit einem Salzstreuer verteilen, wenn man jemanden dafür schilt, dass er als Journalist seinen Beruf verfehlt hat.“
Doch das ist nun Unsinn, und das wissen Redakteure mit einem bestimmten Bildungsstand auch. Die Regel kommt von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Lessing schreibt in den „Ästhetischen Schriften“: „Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt.“ Keine Kunstkritik würde funktionieren, wenn ein Kulturredakteur ebenso Violine spielen können müsste wie Julia Fischer. Und indem Fleischhauer auf die Korrektheit der deutschen Sprache verweist, beweist er in gepflegter Attitüde nicht nur Arroganz und erhebt sich in einer Art über die Kunden, die ihn in anderen Unternehmen den Job kosten würde, sondern er erstickt auch die zweifelsfrei nötige inhaltliche Debatte über die Mängel im Journalismus mit Verweis auf formale Fehler seitens der Kritiker. Er nimmt Hinweise auf seine Fehler nur an, wenn sie fehlerfrei präsentiert sind.
Fleischhauer schreibt auch, er hänge der „altmodischen Idee an, dass eine ordentliche Ausbildung nicht schadet“. Das sehen wir auch so. Hinzu kommt unserer Ansicht nach aber auch einiges an charakterlicher Eignung wie zum Beispiel die Fähigkeit und Bereitschaft, sich dem Kern einer Kritik zu öffnen, statt die Kritik durch allerlei rhetorische Winkelzüge für nichtig zu erklären. Wenn wir so etwas lesen, haben wir noch weniger Lust auf den „Spiegel“ und „Spiegel Online“ – und damit sind wir weder ungebildet noch Pegida, auch wenn das mancher Medienvertreter möglicherweise gerne so hätte.
Und wir fragen uns: Wozu bringt Fleischhauer diesen Text? An wen richtet er sich? Und: Wer will sich von ihm so schulmeisterlich behandeln lassen? Wir denken: Eigentlich hat dieser Text gar keine Zielgruppe. Außer er ist eine Kampfschrift für die eigene Branche nach dem Motto: Lasst euch nicht einschüchtern, die Leute da draußen sind ohnehin nur alles Idioten.
Das einzige, was der Text bewirkt, ist: Noch mehr Menschen sagen dem „Spiegel“ und „Spiegel Online“ adieu – und dabei ist es egal, ob Fleischhauer einen Bericht schreibt oder seine Meinung in einer Kolumne. Welches Unternehmen erlaubt einem Mitarbeiter, so über Kunden zu schreiben? Wir verstehen es nicht.
Wobei wir uns natürlich auch fragen, ob das Komma in Fleischhauers Überschrift nicht falsch ist und er sich damit nicht selbst als Halbwissender in Sachen Sprache entlarvt. Ein Gedankenstrich wäre in Ordnung, um den zweiten Aspekt abzuheben – aber ein Komma ist bei einer solchen Aufzählung falsch.
Ich bin etwas unschlüssig bzgl. der letzten Aussage, dass das Komma hier falsch gesetzt sei. Meines Erachtens ist es in diesem Fall schon möglich, wenn man die beiden Teile als Hauptsatz interpretiert, denn dann kann das Komma doch auch vom „und“ stehen.
Es ist aber ohnehin nicht von Bedeutung, sich nach dem entlarvenden Beitrag zu Herrn Fleischhauer, zusätzlich diese eben kritisierte Verhaltensweise anzuwenden und auf einem möglichen Kommafehler herumzureiten. Ich hätte diesen Beitrag besser gefunden, wenn diese schulmeisterliche Belehrung entfallen wäre.
Wir haben das ebenfalls überlegt, aber uns dann für die Erwähnung entschieden, weil Herr Fleischhauer selbst dem Anspruch an andere nicht genügt. Schulmeisterlich wollten wir nicht sein, uns ist der Kommafehler egal, und es geht auch nicht um den Kommafehler an sich. Wir alle machen Fehler. Im Kontext mit Herrn Fleischhauer aber ist genau diese Kleinigkeit – leider – wichtig. Wir fänden es auch schön, wenn es anders wäre.
Politik ist also keine Spielwiese für Amateure, schreibt Herr Fleischauer. Wie sich aber jetzt der Herr Doktor Rössler als Wirtschaftsminister oder Herr Schulleiter Eichel als Finanzminister seinerzeit empfehlen konnten entzieht sich meiner Kenntniss. Vielleicht erklärt es mir Herr Fleischauer mal ?
Dann sind solche Sätze wie
„Rund eine Million Menschen in Deutschland lesen die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Damit habe man die Zahl der intelligenten Menschen in diesem Land einigermaßen erfasst, hat einer der „FAZ“-Herausgeber einmal gesagt. “
oder
„“Es gibt zu viele, die nicht mehr begreifen, dass Politik nichts ist, was ein paar Hasardeure mal im Handstreich und im schmierigen Schulterschluss mit dem Volk machen können“, hat der wunderbare Hilmar Klute neulich in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben. „Politik ist ein ehrwürdiges Handwerk – genau wie das Drucken.““
Wasser auf den Mühlen der Medienkritiker. Besser kann man deren Abgehobenheit nicht demonstrieren.
Nun, ich bin immer noch der Auffassung dass das Komma da tatsächlich gesetzt werden kann, wenn auch sicherlich nicht muss. Ihre Entscheidung kann ich aber sehr wohl nachvollziehen und bei erneutem Lesen stört sie mich auch nicht mehr so.