Nach meinem Radiobeitrag zum Gendern habe ich zahlreiche Zuschriften bekommen. Die meisten waren positiv und wohlwollend – endlich mal eine differenzierte Sichtweise auf das Thema Gendern, lautet die Haupttendenz. Tatsächlich verorte ich mich weder als Gender-Gegner noch als Gender-Befürworter: Erst wenn ein Unternehmen das Gendern tatsächlich durchdrungen hat und weiß, wie es das Wort „Bürgermeisterkandidaten“ gendert, sollte es so eine weitreichende Entscheidung treffen.

Andere Zuschriften waren weniger wohlwollend – und da lautete der Hauptvorwurf, man könne das Gendern doch nicht für politisch links erklären.

Doch, natürlich, das kann man. Einmal ist es eine legitime Meinung, das zu denken, und dann ist es wohl schlichtweg der Fall. Dabei berufe ich mich nicht nur auf die Infratest-Dimap-Umfrage vom Mai, wonach das Gendern immer mehr Gegnerinnen und Gegner hat, je weiter wir im politischen Spektrum nach rechts schauen, sondern ich kann es auch anhand der Wahlprogramme zeigen. Machen wir’s kurz:

Bündnis 90/Die Grünen gendern in ihrem Grundsatzprogramm mit Sternchen. Die Grünen gelten als links. Zugleich sind unter den Grünen-Anhängern laut Infratest Dimap immer noch 48 Prozent gegen das Gendern.

Die Linke gendert in ihrem Wahlprogrammentwurf ebenfalls mit Sternchen und gilt ebenfalls als links. Zugleich sind unter Linken-Anhängern laut Infratest Dimap 72 Prozent gegen das Gendern. Das hat – meine Vermutung – seinen Grund in der Tradition der DDR, in der man so gut wie gar nicht gegendert hat.

Die SPD gendert auch mit Sternchen und gilt auch nicht unbedingt als rechts oder konservativ. Sie nennt ihr Programm „Zukunftsprogramm“. Anteil der Gender-Gegner unter SPD-Anhängern: 57 Prozent.

Die FDP gendert in ihrem Wahlprogramm nicht mit Sternchen, aber spricht immerhin von „Bürgerinnen und Bürgern“. Gendergegner-Anteil: 77 Prozent.

Die Unionsparteien CDU und CSU schreiben in ihrem gemeinsamen Parteiprogramm ebenfalls von „Bürgerinnen und Bürgern“ und gendern damit kaum. Unter Unionsanhängern sind 68 Prozent gegen das Gendern.

Die AfD gendert überhaupt nicht. In ihrem Wahlprogramm ist durchgängig die Rede vom „Bürger“. Die Buchstabenfolge „Bürgerin“ kommt kein einziges Mal vor und somit auch keine „Bürgerinnen“. Von den Anhängern sind ohnehin 83 Prozent gegen das Gendern.

Für alle Leser/-innen meines Blogs noch einmal der Hinweis: Bevor Sie in Ihren Unternehmen gendern, überlegen Sie sich gut, ob Sie die politische Implikation wollen. Und: Es gibt nicht nur die Entscheidung zwischen „Wir gendern“ und „Wir gendern nicht“. Sondern es gibt Zwischenstufen – wie Sie hier am Beispiel der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sehen. Also überlegen Sie, wie Sie sich einordnen lassen wollen.