Die aktuelle Desinformationsflut ist professionell und vom Ergebnis her gedacht. Darum kann ich mir vorstellen, wie die Feinde der freiheitlichen Demokratie vorgehen, um uns hier im Westen dazu zu bringen, unsere Lebensgrundlage zu zerstören und einen russischen Durchmarsch zu ermöglichen. Folgende Idee:

Auch Wladimir Putin dürfte das Buch „Die Kunst des Krieges“ von Sun Tsu kennen, wonach ein guter Krieger den Widerstand des Feindes ohne Kampf bricht. Der Gedanke ist bares Geld wert, denn Waffen, Munition und Logistik sind teuer.

Desinformation als systematisches Programm

So beschließt Putin, die westlichen Demokratien mit dem anzugreifen, was er als Geheimdienstler gelernt hat: Zersetzung. Der Plan ist eine groß angelegte Gehirnwäsche, die zumindest einen großen Teil der Deutschen radikalisieren soll. Die Gehirngewaschenen sollen über die Wahl der AfD und des BSW bewirken, dass Deutschland aus der NATO austritt.

(Nebenaspekt: Dass zahlreiche Menschen in der Ex-DDR nicht begreifen, dass sie dabei einer Stasi-Masche auf den Leim gehen, sollten wir mal breit diskutieren.)

Nach dem NATO-Austritt könnte dann das Gerücht die Runde machen, in Mecklenburg-Vorpommern würde eine russische Minderheit unterdrückt. Dann ist der heldenhafte Retter Putin da. Nicht über den mühsamen Landweg durch Polen, sondern über den Luft- und Seeweg aus dem alten Königsberg, von wo aus es keine 500 Kilometer nach Rügen sind.

Diesen Tag X sehnen viele Multiplikatoren der Querdenker-, Reichsbürger-, Impfgegner-, Faktenleugner- und Neonazi-Propaganda herbei. Denn dann kommt endlich der eiserne Besen. Wie mir ein Putin-Troll bei Facebook schrieb: Auch bei mir würden „irgendwann die Handschellen klicken“.

Putin-Troll droht mit Festnahme nach der Machtergreifung

Bei der Zersetzung von NATO und EU sind die Deutschen Putins wichtigste Zielgruppe in Europa, weil Deutschland die größte Volkswirtschaft ist. Es hat wenig Sinn, auf Malta zu zielen.

Putin beauftragt also seine Geheimdienste, Troll-Armeen und Agenturen, darunter die „Social Design Agency“ (SDA), Narrative zu formulieren, die alles Moderne, Westliche und Demokratische in Grund und Boden reiten und die wir uns mit der Zeit zu eigen machen sollen, um die freiheitliche Demokratie immer mehr zu hassen.

Narrative, die Hass auf die Demokratie bewirken

Narrative sind Bedeutungen vermittelnde Erzählungen. So ist etwa die Bedeutung des Narrativs „Vom Tellerwäscher zum Millionär“, dass es alle schaffen können, wenn sie nur fleißig sind.

Auch die „NATO-Osterweiterung“ ist ein Narrativ – es unterstellt einen nicht vorhandenen Expansionsgedanken und unterschlägt, dass die Bewegung eher von Ost nach West geht: Immer mehr Nationen, die Russland bereits bedroht hat oder die unter Russland und der Sowjetunion gelitten haben, sehnen sich – völlig legitim – nach modernen westlichen Verhältnissen.

Bei der Suche nach geeigneten Narrativen in Putins Kampf gegen die westliche Zivilisation kommt beispielsweise heraus:

  • „Nicht Russland ist eine Diktatur, sondern die westlichen Nationen sind Diktaturen.“
  • „Die heutige moderne Zeit ist schlechter, als es früher war. Früher war alles besser.“
  • „Die Frau gehört an den Herd, die Familie lebt auf ihrer Scholle.“
  • „Gebildete sind nichts wert, das Volk soll völkisch und anti-intellektuell sein.“
  • „Die Eliten da oben bilden eine Verschwörung gegen uns da unten.“
  • „Die westlichen Regierungen vernachlässigen die eigenen Völker und planen den ‚großen Austausch‘.“

Und so weiter. Alles, was undemokratisch ist, gehört dazu. Auch was pro Russland ist, gegen die Unterstützung der Ukraine, ist Programm.

Nachdem definiert ist, welche Denkmuster in den Gehirnen der Menschen etabliert werden sollen, geht es an die Umsetzung. Social Media macht es möglich: Ein Bild plus Text – fertig ist die erwünschte (Suggestiv-) Wirkung.

Wahrheit stört bei der Desinformation

Ob wahr ist oder falsch, was da steht, spielt keine Rolle. Schließlich erklärte schon Rudolf Bartels 1905 in seinem „Lehrbuch der Demagogik“, auf die Wahrheit komme es bei der Demagogie nicht an. „Gerade die Wahrheit ist vielfach demagogisch nicht brauchbar“, führt Bartels aus – auch weil sie weniger aufhetzt. Allein maßgebend sei für die Demagogie, „die Masse zu überzeugen und zu beherrschen. Was diesen Zweck fördert, ist für sie brauchbar, was ihn nicht fördert oder ihm widerstrebt, ist nicht brauchbar.“

Und es zählt die schiere Masse – simpel nach dem Motto „Flood the zone with shit“ des früheren Trump-Beraters Steve Bannon.

Die folgenden Beispiele sind durchgestrichen – das ist Usus, damit sich die Dokumentation von Desinformation nicht so leicht zum Zwecke der Desinformation verwenden lässt:

Die Hausfrau und Mutter in ihrer Schürze in der Küche – da, wo sie hingehört. Das brave Töchterchen – blond und mit Schürze und Puffärmeln – fragt die Mutter, was Gehirnwäsche sei. Antwort: wenn wir den klassischen Medien glauben, die sich an journalistische Maßstäbe halten. Besser sei es, nur noch „alternative Medien“ zu verfolgen, die die gleiche Agenda vertreten wie diese Desinformationsbilder.


Die Kontrolle über Informationen sei die größte Waffe – ja, genau das ist ja der Gegenstand der Desinformation. Wobei hier behauptet wird, der klassische Journalismus sei die Demagogie. Eine Wirklichkeitsumkehr, wie sie für die antidemokratische Propaganda typisch ist.


Früher war alles besser: Ach, hätten wir doch die gute alte D-Mark noch! Rückkehr zum Nationalismus, Schluss mit der europäischen Integration und der gegenseitigen Solidarität, Auflösung der Gemeinschaften und zurück zu den kleinen Strukturen, in denen sich Deutschland ohne NATO nicht mehr verteidigen kann.


Dasselbe Narrativ auf einer anderen Facebook-Seite. Ob Kleingeld oder Scheine – völlig egal.


Blond, Zopf, Getreide – Anknüpfung an die völkische Ikonografie der Nazis. Plus Frakturschrift. Motto: „War doch nicht alles schlecht.“ Rasse, Blut und Ahnen machen dann vollends klar, dass wir es hier mit brauner Soße zu tun haben.


Rechtschreibfehler sind völlig egal, die leicht zu beeinflussende Zielgruppe frisst es kritiklos: Der deutsche Rentner wird geringgeschätzt, während andere dem Staat auf der Tasche liegen. Zwischen den Zeilen wird klar: Gemeint sind Migranten.


Früher war alles besser. Schon was noch im Jahr 2004 als gesunder Menschenverstand galt, ist heute rechtsradikal. Garniert mit Runen. Also lasst uns zum Germanentum zurückkehren, in dem das Recht des Stärkeren herrschte. Wir sollen uns auf Blut und Boden besinnen und in rassistischen und nationalistischen Kategorien denken.


Dirndl, wieder blond, wieder Getreide: Konservatismus als Hauptmotiv, also Rückkehr zur germanischen Scholle.


Der alte weiße Mann schläft als Obdachloser draußen, während der junge schwarze Mann im Warmen sitzt und lacht. Narrativ: Für Ausländer tut der Staat alles, für Einheimische nichts. Höchste Zeit, dass wir zum Nationalismus und zur Reinheit der Rasse zurückkehren – am besten durch einen Friedensfürsten wie Wladimir Putin.

Die Dummen stürmen die Burg

Zur Medien- und Informationskompetenz gehört es, derlei Inhalte kritisch einordnen zu können. Nur unkritische Geister und Täter kommentieren zustimmend. Das Ziel ist, die Demokratie von innen aufzuweichen und auszuhöhlen – und damit sind wir nicht mehr bei legitimen Äußerungen. Auch wenn die meisten Inhalte scheinbar harmlos daherkommen: Die Narrative dahinter sind es nicht.

Bei meinen Recherchen zu den Akteuren dieser Desinformation vor allem bei Facebook bin ich zu zwei wichtigen Erkenntnissen gekommen:

  • Die Macher von Facebook bzw. Meta haben offenbar keine Ahnung davon, oder es ist ihnen egal, was in ihrem Einflussbereich an Demokratiehass und Aufhetzung läuft. Da ist keinerlei Kompetenz zu beobachten, um die Strategien zu erkennen, mit denen hier die Aufklärung rückgängig gemacht werden soll.
  • Bei Facebook-Seiten findet sich zumindest ein bisschen Hintergrund in der Seiteninfo und dort in der Seitentransparenz. Zahlreiche Desinformationsseiten werden offenkundig von asiatischen Agenturen betrieben, die auf deutscher Sprache den deutschen Diskursraum mit „shit“ fluten sollen, wie es Steve Bannon formuliert hat.

Nehmen wir beispielhaft die Facebook-Müll-Seite „SonnyFaz“ (das Profilfoto habe ich geblendet, weil es vermutlich das geklaute Foto einer realen jungen Frau ist). Dort läuft schlimmste Desinformation und Volksverblödung, beispielsweise dieses KI-Bild:

Sie sehen: Weinerlich behaupten die Absender, sie dürften ihre Meinung nicht sagen – obwohl Facebook in Desinformation absäuft. Das im Text enthaltene Narrativ, Deutschland sei eine Diktatur, findet sich tausendfach im Netz, ohne dass dafür einer der Demagogen in den Knast ginge. Wären wir hier tatsächlich in einer Diktatur, wären Andersdenkende längst im Straflager oder tot wie in Putins Russland.

Ein weiteres Narrativ dieses Spruchbildes ist das „Selberdenken“. Die Akteure der Desinformation erzählen uns ständig, jeder solle sich „sein eigenes Bild machen“. Sie beziehen sich dabei auf den Typus des völkischen Autodidakten Marke Hitler – unerschütterlich davon überzeugt, durch eigene Überlegungen zu klugen Gedanken zu kommen. Ohne dazu Fachleute zu brauchen. Am Ende hörte der Kleindenker Hitler ja nicht einmal mehr auf seine Generäle, weil er alles besser wusste.

Der völkische Mensch ist primitiv und stolz darauf

Ja, der völkische Mensch ist primitiv. Er bündelt die Merkmale „einfältig“, „ungebildet“, „unbelehrbar“, „anmaßend“, „selbstgerecht“ und „überheblich“. Hitler hat diese Kombination perfekt verkörpert und war in diesem Sinne Vorbild. Denn wir müssen verstehen: Im Nationalsozialismus ist Primitivität kein Makel. Im Gegenteil: Eher sind die Intellektuellen Abschaum, die das Volk der Dichter und Denker traditionell ehrt und würdigt.

Auch so erklärt es sich, dass wir in manchen Postings nahezu Analphabetismus begegnen.

Dann gibt es natürlich auch den verständigen Autodidakten Marke Goethe, der Sinn und Unsinn zu unterscheiden vermag – doch spielt dieser in der Blut- und Boden-Rhetorik der grassierenden Desinformation nur die Rolle des Buhmanns als „die Eliten“ oder „die da oben“. Ein erstrebenswertes Ziel ist das Reflektieren nicht. Die gesamte Kultur des Erkenntnisgewinns infolge der Aufklärung ist nichts wert – die Demagogen wollen die Moderne rückgängig machen und Ideologie über Erkenntnis stellen. Für die radikalisierten Fanatiker ist seit Corona ohnehin klar, dass die Wissenschaft lügt.

Gegenüber den Leistungen eines Kant oder Voltaire ist der Appell, „selber zu denken“, ein Hohn. Und die Absender dieses Narrativs merken nicht einmal, dass alle Menschen mit ein wenig klassischer Bildung hier sofort die Bildungsferne und Peinlichkeit erkennen. Sie erkennen den Angriff der Einfalt auf die Klugheit.

Aber auch das wiederum ist egal, weil die Zahl der Demokratiefeinde einfach langsam steigt. Es ist völlig gleich, ob ein paar Intellektuelle den Schmu durchschauen. Es gilt das Sprichwort: „Und solange die Weisen noch grübeln, stürmen die Dummen die Burg.“ Die Dummen wählen die Demokratie am Ende einfach ab. Die Schutzmechanismen drohen wie 1933 zu versagen.

Facebook-Seiten: „Seitentransparenz“

Zu den Facebook-Seiten zurück. Wenn wir uns die Müll-Seite „SonnyFaz“ genau anschauen, finden wir den Menüpunkt „Info“, unter dem es wiederum den Punkt „Seitentransparenz“ gibt:

Gehen wir hier (das ist die Desktop-Ansicht) auf „Alle ansehen“, erfahren wir, wo die Admins sitzen. Und das sind im Fall „SonnyFaz“ 14 mutmaßlich bezahlte Agenturleute aus Indonesien:

Wenn Sie das alles schockiert, kann ich das gut verstehen. Umso wichtiger ist es, dass wir Demokraten so langsam mal erwachen und etwas gegen diese Entwicklung tun.

Das funktioniert ohne Verbote und ohne technische Einschränkungen, indem wir einfach die Mechanismen erklären. Daher habe ich infolge meines neuen Buches „Immun gegen Unsinn“ den passenden Vortrag dazu entwickelt, der sensibilisieren kann.

Geplant ist auch eine Trainerausbildung, um die Inhalte unter anderem an Schüler/-innen und Azubis zu vermitteln. Denn diese Zielgruppe informiert sich fast nur über Soziale Medien und nimmt für bare Münze, was sie bei TikTok hört – dass Polen den Zweiten Weltkrieg begonnen hätte, wie mir ein Berufsschullehrer berichtete, oder dass Juden in Deutschland keine Steuern bezahlen würden, wovon der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Mike Josef, beim Stiftungsdialog der IHK vor Kurzem berichtete. Alles Falschinformationen, die junge Leute radikalisieren.

Alles „legitime Äußerungen“?

Und noch ein Hinweis: Nein, es handelt sich bei allem nicht um legitime Äußerungen. Die rechtliche Dimension (zulässig oder unzulässig?) lassen wir hier einmal außen vor – der Punkt ist, ob diese „Informationen“ qualifiziert sind. Und das sind sie nicht, weil auf der Basis der Unwahrheit keine „verfassungsmäßig gebotene Meinungsbildung“ möglich ist (Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1376/79).

Um uns eine fundierte Meinung und einen klugen politischen Willen bilden zu können, sind wir auf zuverlässige Informationen angewiesen. Putins Desinformation füttert uns mit Lügen und Verzerrungen. Wir stellen einen „Appell an dumpfe Massengefühle“ fest und „das Hervorrufen einer Stimmung, die das kritische Denken ausschaltet, das Einhämmern schlagwortartiger Sentenzen, die nüchterner Überlegung nicht standhalten“. Richtig? Richtig.

Sollten Sie sich fragen, woraus ich hier zitiere: aus der Begründung des Parteiverbots der Sozialistischen Reichspartei (SRP) durch das Bundesverfassungsgericht 1952 (1 BvB 51/1).

Also. Wollen Sie etwas tun? Für mehr Klugheit und die Rettung der Moderne und der Demokratie? Dann informieren Sie sich weiter auf immungegenunsinn.de und schauen Sie auf meinungsbildung.org, ob Sie als Trainer/-in mithelfen wollen.