tagesschau.de bringt historischen Unfug: Beim Mauerbau 1961 hat die DDR natürlich nicht Ost-Berlin eingemauert, sondern West-Berlin. Nach Lesart dieser Headline auf der Startseite von tagesschau.de am 13. August 2019 wäre die Grenze von Berlin-Zehlendorf nach Potsdam unbefestigt geblieben – aber das war nicht der Fall.
Wenn die Mauer Ost und West trennt, was die Kollegen der „Tagesschau“ immerhin korrekt wiedergeben, dann war nicht Ost-Berlin abgeschnitten, sondern West-Berlin. Denn Ost-Berlin war genauso sowjetischer Sektor wie die DDR sowjetisch besetzte Zone. West-Berlin bestand aus den amerikanisch, britisch und französisch besetzten Sektoren. Ganz einfach eigentlich.
Trotzdem fällt der Fehler kaum jemandem auf. Das Gehirn denkt eben: Die DDR-Bürger waren eingesperrt. Die falsche Analogie ist dann, dass Ost-Berlin abgeriegelt wurde. Was mit ungenauem Denken beginnt, endet leider rasch als Geschichtsverfälschung.
Passend dazu hat der neue Chefredakteur von ARD aktuell kürzlich getwittert, wer nach dreißig Jahren Einheit die Partei „Die Linke“ noch als „SED-Erben“ bezeichne, habe nichts verstanden und nichts gelernt:
Und damit hat Herr Becker sogar in gewisser Weise Recht. „Die Linke“ war nie „Erbin“ der SED, sondern sie ist die SED. Die SED hat sich nie aufgelöst, allerdings mehrmals umbenannt.
Aber das meint Herr Becker nicht. Er will die „Linke“ von der unseligen Tradition der SED reinwaschen. Und damit ist er auf dem Posten des Chefredakteurs von ARD aktuell für meine Begriffe nicht tragbar. Ich finde, auf solche Posten gehören Journalisten, die sich mit nichts gemeinmachen.
Es passt aber ganz gut zu dem ebenso kuriosen historischen Fehler, zu behaupten, Ost-Berlin sei eingemauert worden.
Nachtrag 13. August 2019, 13.45 Uhr: Sie haben es korrigiert:
Vielleicht hatte auch die DDR Westberlin aus dem umgebenden Territorium „ausgemauert“;-)
Widersprechen möchte ich allerdings Ihrer These, dass die Linke die SED ist.
Sicherlich gibt es noch genügend ewig gestrige Greise, die in dieser Partei ihre Heimat haben, die jetzige Vielfalt an Strömungen innerhalb der Linken steht wohl eher für Konturenschwäche und Profillosigkeit und hat meines Erachtens nichts mehr mit der strammen Einheitspartei von einst zu tun, die jeden Widerspruch knallhart ahndete.
Vielmehr ist in diesem Konglomerat aus Stalinisten, Punks und linksbewegten Unternehmern kaum noch ein Ziel erkennbar. Ein wenig Sozialismus, ein wenig ;Marktwirtschaft und ganz viel Romantik (von der ich mich gewiß auch nicht freisprechen möchte) macht es schwierig, den politischen Zweck dieser Partei einzusehen.
Herr Becker wollte vermutlich sagen, dass die Linke mit der SED keine relevanten inhaltlichen Anknüpfungspunkte mehr hat, unanhängig von der Frage der identischen juristischen Person.
Auch die Bundesrepublik Deutschland ist in dem oben genannten Sinne der Rechtskontinuität das Deutsche Reich. Dennoch wäscht nichts rein, wer sagt, nach 75 Jahren möge man die BRD nicht immer noch als Erbin des Kaiserreichs bezeichnen.
Wenn Herr Becker das sagen wollte, dann liegt er falsch – es gibt inhaltliche Übereinstimmungen ohne Ende.
Und um reine Juristerei und Formelles geht es hier auch nicht: Wurde denn die Partei „SED“ jemals aufgelöst? Oder sind die damaligen SED-Mitglieder heute automatisch Mitglieder der Partei „Die Linke“?
Die SPD von heute hat auch nichts mehr mit der SPD von 1920 zu tun, aber ist die gleiche Partei geblieben.