Klar: Schreibfehler sind ärgerlich. Wer Fehler macht, kommt nicht gut an. Das haben wir in der Schule so gelernt. Und auch als Erwachsene wenden wir das Prinzip an, zum Beispiel in der Unternehmenskommunikation. Texte, die rausgehen oder die der Chef sieht, müssen fehlerfrei sein.

Aber was ist das für ein merkwürdiger Fokus? Der Fokus auf Fehler? Ich will nicht sagen, dass dieser Fokus unwichtig ist. Natürlich ist ein Korrektorat wichtig. Aber eben nicht im ersten Schritt. Sondern erst dann, wenn der Text gut ist.

Ein Text ist dann gut, wenn er keine Fehler enthält, denken manche. Andere denken, ein Text sei gut, wenn er uns intellektuell wirken lässt. Beides sind Denkmuster des Bildungssystems, die im Business kaum noch eine Rolle spielen. Denn in allererster Linie muss ein Text treffend sein. Er muss funktionieren. Es geht im Business nicht um den Nobelpreis für Literatur.

Richtig und falsch – in diesen Dimensionen denkt das Korrektorat. Dabei geht es vor allem um die sprachliche Korrektheit.

Gut und schlecht – in diesen Dimensionen denkt die Redaktion. Ein Text ist gut, wenn er den Punkt trifft und sofort verständlich ist.

Auch Redakteure denken in „richtig“ und „falsch“, aber dabei geht es in allererster Linie um Informationen. Stimmt etwas? Oder stimmt es nicht? Ein guter Redakteur macht natürlich auch ein gutes Korrektorat. Aber er berücksichtigt eben die Reihenfolge: Erst Redaktion, dann Korrektur.

Denn es hat keinen Sinn, einen schlechten Text zu korrigieren. Obwohl das viele Unternehmen tun:

  • In Unternehmen entstehen Unternehmensnachrichten, die nur aus interner Sicht relevant sind, nicht aber aus Sicht des Kunden. Der Klassiker ist der Tag der offenen Tür.
  • In Unternehmen entstehen Stellenanzeigen, deren Perspektive gute Leute abschreckt.
  • In Unternehmen entstehen Executive Summarys, die der Vorstand nur mit Mühe erfassen kann – zu verschwurbelt, zu fachchinesisch, zu sehr aus fachlicher Perspektive aufgebaut.

Alles schlechte Texte – aber wehe, es findet sich darin ein Tippfehler.

Wie ist Ihr Fokus? Achten Sie vorrangig auf die treffende Botschaft und erst dann auf die Rechtschreibung? Oder korrigieren Sie schlechte Texte? Wie oft korrigieren Sie Texte, wie viele Schleifen machen Sie? Verändern Sie korrigierte Texte noch einmal redaktionell, wodurch Sie den Text noch einmal korrigieren müssen und dadurch doppelte Arbeit haben?

Meine Tipps:

  • Bringen Sie die Bedeutung Ihrer Botschaft aus Sicht Ihres Adressaten zuerst. Hören Sie auf damit, Ihre Gedankengänge herzuleiten und Schnitzeljagden zu inszenieren. Ihr Gegenüber will sofort wissen, worum es geht. Die Executive Summary ist hier das beste Beispiel.
  • Übersetzen Sie Fachsprache in allgemein verständliche Sprache. Einzige Ausnahme: Ihr Publikum sind ausschließlich Fachleute wie Sie, also derselben Profession. Aber sobald Sie als Jurist an einen Mediziner schreiben oder als Mediziner an einen Ingenieur, sollten Sie sich allgemein verständlich ausdrücken.
  • Sagen Sie das Wesentliche in wenigen kurzen Sätzen. Dass ein Elevator Pitch eine halbe Minute dauert, ist Unsinn. Zehn Sekunden haben Sie. Höchstens. Sagen Sie die Dinge so, dass sie Kinder und Vorstände verstehen.
  • Bilden Sie lieber mehr kurze Hauptsätze als wenige Schachtelsätze. Ob Sie dreißig Wörter in einem Satz unterbringen oder in dreien, ändert nichts an der Länge. Das Gehirn folgt leichter, wenn Sie einen Gedanken nach dem anderen bringen. Erst A, dann B, dann C, dann D. Und zwar aus Empfängersicht.
  • Setzen Sie Ihr Wissen nicht bei anderen voraus. Sie stecken in Ihrem Job drin und kennen sich aus. Ihr Gegenüber kennt Ihr Denken vermutlich nicht. Also gehen Sie vom Unwissen des anderen aus. Im Zweifel bringen Sie redundante Informationen. Auch unter einem Foto von Angela Merkel steht „Angela Merkel“, und kein Zeitungsleser fragt die Redaktion, ob sie ihre Leser für doof halte.

Und dann, wenn Ihre Botschaft aus Empfängersicht funktioniert, dann kommt die Korrektur.