Mitunter sind es ganz einfache Dinge, an denen etwas scheitert. Zum Beispiel scheitert Kommunikation derzeit oft daran, dass wir nicht wissen, worüber wir sprechen. Dabei ist es ratsam, zuerst zu wissen, worüber man spricht, bevor man spricht.
Nehmen wir den Begriff „Schlepper“. Gemeinhin verstehen wir darunter gewitzte nordafrikanische Geschäftsleute, die Menschen aus halb Afrika auf wenig seetüchtige Boote bitten und aus Libyens Hoheitsgewässern rausfahren. Dort steigen die wie zu erwarten in Seenot geratenen Menschen in größere Boote um, beispielsweise auf Boote deutscher Nichtregierungsorganisationen wie „Jugend rettet“. Diese Boote bringen die Leute dann nach Italien.

Der Schlepper, der kein Schlepper ist

Zum Terminus „Schlepper“: Ein Schlepper bringt Menschen in der Regel über eine Staatsgrenze und hilft somit bei der illegalen Einreise. Das tun die libyschen Schlepper aber nicht. Die fahren gar nicht bis Italien. Also sind das keine Schlepper. Wir bezeichnen die gewitzten libyschen Geschäftsleute als etwas, was sie nicht sind. Wenn Schlepperei die Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt ist, dann sind eher andere die Schlepper. Jemanden als Schlepper zu bezeichnen, der nicht schleppt, ist in etwa so, wie eine Katze als Hund zu bezeichnen. Es ist falsch.
Die deutschen Nichtregierungsorganisationen sind wohl eher die Schlepper. Sie bringen ihre Passagiere nicht etwa in den nächsten Hafen, wie das bei Schiffbrüchigen in der Regel naheläge, sondern ins Hunderte von Kilometern entfernte Italien. Auf dieser langen Reise von Libyen nach Sizilien geht wertvolle Zeit verloren, in der die deutschen Nichtregierungsorganisationen zahleiche andere Schiffbrüchige retten könnten, wenn sie in der Nähe blieben. Es könnte also die Vermutung naheliegen, dass es den Nichtregierungsorganisationen gar nicht um Seenotrettung geht. Ansonsten würden sie ja ihre Zeit nicht mit Fahrten ins schöne Italien verschwenden, sondern die in Seenot Geratenen an der afrikanischen Küste absetzen, um rasch die nächsten Leute retten zu können.
Warum Italien das mitmacht, Malta aber offenbar nicht, ist eine der großen Fragen, die ich im Wahlkampf vermisse. Wer spricht darüber? Wer nimmt dieses Informationsgewirr mit der illegalen Einwanderung in die EU einmal sachlich auseinander? Welches Medium stellt das Thema mal übersichtlich dar, ohne aus politischer Opportunität relevante Fakten zu verschweigen?

Der Begriff „Obergrenze“ ist unklar

Oder nehmen wir den Begriff der Obergrenze. Auch hier wissen wir nicht, worüber wir sprechen. Beim Asyl darf es natürlich keine Obergrenze geben, weil unser Rechtsstaat politisch Verfolgten Asyl gewährt. Zugleich geht es nicht um Asyl – wir verfehlen das Thema. Kaum einer derjenigen, die derzeit von Afrika nach Deutschland kommen, ist hier im klassischen Sinne asylberechtigt; das ist ja gerade eine der großen Enttäuschungen, die die Leute in Deutschland erwartet. Also sprechen wir nicht über eine Obergrenze in Sachen Asyl, sondern – wenn überhaupt – über eine Obergrenze in Sachen Einwanderung. Das wird aber kaum klar, wenn man Politikern oder Medienleuten zuhört.
„Migration“ ist auch so ein merkwürdiges Wort. Es nimmt dem „Immigranten“, dem Einwanderer, die Richtung weg. Jemand, der migriert, scheint ständig unterwegs zu sein – von hier nach dort und wieder woanders hin, wie wir früher als Schüler mit dem Interrail-Ticket der Bundesbahn oder als Tramper. Es ging von Deutschland über Frankreich und Italien nach Griechenland und wieder zurück, sechs Wochen lang. Eine solche Rundreise des Migrierens ist aber nicht das Ziel der Menschen, über die wir sprechen. Deren Ziel ist es, in Deutschland zu bleiben. Es sind also keine Migranten, sondern Immigranten. Ganz gewöhnliche Einwanderer. Das sagt aber niemand. Stattdessen lesen wir von „Flüchtlingen“ aus Syrien – auch jetzt, wo der Krieg dort vorbei ist.
Wir wissen nicht, worüber wir reden, in diesem Wahlkampf. Wir werfen Begriffe durcheinander, wie es besser nicht mehr geht. Das Kommunikationsdefizit ist so dermaßen grundlegend, dass es mich nicht wundert, wenn die politischen Parteien keine ordentlichen Aussagen zustande bekommen. „Gerecht, gleich, grün“ habe ich auf einem Wahlplakat der Grünen in München gesehen. Gleich? Da dachte ich, die Grünen seien für Vielfalt und Multikulti, also eben nicht für Uniformität – und jetzt sollen doch alle gleich sein. Das kapiere ich nicht, das ist mir zu verkorkst. Zumal Menschen nicht gleich sind. Menschen sind verschieden.

Die Linken zerreden Begriffe und werten Gegner ab

Hinzu kommt eine spannende politische Implikation, von der hier im Blog schon öfter die Rede war: das für die Linken typische Umdeuten der Realität, das Zerreden. Offiziell heißt das Konzept „diskursiver Dekonstruktivismus“. Und das funktioniert so: Die Linken nehmen eine Sachlage, beispielsweise die Tatsache, dass es Männer und Frauen gibt. Diese Sache erkennen die Linken nun nicht als real an, sondern bezeichnen sie als „soziale Konstruktion“. In der Folge sind Geschlechter nicht mehr objektiv feststellbar, wie wir das einmal im Biologieunterricht gelernt haben, sondern es ist eine reine Definitionssache. Es ist beliebig.
Im nächsten Schritt geißeln die Linken dann jene, die sich an wissenschaftliche Grundsätze halten, als „biologistisch“. Die Ableitung aus „Biologismus“ ist gewollt – der „ismus“ soll die Kritiker als Ideologen darstellen und damit herabwürdigen, obwohl die linken Realitätsverdreher hier die Ideologen sind.
So einfach machen sich das die linken Demagogen. Sie drehen die Dinge einfach um. Sie zerstören die Begriffe, um die es geht, und setzen all jene, die das nicht mitmachen, moralisch herab. Wer beispielsweise die Kombination Vater/Mutter/Kind als kleinste gesellschaftliche Einheit begreift, weil sich eine Gesellschaft durch Fortpflanzung in diesem Setting tradiert, den bezeichnen Linke als „familistisch“ und „heteronormativ“. „Familismus“ ist der jüngste herabwürdigende „ismus“ aus der linksextremen Ecke, der gewöhnliche Menschen als Ideologen diffamiert. So gut wie alle Begriffe, mit denen die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung auf ihrer Seite agentin.org seit Neuestem die Menschen diffamiert, basieren auf dem Denkansatz des „diskursiven Dekonstruktivismus“.

Es gibt „Richtig“ und „Falsch“

Es ist nicht leicht derzeit in Deutschland. Hatte ich geschrieben, es sei falsch, eine Katze als Hund zu bezeichnen? Das Wort „falsch“ ist in diesen Zeiten nicht gern gehört, in denen die tonangebenden Politiker und Medienleute dem „diskursiven Dekonstruktivismus“ folgen und alles relativieren, was ihnen nicht passt. Aber doch: Es gibt eben „Richtig“ und „Falsch“ – das weiß jeder, der ein Handwerk erlernt hat, und sei es das journalistische. Nur Anhängern des „diskursiven Dekonstruktivismus“ ist diese Differenzierung fremd. Die derzeit tonangebenden intellektuellen „Eliten“ hassen die Klarheit. Denn Klarheit erlaubt nicht, dass man sie verdreht.
Kommunikationsseminare zu machen mit Leuten, die die Realität umdeuten, dürfte so gut wie unmöglich sein. Denn es ist nicht klar, worum es geht. Nun ist mein Seminarpublikum in den allermeisten Fällen hoch intelligent und klug; ich arbeite oft mit Naturwissenschaftlern, Juristen, Ingenieuren und anderen, die etwas Solides gelernt haben. Abseitiges Gerede ist da eher selten. Wenn sich in einer Seminargruppe Sozialwissenschaftler finden, etwa als Personalreferenten, dann sind auch diese klug und fühlen sich von den jüngsten Strömungen des linken Zerredens in ihrem früheren akademischen Umfeld selbst befremdet. Freunde des „diskursiven Dekonstruktivismus“ hatte ich seit Beginn meiner Selbstständigkeit 2004 noch nie im Seminar. Solche Leute arbeiten offenbar nicht in den Unternehmen, die mich buchen. Sie scheinen von irgendetwas anderem zu leben, vermutlich von meinen Steuern, aber offenbar nicht von produktiver Arbeit.

Die Unklarheit nimmt überhand

Zugleich höre ich von Teilnehmern oft, dass die öffentliche Kommunikation schwieriger geworden ist – weil es beispielsweise angeblich Denk- und Redeverbote gibt, was Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in seinem Buch gegen „Rechts“ ja leugnet. Die Leistungsträger in diesem Land, also die Führungskräfte und Mitarbeiter, die in den Unternehmen hart und produktiv arbeiten, vermissen die Klarheit.
Im Unternehmen sind auch nicht alle Dinge klar, sicher: Man verzettelt sich in Besprechungen immer wieder oder schreibt eine Pressemitteilung, die die Relevanz aus Lesersicht verfehlt. Deswegen buchen Unternehmen ja meine Seminare. Aber draußen nimmt die Unklarheit in der Wahrnehmung der Leute geradezu überhand. Immer mehr lassen es sich zudem nicht mehr gefallen, dass man sie in die rechte Ecke stellt, wenn sie die derzeitige Politik oder die Medien kritisieren – und auf diese Themen kommen wir fast immer spätestens in der Mittagspause.
Was ich also wahrnehme, ist:

  • Produktiv arbeitende Steuerzahler haben immer weniger Verständnis für das linke Zerreden.
  • Die Menschen vermissen in der politischen Debatte klare Definitionen.
  • Parteien scheinen sich nicht zu trauen, genau diese Kluft zu thematisieren.