Das Statement zum Urlaub von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel

Eines der wichtigsten Themen in meinen Seminaren ist die Frage: Was sagen wir in unseren Botschaften? Welche Aspekte gehören rein, welche nicht? Und: In welcher Reihenfolge sagen wir was?

Für Menschen in exponierter Stelle sollte das zum Standard gehören, es ist ein Muss.

Gestern hat Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ein Statement abgegeben und erklärt, weshalb sie (als damals zuständige Umweltministerin in Rheinland-Pfalz) während der Flutkatastrophe im Ahrtal in den Urlaub gefahren war. Sie bat dafür um Entschuldigung. Sofern Sie dieses Statement vom 10. April 2022 nicht kennen, können Sie es hier nachhören (7:13 Minuten):

 

Zu sagen ist hier vieles. Besonders wichtig ist die Passage von Minute 6:44 bis 6:53. Hier wendet sich Anne Spiegel zur Seite und sagt zu jemandem: „Jetzt überleg’ ich grad, ob ich irgendwas …“ und fragt nach einer kurzen Pause: „Soll ich’s noch irgendwie abbinden?“ – als wisse sie nicht, dass die Mikrofone offen sind und genau diese Sätze Teil ihres Statements werden. Als gäbe es kein Publikum. Als rede sie nur für sich. Als würde niemand auf die Fortsetzung ihrer Worte warten.

Unterirdische Rhetorik, naiv und unprofessionell

Alleine diese Szene macht das Statement zu einem der schlimmsten Politiker-Statements der Gegenwart. Die Rhetorik ist unterirdisch. Hier kommen eine Naivität und ein Mangel an Professionalität zum Vorschein, wie wir es gewöhnlichen Menschen nachsehen könnten, aber niemals einem Politiker oder einer Politikerin in einer so verantwortungsvollen Stellung und bei so einer Bezahlung.

Bei allem Verständnis für die Lage von Anne Spiegels Mann und ihrer Familie: Schicksalsschläge haben nicht nur Politiker, sondern viele andere auch. Es geht hier nicht nur um Frau Spiegel. Warum tut sie sich den Stress denn an, wenn er zu viel ist? Einmal ganz zu schweigen vom Schicksal der Betroffenen im Ahrtal – und davon, dass Frau Spiegel schon damals die Lage falsch eingeschätzt hat und ihren Fokus auf ihr öffentliches Bild legte.

Unvergessen sind Anne Spiegels Sätze:

Die Prioritäten, nach denen Anne Spiegel arbeitet, treten dabei klar zutage: politische Korrektheit und ihr Ego. Jetzt also noch: „Soll ich’s noch irgendwie abbinden?“ Worum es geht, erfasst sie nicht.

Ihr öffentliches Bild hat Anne Spiegel damit jedenfalls ramponiert. Indem sie nicht zurücktritt, demonstriert sie, dass sie ihr Ego über das Wohl der Menschen stellt. Und sie merkt es nicht einmal.

Es ist auch ziemlich fatal, wenn wir uns vor die Kameras stellen und nicht wissen, was wir wann sagen. Mein Tipp ist, Botschaften sauber zu planen:

  1. Sammeln Sie Ihre Aspekte separat, ich nehme dazu nach wie vor klassische Karteikarten.
  2. Überlegen Sie genau, welche Aspekte wichtig sind und welche unwichtig sind – sortieren Sie aus.
  3. Dann entscheiden Sie, mit welchem Aspekt Sie beginnen. Die entsprechende Karteikarte legen Sie auf Ihrem Tisch nach links.
  4. Dann entscheiden Sie nicht, mit welchem Aspekt Sie weitermachen, sondern mit welchem Aspekt Sie enden. Diesen Aspekt legen Sie nach rechts.
  5. Dann füllen Sie die Mitte zwischen Anfang und Ende, sodass sich Ihre Botschaft aus Empfängersicht plausibel ergibt. Sie haben eine klare Abfolge. Bauen Sie alles so, dass es einen Fluss ergibt.
  6. Und dann halten Sie sich an die Reihenfolge und improvisieren nicht.

Wir brauchen ernste Politiker mit Haltung

Es gibt da eine Generation von Politikern, die denken, Politik sei ein Computerspiel – manche Politiker/-innen betrachten ihre Aufgaben verblüffend locker. Und wundern sich dann über ihre Überforderung, wenn es mal ernst wird. Wer so agiert, ist für die Politik ungeeignet: Wir brauchen Politiker, die stark sind, Haltung haben und auch in Extremsituationen klug entscheiden. Die loyal sind gegenüber den Menschen und ihr Ego zurückstellen – auch wenn es wehtut. In der Krise und Extremsituation zeigt sich, ob das jemand beherrscht. Hedonisten können das nicht.

Im Grunde weiß das jeder Recruiter: Irgendwelche Leute finden wir immer. Irgendwen zu finden, ist nicht das Problem. Die Kunst ist, gute Leute zu finden. Das gilt auch in der Politik. Und dazu gehört neben der erwähnten nötigen Haltung, dass wir ein einfaches Statement planen und so sprechen können, dass wir damit professionell rüberkommen.

Meine Meinung: Die Grünen sollten das Ministeramt rasch neu vergeben. Profis sind gefragt. Die Ampel-Koalition hat im Augenblick mit der Wirtschaftskrise und der Ukraine genug zu tun, da bedeuten solche Nebenschauplätze schlicht unnötigste Energieverschwendung.