Mit ihrem „Democracy-Score“ will die „Democracy Intelligence gGmbH“ um Mirko Lange den Menschen zeigen, wie sie sich ihre Meinungen bilden sollen („sinnformierte Meinungen“). Dafür unterzieht das Team Äußerungen von Politiker/-innen pseudowissenschaftlichen Textanalysen und gibt vor, die Ergebnisse dieser Analysen lieferten eine sachlich begründete Orientierung bei der Meinungsbildung.
Tatsächlich würdigen die Macher zulässige Äußerungen herab und brandmarken beispielsweise Polemik als abträglich für die Demokratie – obwohl sie laut Bundesverfassungsgericht zulässig ist. Zahlreiche Meinungsäußerungen werden einer Wahr/falsch-Prüfung unterzogen, obwohl Meinungen nach ständiger Rechtsprechung dem Beweis nicht zugänglich sind.
Zudem fließen in die angeblich objektiven Urteile subjektive Haltungen ein. Und: Die gGmbH rechnet FDP und CDU/CSU eine geringere „demokratische Qualität“ zu als SPD und Grünen. Alles sei wissenschaftlich fundiert und „verfassungslogisch“.
Dafür beansprucht die gGmbH Gemeinnützigkeit und darf seit Anfang Dezember 2025 auch Spendenquittungen ausstellen. Doch was hat das ganze Konstrukt mit Gemeinnützigkeit zu tun? Politisches Handeln bei gemeinnützigen Organisationen bedarf „geistiger Offenheit“ (BFH, V R 60/17). Die ist hier mehr als nur fraglich.
(Dieser Beitrag wurde mehrfach aktualisiert.)

Screenshot der Seite https://democracy-intelligence.de/modell vom 24. November 2025: Es geht darum, zu zeigen, wer mit seinen Äußerungen zur Demokratie beiträgt und wer nicht. In den konkreten Bewertungen der jeweiligen Äußerungen zeigt sich: Der Bewertungsmaßstab ist rein subjektiv, zugleich aber hinter enormem Wortnebel versteckt, der den Eindruck von Wissenschaftlichkeit und Seriosität erwecken kann.

Screenshot vom 24. November 2025: „TRUST“ mache sichtbar, wie „gesund“ politische Kommunikation für die Demokratie sei. Der „Democracy-Score“ messe, wie sehr eine Aussage „den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht oder sie verletzt“, obwohl für solche Entscheidungen Gerichte zuständig sind. Dies sei gemeinnützig, so Gründer Mirko Lange. Zugleich unterstellt er („Trust-Score“ C), Polemik belaste die Demokratie, obwohl das Bundesverfassungsgericht auch polemische Meinungsäußerungen für zulässig erklärt.
Wie neutral ist die „Democracy Intelligence gGmbH“ um Gründer Mirko Lange? Darf eine gemeinnützige Organisation in den Meinungsstreit eingreifen? Und vor allem: Ist die Art und Weise sauber, in der die „Democracy Intelligence gGmbH“ Äußerungen von Politiker/-innen beurteilt? Das Ganze soll schließlich wissenschaftlich und gemeinnützig sein. Darum geht es in diesem Blogbeitrag.
Wichtig ist hier zunächst die Entscheidung V R 60/17 des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Januar 2019. Sie thematisiert, inwiefern sich politische Betätigung und Gemeinnützigkeit ausschließen. So erklärt das Gericht:
Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.
Seit September 2025 nun bewertet die „Democracy Intelligence gGmbH“ mit ihrem „Democracy-Score“ (vormals „Trust-Score“, davor „Desinfo-Score“, bei der Volkshochschule Gütersloh ist die Rede vom „Sinnflut Score“) Äußerungen von Politiker/-innen. Und sie vergibt dafür Noten:
- A: Stärkt demokratische Werte, Diskurs und Gemeinsinn
- B: Unterstützt die faire demokratische Auseinandersetzung
- C: Belastet die Demokratie durch Einseitigkeit oder Polemik
- D: Schwächt Demokratie durch Verzerrung und Delegitimierung
- E: Gefährdet die Demokratie durch Angriffe und Entwertung
Die Quelle ist die Seite https://democracy-intelligence.de/modell, abgerufen am 23. November 2025, wobei es da noch „Trust-Score“ heißt:
Screenshot vom Modell am 23. November 2025 – das Datum ist wichtig, weil sich das Konzept ständig ändert. Das Publikum muss sich immer wieder neue Versionen anschauen, die jeweils gültig sein sollen.
Rechts in der Grafik sehen Sie schon, weshalb dieser Ansatz der Demokratie eher schadet als dient: Das „Bemühen, Position durchzusetzen“, wird als negativ dargestellt – obwohl es in einer Demokratie darum geht, Positionen durchzusetzen. Positionen durchzusetzen, ist ein entscheidender Kern der Demokratie. Kein Demokrat stellt dieses Bemühen als etwas Negatives dar.
Als angeblicher Gegensatz steht links das „Bemühen, Wahrheit zu fördern“, als schlösse das Bemühen um Wahrheit das Durchsetzen von Positionen aus. Bereits hier zeigt sich die Pseudowissenschaftlichkeit. Ich weiß nicht, wer sich diese Systematik ausgedacht hat, aber über Aussagenlogik müssten wir mit ihm oder ihr einmal sprechen.
Das Kategorienschema wurde inzwischen erneut geändert, die aktuelle Version ist anscheinend diese:

Screenshot vom 24. November 2025: Äußerungen sollen bitte ermutigend sein oder sogar „Gemeinsinn“ stiften – alles andere schadet nach Mirko Lange der Demokratie. „Förmlich“ gibt null Punkte. Wieso? Und weshalb sollte eine Äußerung, die „rein sachlich“ ist, nicht auch „faktisch belegt“ sein können?
Die Kategorie „-1“ in der rechten Spalte hieß erst „empört abgrenzend“, dann „emotional abgrenzend“ – jetzt heißt sie „polarisierend“. Ob das so bleibt? Vielleicht ändert sich die Bezeichnung ja in Kürze wieder.
Bitte verschaffen Sie sich auch in meinem Blogbeitrag „Die subjektive Objektivität des Mirko Lange“ einen Überblick über die Entwicklung. Für jeden Status wurde bisher wissenschaftliche Fundiertheit behauptet, und trotzdem ändert die „Democracy Intelligence gGmbH“ die Parameter immer wieder. Seltsam eigentlich: Wenn bereits die erste Version des Ganzen nach sozialwissenschaftlichen Kriterien entwickelt war, weshalb war diese Version dann zu ändern?
Sehen Sie übrigens, dass förmliche Kommunikation schlechter für die Demokratie ist als kooperative Kommunikation, obwohl förmliche Kommunikation natürlich auch kooperativ sein kann? Mit den Kriterien geht es nach wie vor kreuz und quer durcheinander. Wie schon im vorigen Blogbeitrag geschrieben: Die Wissenschaftler/-innen, die diese Systematik erstellt haben, sollten bald mal ihr Gesicht zeigen. Noch immer fehlt die Information, an welches sozialwissenschaftliche Institut wir uns mit den vielen Fragen zum Konzept wenden können. (Sollte sich hier etwas ändern, bitte ich um einen Hinweis.)
Laut Mirko Langes gGmbH ist Polarisieren undemokratisch
Möglicherweise hat die „Democracy Intelligence gGmbH“ inzwischen eingesehen, dass Empörung, Emotionalität und Abgrenzung nicht undemokratisch sind. Jetzt heißt die Kategorie „-1“ in der rechten Spalte also „polarisierend“. Der Fehler ist der gleiche: Die Macher tun so, als dürften wir in einer Demokratie nicht polarisieren.
Natürlich dürfen wir polarisieren, warum auch nicht? Und vor allem müssen wir uns dafür nicht maßregeln lassen. Schon gar nicht von jemandem, der zulässige Meinungsäußerungen öffentlich herabwürdigt und dafür (und für seine Fehleinschätzungen dabei) Objektivität beansprucht. Wessen Vorstellungen allem Anschein nach nicht mit demokratischen Prinzipien wie der Meinungsfreiheit zusammengehen, dessen Urteile sind in der öffentlichen Debatte in einem demokratischen Rechtsstaat wenig maßgeblich. Zumal dann, wenn es fachlich an Absenderkompetenz mangelt, was das Einordnen von Informationen angeht.
Insbesondere der Ansatz des Gemeinsinns in der rechten Spalte ist ein Beispiel für Demokratieferne. Denn Demokratie bedeutet nicht Konsens – den gibt es eher in Diktaturen. Demokratie bedeutet Meinungsstreit und Mehrheitsentscheidung. Unter anderem wegen dieser Meinungsvielfalt sprechen wir von Pluralismus und Diversity.
Von einem Gemeinsinn mögen vielleicht die Macher dieses „Democracy-Scores“ träumen. Doch deren Vorstellungen sind wohl eher die einer kaum mehrheitsfähigen utopistischen Strömung. Mirko Langes gGmbH scheint eine von Harmoniestreben geprägte Nische zu repräsentieren, die mit Wortgewalt für ein Regime der Sanftmut eintritt, unter dem wir so zu reden haben, wie es Mirko Lange und seinen Mitarbeiter/-innen gefällt.
Mirko Langes gGmbH wertet Meinungen als Behauptungen
Was der Screenshot ebenfalls zeigt, ist ein grundlegender Denkfehler, der auf einem Wissensdefizit gründen könnte: Die Äußerung, wir ließen niemanden zurück, ist keine Tatsachenbehauptung, die im Sinne des Äußerungsrechts „dem Beweis zugänglich“ wäre. Es ist eine Position, vielleicht eine Forderung, vielleicht eine Einschätzung – was auch immer. Eine Tatsachenbehauptung ist diese Äußerung nicht. Diese Äußerung ist nicht wahr oder falsch und entsprechend auch nicht „faktisch unwahr“, wie Mirko Lange und seine Leute behaupten. Denn für die Annahme, dass wir jemanden oder niemanden zurücklassen, gibt es keine Beweise, sondern lediglich Argumente. Wir können das so oder so sehen. Und eine Argumentation ist eben kein Beweis.
Ich sage damit nicht, dass wir der Überlegung nicht zustimmen können. Doch wir können eben auch anderer Meinung sein. Ein Fakt ist es nicht. Dass es Menschen in Deutschland gibt, die in Armut leben, stimmt sicher. Doch „müssen“ sie es? Und ist deshalb die Äußerung falsch, wir würden niemanden zurücklassen?
Die Vorlage lautet ja nicht: „Niemand in Deutschland lebt in Armut“ – das wäre eindeutig falsch. Stattdessen lautet sie: „Niemand in Deutschland muss mehr in Armut leben.“ Und das ist weder wahr noch falsch, weil es eine Meinungsäußerung ist. Wer definiert, worin das Müssen besteht? Zumal es nicht nur vom Staat oder der Gesellschaft abhängt, ob jemand in Armut lebt. Da spielen viele Faktoren eine Rolle.
Wer widerspricht, führt möglicherweise an, dass der Sozialstaat eine Grundsicherung bietet. Doch auch das wäre kein Beweis, sondern schlicht ein Argument. Wir sind eben in einer politischen Diskussion, nicht bei einer wissenschaftlichen Definition. Schon das Wort „zurücklassen“ ist unspezifisch und weist auf eine Meinungsäußerung hin. Die ganze Debatte darüber ist schlicht eine Meinungsdebatte, also eine politische Auseinandersetzung.
Wenn ich sage, dass es den Machern an Informationskompetenz mangelt, meine ich genau das damit: Es fehlt die Fähigkeit, Informationen einzuordnen. Hier werden Äußerungen als falsch abqualifiziert, obwohl es Meinungen und subjektive Einschätzungen sind. Mirko Langes gGmbH verkauft uns Argumente als sachlich richtige Beweise, was bei Unwissenheit ein Kategorienfehler wäre, bei Vorsatz aber Manipulation. Die Seite https://democracy-intelligence.de/trust-now ist eine wahre Fundgrube für diese verzerrende Logik. Beispiele folgen.
Wer dagegen Informationskompetenz hat, kennt den Unterschied zwischen Behauptungen und Meinungen sowie zwischen Beweisen und Argumenten. Informationskompetente Menschen denken geordnet und halten Interpretationen nicht für Fakten.
Informationskompetente Menschen argumentieren auch nicht so lange sophistisch, bis der Gegner mundtot ist, sondern sie überzeugen durch gesicherte Erkenntnisse. Keinesfalls lassen sie sich durch subjektive Argumentationen und Postulate verunsichern, sondern sie erwarten Belege. Kommen statt Belegen immer wieder nur Argumentationen, wittern Menschen mit Informationskompetenz irgendwann heiße Luft.
Modell führt Menschen ohne Informationskompetenz in die Irre
Ich habe mich seit den ersten lautstarken Ankündigungen Mirko Langes mit diesem Konzept beschäftigt. Es scheint bis heute weder ausgereift noch validiert zu sein – erst am 20. November wurde der „Trust-Score“ in „Democracy-Score“ umbenannt, wobei die Bezeichnung „Trust-Score“ nach wie vor in zahlreichen Grafiken steht.
Von der immer wieder angekündigten wissenschaftlichen Validierung ist bis heute kaum etwas bekannt – nach wie vor ist unklar, welche Wissenschaftler/-innen mit welcher Qualifikation das Konzept auf seine Tauglichkeit prüfen. Laut der Seite https://democracy-intelligence.de/wissenschaftliche-hilfe sucht Mirko Lange hier aktuell noch, woraus abgeleitet werden darf, dass es noch keine Validierung gibt und damit keine Validität.

Screenshot von der Seite https://democracy-intelligence.de/wissenschaftliche-hilfe vom 24. November 2025: Die Methode soll „gegenüber Fachkreisen“ abgesichert werden – offenbar sind Fachkreise Gegner. Warum steht da nicht sachlich „fachlich abgesichert“? Und mit der Äußerung „Jede Form wissenschaftlicher Expertise hilft uns, Demokratie robuster zu machen“ wird unterstellt, das Modell mache selbstredend die Demokratie robuster. Dabei muss sich genau das noch erweisen. Der Effekt, der erst nachgewiesen werden muss, wird hier einfach behauptet.
Entsprechend stellt sich die Frage: Was von dem, was wir dort lesen, hat Hand und Fuß? Wir finden Behauptungen, Unterstellungen und Interpretationen. Mirko Langes gGmbH behauptet einfach irgendwelche Dinge und deutet an Äußerungen herum. Auch der Beleg dafür, dass das Ganze der Demokratie dient, wie die gGmbH suggeriert, steht noch aus.
Hier befasse ich mich jetzt mit dem aktuellen Stand – natürlich auf die Gefahr hin, dass Mirko Langes gGmbH erneut Kategorien und Begriffe ändert und die Öffentlichkeit mit der Kritik wieder von vorne anfangen kann.
Konzept wertet zulässige und legitime Äußerungen ab
Wenn Sie sich fragen, warum ich mich in dieses Thema so verbeiße, antworte ich gerne: Dieses Modell muss dringend kritisch öffentlich diskutiert werden. Es setzt zulässige und legitime Meinungsäußerungen herab. Es tut so, als übertrumpfe die „Einordnung“ des Teams um Mirko Lange die Äußerungen anderer.
Zudem verkauft dieses Unternehmen der Öffentlichkeit zahlreiche subjektive Einschätzungen als objektiv gesichert. Die Macher tun so, als seien ihre persönlichen Einschätzungen wesentlich und als seien sie wissenschaftlich fundiert, obwohl die angegebene Wissenschaftlichkeit nach wie vor nicht nachzuvollziehen ist.
Mirko Langes gGmbH verbreitet also politische Meinungen, indem sie Meinungen anderer als falsch bezeichnet und sie mit ihrer „richtigen Version“ korrigiert. Für diese subjektiven Belehrungen beansprucht Mirko Langes gGmbH Allgemeingültigkeit und auch Gemeinnützigkeit.
Und das ist etwas, worüber wir reden müssen. Auch die Art und Weise insgesamt, mit der Öffentlichkeit umzugehen, braucht dringend eine kritische Betrachtung.
Legitime Meinungen ja – aber eben nur Meinungen
Sicher sind Mirko Langes Einordnungen von Politikeräußerungen zulässige Meinungen, meinetwegen auch legitime, aber es sind eben Meinungen. Ohne einen Nachweis, dass diese subjektiven Deutungen auch objektiv richtig sind, haben sie wenig öffentliche Relevanz. Mirko Lange darf seine Meinung natürlich gerne im Sinne von Art. 5 GG verbreiten, und er darf dabei auch Äußerungen anderer als falsch bezeichnen und seine alternativen Formulierungsvorschläge ins Spiel bringen. Nur:
- Wenn Wissenschaftlichkeit behauptet wird, spielen subjektive Meinungen und persönliche Deutungen keine Rolle – und die Wissenschaftlichkeit ist nachvollziehbar zu machen. Behauptetes muss objektiviert stimmen. Es genügt nicht, wenn es den Machern plausibel erscheint. Auch ist etwas nicht maßgeblich, nur weil es von Mirko Lange kommt.
- Wenn das Ganze zudem gemeinnützig sein soll, ist eine gewisse Neutralität geboten. Laut Satzung sind die Zwecke der Gesellschaft die Förderung der Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO) sowie die Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO), „soweit sie der Förderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes dienen“. Der Bundesfinanzhof mahnt hier zur Zurückhaltung. Die Meinungen Einzelner sind nicht gemeinnützig.
Was die Wissenschaft angeht, fehlt beispielsweise nach wie vor die Erklärung, inwiefern und warum sich bei der Bewertung von Äußerungen eine Gewichtung von 35:40:25 „verfassungslogisch“ herleitet, wie die gGmbH auf https://democracy-intelligence.de/modell behauptet:

Solche Dinge sind unbedingt nachvollziehbar zu machen. Aus welcher Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes beispielsweise ergibt sich diese Gewichtung? Welche Wissenschaftler/-innen und Jurist/-innen kommen aufgrund welcher gesicherten Erkenntnisse zu diesen Zahlen?
In seinem LinkedIn-Profil gibt Mirko Lange unter „Top-Kenntnisse“ ja „Verfassungsrecht“ an – vielleicht kann er diese Zahlen einmal anhand einschlägiger Urteile verfassungsrechtlich solide verständlich machen? Sodass andere Verfassungsrechtler zustimmen und sagen: „Ja, der Kollege Lange liegt hier zweifelsfrei richtig“?
Solange diese Dinge nicht transparent sind, sind die Ergebnisse nur behauptet.
Konzept ordnet Parteien demokratische Werte zu
Dass Mirko Langes gGmbH keine neutrale politische Bildung betreibt, zeigt sich spätestens durch eine erneute Aktualisierung der Seite https://democracy-intelligence.de/modell um die Tabelle verschiedener politischer Ideologien (Nachtrag 7. Dezember 2025). In dieser Tabelle ordnet die gGmbH verschiedenen politischen Strömungen wie der Sozialdemokratie oder dem Konservatismus Werte bezüglich der „demokratischen Qualität“ zu:

Wie unschwer zu erkennen ist, ordnet die gGmbH die Grünen und Volt der „partizipativen Demokratie“ zu und bewertet sie mit „+1,5 legitimierend“, während der Konservatismus mit CDU und CSU (in einen Topf geworfen mit den Freien Wählern und der WerteUnion) nur den Wert „+0,5 stabilisierend“ bekommt.
Wenn ich das Ganze richtig verstehe, will uns Mirko Lange mit seiner gGmbH weismachen, es sei „verfassungslogisch“ objektiv gesichert, dass FDP und CDU/CSU eine geringere Qualität für die Demokratie haben als die Grünen und die SPD. Ob das noch als politische Bildung durchgeht und das Siegel der Gemeinnützigkeit verdient, sodass Mirko Langes gGmbH steuerlich abzugsfähige Spendenquittungen ausstellen darf und keine Körperschaftsteuer bezahlen muss?
Ist Mirko Langes Meinungsbeeinflussung politische Bildung?
Sicher darf Mirko Lange auch in einer GmbH Meinungen verbreiten – so, wie das Medien beispielsweise auch tun. Doch Medien beanspruchen nicht, gemeinnützig zu sein. Mirko Langes gGmbH tut das – sie hat sich gemäß § 52 der Abgabenordnung der Volks- und Berufsbildung und der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens verschrieben.
Und sicher können wir Mirko Langes Einschätzungen teilen – doch das macht sie nicht objektiv oder gar neutral.
Politische Bildung stärkt Menschen zwar darin, selbst zu denken, sie darf informieren und Methoden vermitteln. Aber darf sie festlegen, welche politische Strömung wie viel wert ist? Ab diesem Punkt haben wir es wohl nicht mehr mit Bildung zu tun, sondern eher mit einer subjektiven Wertung und einer Einflussnahme auf die Meinungsbildung.
Sobald eine Organisation beginnt, Meinungen zu bewerten – und das tut Mirko Langes gGmbH hier – betreibt sie politische Einflussnahme. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Absicht eine gute ist. Und tatsächlich hätte Mirko Lange ja auch ein Medienunternehmen mit Redaktion gründen können, um seine Überzeugungen zu verbreiten. Oder eine Partei. Stattdessen gründet er eine GmbH, die gemeinnützig sein soll, und gibt die Verbreitung seiner Positionen als gemeinnützige politische Bildung aus – mit der ständigen Behauptung einer irgendwie gearteten wissenschaftlichen Fundiertheit.
Es geht um eine Machtposition
Wer behauptet, Meinungen objektiv klassifizieren zu können, will sich am Ende eine Machtposition verschaffen, was im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien steht – ganz gleich, wie nobel die Mission formuliert ist. Die Sache selbst kann, je mehr sie sich als institutionalisierte manipulative Meinungsmache erweist, allerdings nicht mehr demokratisch sein. Denn Demokratie lebt davon, dass Menschen streiten dürfen. Dass Meinungen konkurrieren. Dass argumentiert wird und nicht klassifiziert mit dem irrealen Anspruch an eine Objektivität durch Scores.
Und genau das ist der Punkt, an dem dieses Konzept der Demokratie schadet:
- Wenn ein Konzept nicht nur analysiert, sondern aktiv Diskurse lenken will – also bestimmen, was als „guter“ Diskurs gilt und was nicht –, dann ist das politische Einflussnahme, nicht Wissenschaft. Die Bevormundung, die aus jeder Pore der „Democracy Intelligence gGmbH“ dringt, steht im Widerspruch zu Offenheit, Meinungsvielfalt und demokratischem Diskurs.
- Was die gGmbH da aufbaut, ist weniger ein neutrales Analyse-Tool als vielmehr eine normative Diskurs-Maschine. Sie hat die klassische Schwäche vieler Bewertungs- und Kontrollsysteme für Kommunikation: eine hohe subjektive Komponente und geringe Transparenz. Zudem ist deutlich ein inhärenter Machtanspruch zu erkennen: Mirko Lange wünscht sich die Deutungshoheit über die politische Debatte. Und die steht ihm nicht zu, schon gar nicht unter dem Deckmantel einer vorgegaukelten Objektivität. Insofern haben wir es hier mit einiger Anmaßung zu tun.
- Wer ein solches Modell nutzt oder sich darauf verlässt, muss sich darüber bewusst sein: Es ist nicht neutral. Es wertet. Und wessen Werte es vertritt, hängt von denen ab, die das System entwerfen – nicht von objektiven Kriterien. Das Modell dient in aller erster Linie Mirko Lange dazu, seine Haltung zu verbreiten. Und daran ist für meine Begriffe nichts gemeinnützig.
Kurz: Ein wirklich gemeinnütziges Projekt der politischen Bildung würde nicht im Sinne des einen oder anderen politischen Akteurs werten, sondern den Menschen ihre Meinungsbildung selbst überlassen. Hier – gerade durch die Zuordnung von Werten zur „demokratischen Qualität“ von Strömungen und Parteien – will jemand den Menschen vorschreiben, was sie zu denken haben.
Pseudo-intellektueller Wortnebel
Durchgängig wirken auch die Begriffe willkürlich gewählt. Die Erklärungen erweisen sich als Wolken der Wortgewalt, die Lesern das Gefühl geben, das Modell sei zu komplex, um es zu verstehen. Tatsächlich versprüht Mirko Lange hier vorwiegend Phrasen und politische Schlagwörter, wie wir es auch aus dem Bullshit-Bingo kennen – nur dass hier eben die Demokratie für dieses Vorgaukeln einer tiefgründigen Durchdachtheit missbraucht wird und nicht das Business-Management.
Dass zahlreiche sophistische Ausflüge die Wahrnehmung vernebeln und intellektuelle Macht und Deutungshoheit inszenieren, hat bei allem System:
Doch Wahrheit allein genügt nicht. Wer sie missbraucht, spaltet. Deshalb folgt auf Logos immer Ethos.
Autoritäre oder populistische Systeme kehren die Gewichtung um: Sie arbeiten mit 20 : 20 : 60, ersetzen Verantwortung durch Loyalität und Wahrheit durch Gefühl.
Diese rhetorische Nebelwand ist unbedingt beim Namen zu nennen. Und wir müssen Nachweise für diese intellektuell wirkenden philosophischen Ausflüge fordern. Dafür müssen Belege her, nicht nur Argumentationen. Auch apodiktisch vorgetragene Postulate wie:
Demokratische Kommunikation ruht auf drei Säulen: Fakten, Verantwortung und Emotion.
… sind bitte schlüssig darzulegen.
Klar muss auch werden, dass sich das alles nicht Mirko Lange zusammengereimt hat und für seine Überlegungen jetzt Allgemeingültigkeit beansprucht. Es müssen objektiv gesicherte Erkenntnisse sein, die auch unabhängig von Mirko Langes Überlegungen faktisch existieren und stimmen. Ansonsten sind es einfach nur seine persönlichen subjektiven Einschätzungen.
Wissenschaftlicher Anstrich ohne Validierung
Aktuell entsteht der Eindruck des pseudo-intellektuellen Wortnebels, durch den Mirko Lange seinen Gedanken eine Autorität verleihen will:
- Statt Klarheit erleben wir Überkomplexität – wir erleben viel Sprache und wenig Substanz. Mirko Lange konfrontiert uns mit überladenen Fachtermini ohne methodische Präzision.
- Die Komplexität erregt dabei den Anschein der Seriosität – auch wenn Begriffe nicht wissenschaftlich abgesichert sind.
Gibt jemand subjektive Wertungen ab und vermittelt dabei den Eindruck, es seien objektive Kriterien, entsteht quasi ein wissenschaftlicher Anstrich ohne wissenschaftliche Validierung. Genau das ist typisch für Wortnebel: Ein Konzept klingt wissenschaftlich, ohne wissenschaftlich zu sein.
Vor allem muss Mirko Lange das fehlende Kettenglied in der Erklärung liefern, weshalb diese seine theoretischen Gedanken exakt in der Art und Weise Widerhall finden, in der er beziehungsweise sein Unternehmen Äußerungen beurteilt. Und warum genau das richtig ist. Und wodurch sich diese Korrektheit der Öffentlichkeit nachvollziehbar macht.
Klar muss dabei zum Beispiel auch werden, weshalb der Pluralismus in Mirko Langes Überlegungen so gut wie keine Rolle spielt, also die Meinungsvielfalt und der damit verbundene Meinungsstreit sowie die Toleranz gegenüber Minderheitsmeinungen.
Und gerade weil die Wortgewalt in Mirko Langes Konzept so enorm ist, müssen wir uns die Inhalte genau ansehen. Wortgewalt und sophistische Rhetorik sind oft Indizien dafür, dass mit der Substanz etwas nicht stimmt. Oft soll Wortnebel Substanzlosigkeit kaschieren und Kritiker einschüchtern – sie sollen sich intellektuell unterlegen fühlen und darum lieber nicht widersprechen.
Beispiele für Herabwürdigungen von Äußerungen
Manche der Analysen sind selbstredend treffend. Wenn etwa Jan van Aken davon spricht, Millionäre hätten sich „mit Wolfram Weimer einen Staatssekretär gekauft“, dann ist diese Unterstellung zu beweisen. Darauf weist Mirko Langes gGmbH korrekterweise hin. Zugleich aber stört sich Mirko Langes gGmbH an Formulierungen wie „Schlangengrube“ und „herangezüchtet“ – und das ist vermutlich einfach Meinungsfreiheit, auch wenn es Mirko Lange nicht passt. Das Bundesverfassungsgericht dürfte diese Äußerungen schätzungsweise als zulässig durchgehen lassen, zumal im politischen Meinungsstreit. Mirko Lange und seinen Leuten mögen die Formulierungen nicht gefallen, mir gefallen sie auch nicht. Doch ob sie deswegen unzulässig sind? Es macht die Demokratie ja gerade aus, dass wir uns auch harsche Meinungsäußerungen gefallen lassen müssen.
Vor allem deswegen ist Mirko Langes Konzept gefährlich für die Demokratie: Es gibt vor, zugespitzte Meinungsäußerungen (die das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich als zulässig ansieht) seien zu vermeiden. Es will Äußerungen und damit Meinungen weichspülen.

Eine ehrenrührige Behauptung wird korrekterweise gerüffelt – darüber hinaus stört sich Mirko Langes Initiative an Werturteilen wie „Schlangengrube“ und „herangezüchtet“. Diese Formulierungen sind zwar alles andere als freundlich, aber wohl kaum unzulässig, vor allem nicht im politischen Meinungsstreit. (Die Fotos der betroffenen Politiker sind geblendet, weil ich daran keine Nutzungsrechte habe.)
Nehmen wir ein Beispiel, an dem deutlicher wird, inwiefern Mirko Langes Ansatz der Demokratie schadet:

Laut Mirko Langes System belastet der Grünen-Politiker Schäfer die Demokratie durch Einseitigkeit oder Polemik – dabei bringt er lediglich seine Position zum Ausdruck, und zwar auf eine für Demokratien übliche zugespitzte Weise.
Dann stört sich Mirko Langes gemeinnützige GmbH an der Formulierung „dröhnend schweigen“ des Grünen-Politikers Sebastian Schäfer. Doch schon die Interpretation, diese Formulierung unterstelle bewusste Ignoranz und Gleichgültigkeit, ist gewagt. Wir kennen die Motive der Menschen nicht. Und selbst wenn die Deutung stimmt, ist deswegen Schäfers Äußerung nicht unzulässig. Es ist ein deutliches Beispiel dafür, wie die „Democracy Intelligence gGmbH“ auf reine Interpretationen statt Informationen setzt und Äußerungen anderer anhand von Vermutungen abwertet. Da wird einfach herumgedeutet wie bei einer Gedichtsinterpretation, die sich zu weit vom Text entfernt.
Zudem: Sollte Schäfer dem Kanzler und dem Finanzminister tatsächlich Ignoranz und Gleichgültigkeit vorwerfen, wäre auch daran im Sinne der Demokratie nichts falsch oder schlecht.
Oder nehmen wir eine Äußerung von Cem Özdemir, offenbar am 19. November 2025 auf X gepostet:

Screenshot vom 24. November 2025: Für Mirko Lange und Team ist Cem Özdemir Bundesverkehrsminister.
Im Sinne des Gemeinnutzes stört sich Mirko Langes Truppe an einer alltäglichen Politikeräußerung – hier von Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker zeige „eine emotional aufgeladene Kritik“ – was ist falsch oder schlecht daran? Er nutze „drastische Metaphern (‚Fass ohne Boden‘, ‚Hohn‘)“ – was ist falsch oder schlecht daran? Er distanziere sich „von der eigenen Verantwortung“ und jener seiner Partei – na und? Was ist daran undemokratisch? Weiß Mirko Langes Team denn gesichert und bewiesen, wer die Verantwortung de facto final trägt? Oder verwechselt das Team Beweise und Argumente?
Unter anderem an diesem Beispiel zeigt sich deutlich, dass die „Democracy Intelligence gGmbH“ die Meinungsfreiheit angreift und damit schwerlich im Dienste der Demokratie unterwegs sein kann.
Dass Mirko Langes Team Cem Özdemir in der grün unterlegten vorzuziehenden Formulierungsversion nahelegt, er möge erklären, was er „als Bundesverkehrsminister“ tun werde, spricht zugleich für einige Verwirrung bei den Machern. An der Regierung sind CDU/CSU und SPD, Bundesverkehrsminister ist Patrick Schnieder (CDU). Cem Özdemir ist nicht und war auch noch nie Bundesverkehrsminister.
Die Frage ist, ob denn angesichts einer solchen Unbildung bei der „Democracy Intelligence gGmbH“ eine fundierte wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit zu erwarten ist. Überhaupt stellt sich hier massiv die Frage nach der Kompetenz.
Nachtrag 25. November 2025: Özdemirs Rolle wurde korrigiert.

Korrigierte Rolle: Özdemir ist jetzt Bewerber fürs Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg.
Einmal abgesehen davon, dass Mirko Langes gGmbH Cem Özdemir eine Phrase empfiehlt: „Als [Rolle] werde ich mit allen Beteiligten an verlässlichen Lösungen arbeiten und für Transparenz sorgen.“ Na danke. Präferiert Mirko Lange im Ernst derart weichgespültes Politiker-Gewäsch?
Insgesamt jedenfalls ist es wenig im Sinne der Demokratie, wenn uns die „Democracy Intelligence gGmbH“ Vorgaben macht, wie wir uns auszudrücken haben – dieses übergriffige Verhalten finden Sie unter https://democracy-intelligence.de/trust-now bei zahlreichen Bewertungen. Scrollen Sie mal durch. Mirko Lange und sein Team maßen sich an, für andere zu wissen, was richtig ist und was sie sagen sollen – obwohl das Team selbst zahlreiche Denk- und Logikfehler begeht und obwohl die wissenschaftliche Fundiertheit bis heute nur als Behauptung im Raum steht.
Wenn das Modell ein Mensch wäre
Wäre das Modell ein Mensch, wäre in seiner Persönlichkeit wohl die Ausprägung „Wunsch nach intellektueller Überlegenheit“ dominant. Beansprucht wird Deutungshoheit – und die jeweilige Deutung ist dann richtig. Die eigene Sicht ist die Wahrheit, andere Meinungen erscheinen als falsch oder als Bedrohung. Diese werden dann deutlich, laut und belehrend verurteilt, und das mit der Behauptung einer wissenschaftlichen Fundiertheit. Eigene Fehler sehen wir nicht, und das normale Verhalten anderer werfen wir ihnen als Fehler vor.
Der rechthaberische Stil der „Democracy Intelligence gGmbH“ erinnert mich persönlich sehr an Donald Trump – auch er stellt sich mit dem Habitus der Unfehlbarkeit in die Öffentlichkeit und behauptet irgendwelches Zeug. Auch Trump stellt seine Überzeugungen apodiktisch als angeblich bewiesene Fakten in den Raum.
Was ich besonders gefährlich finde: Mit ihrem Sendungsbewusstsein versteht die „Democracy Intelligence gGmbH“ ihre belehrenden Korrekturen offenbar tatsächlich als Dienst an der Menschheit. Die Akteure halten ihre Einschätzungen offenbar wirklich für substanziell. Wer widerspricht, hat im Zweifel das Modell nicht verstanden – so jedenfalls Mirko Langes übliche Reaktion auf Kritik.
Eine Selbstreflexion scheint kaum stattzufinden, siehe dazu den bisherigen Umgang mit Kritik in meinem vorigen Blogbeitrag zum Thema.
Selbstüberhöhung in der Beurteilung anderer
Was durchweg sichtbar wird, ist ein äußerst stark ausgeprägtes Bedürfnis, normative Maßstäbe zu setzen. Wir sehen eine gewisse Selbstüberhöhung in der Beurteilung anderer und den Wunsch, deren Verhalten zu bewerten, und zwar anhand eines quantifizierenden Scores. Nach dieser Logik gilt nicht mehr, was Politiker sagen, sondern das, was Mirko Langes Team sagt. Denn Politiker reden ja nur irgendwas daher – sie sind in Mirko Langes Setting zunächst einmal kommunikativ unbedarft und müssen sich in ihrer Beschränktheit Mirko Langes weisen Belehrungen unterwerfen. Denn er hat ein systematisierendes Tool, angeblich wissenschaftlich fundiert, das ihn überlegen macht.
Kernaspekte scheinen zu sein:
- Mirko Lange erfindet ein „Modell“, mit dem er die Äußerungen anderer anhand seiner Maßstäbe abqualifizieren kann.
- Er stellt seine Sicht als die richtige dar.
- Er gibt Objektivität vor, ohne sie fundiert nachzuweisen. Er vernebelt uns den Blick durch Phrasen.
- Er führt Scores ein, um den Anschein von Objektivität zu erzeugen.
- Er setzt scheinbare Fachsprache als Machtmittel ein.
- Er bewertet Meinungen als richtig oder falsch.
- Er betont das Normative, also Regeln, es geht um „richtige Sprache“.
- Er will mit seinem Projekt gemeinnützig sein, wobei politische Bildung neutral sein muss.
- Er gibt anderen Hinweise, wie sie sich auszudrücken haben.
- Er wertet andere Positionen ab.
- Er reagiert auf Widerspruch nur vordergründig mit Neugier, de facto aber mit Abwehr und auch mit Angriffen ad hominem.
- Letztlich erzeugt er damit Distanz statt Verbindung, stärkt Feindbilder und beendet den Dialog mit Wortgewalt, wie in dem bereits verlinkten Blogbeitrag an zahlreichen Beispielen deutlich wird.
Es geht bei Mirko Langes Konzept also letztlich um ein Machtinstrument, mit dem sich Äußerungen anderer herabwürdigen lassen, ohne dass jemand dabei die Grandiosität dieses Instruments anzweifelt. Denn für diese Grandiosität sprechen Buzzwords wie „verfassungslogisch“ oder „epistemisch“, von denen sich Laien leicht beeindrucken lassen, ohne zu hinterfragen, was da eigentlich gesagt wird.
Das scheint auch die Funktion der aufgeblasenen Rhetorik zu sein. Für einfache Gemüter, die nicht wissen, dass Meinungen nicht objektiv richtig sein können, mögen die vielen pseudoakademisch-bemühten Herleitungen ausreichen – einige in Mirko Langes Bubble scheinen dem Argumentationsnebel tatsächlich unkritisch zu folgen und jubeln ihm beispielsweise bei LinkedIn zu. Und das ist auch klar: Wer keine Informationskompetenz hat, durchschaut das Ganze nicht.
Für eine qualifizierte öffentliche Betrachtung von Äußerungen dagegen genügen die vielen als Erklärung vorgebrachten Interpretationen kaum. Zumal Mirko Lange die Meinungsfreiheit in einer pluralistischen Gesellschaft unberücksichtigt lässt, die Unbeweisbarkeit und Unwiderlegbarkeit von Meinungen verkennt und offenbar tatsächlich glaubt, seine persönlichen Ansichten ließen sich der Öffentlichkeit als objektiv verkaufen.
Zugleich wissen Menschen mit Informationskompetenz: Ginge es hier um ein wissenschaftlich funktionales Tool, wären weder die enorme Wortgewalt noch ständige Aktualisierungen nötig. Stattdessen hätten wir es mit einem einfachen, klaren und leicht nachvollziehbaren Konzept zu tun.
Mirko Lange sagt uns, wie wir zu reden haben
Die Initiative ist also so streng subjektiv gefärbt, dass wir es weder mit Wissenschaft noch mit Demokratie oder Meinungsfreiheit zu tun haben können. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes über die Zulässigkeit polemischer Meinungsäußerungen ignoriert das Programm geradezu. Zugleich beansprucht die „Democracy Intelligence gGmbH“ für sich die Weisheit zu wissen, wie man richtig kommuniziert.
Mirko Lange selbst betont immer wieder das „Normative“ – und offenbar geht es hier in der Tat um normative Kontrolle. Die „Democracy Intelligence gGmbH“ sagt uns, wie wir zu reden haben. Das Ganze ist ein Sprach-Compliance-Check, der am Ende der Freiheit der Meinungsäußerung zuwiderläuft. Deshalb schadet dieses Projekt der Demokratie und wir sollten auch die Gemeinnützigkeit hinterfragen.
Also: Ist ein Projekt gemeinnützig, das den Menschen vorschreibt, was sie wie zu sagen haben? Zumal die Kompetenz beziehungsweise Qualifikation dahinter (noch) gar nicht gesichert ist? Und das, obwohl sich die betroffenen Politiker/-innen im Wesentlichen einfach nur normal äußern, wie es in einer Demokratie eben üblich ist?
Eine gemeinnützige GmbH beurteilt zulässige Meinungsäußerungen mit Formulierungen wie: „Belastet die Demokratie durch Einseitigkeit oder Polemik“, „Schwächt Demokratie durch Verzerrung und Delegitimierung“ oder „Gefährdet die Demokratie durch Angriffe und Entwertung“. Dafür beansprucht sie wissenschaftliche Autorität, die sich zumindest mir bisher nicht erklärt. Diese Autorität sollte sich aber erklären, und zwar nicht nur mir, sondern allgemein und nachprüfbar. Bisher behaupten die Macher einfach, aus der verfassungsmäßigen Ordnung ergäbe sich ein bestimmter Gewichtungsmaßstab – und den wenden sie auf subjektive Weise irgendwie an und weisen zahlreiche Politiker/-innen zurecht. Und für all das beansprucht Mirko Lange Gemeinnützigkeit. Anfang Dezember hat die gGmbH vom Finanzamt München den entsprechenden Feststellungsbescheid bekommen.
Ich fürchte jedenfalls: Worum es hier geht, ist nicht politische Bildung, sondern Meinungsmacht. Seine Meinungen kann Mirko Lange natürlich öffentlich vertreten – das ist dann allerdings nicht gemeinnützig. Dann hat Mirko Lange sich den Regeln des politischen Wettbewerbs unterzuordnen, statt für sich eine gemeinnützige und allwissende höhere Stellung zu beanspruchen, durch die er sich über andere erhebt und von zahlreichen Steuervorteilen profitiert. Andere Meinungsbildner wie Tageszeitungen bezahlen auch Körperschaftsteuer.
Insbesondere ist zu klären, um die Worte des Bundesfinanzhofs zu bemühen: Beeinflusst Mirko Langes Unternehmen „die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen“?
Meine Einschätzung der „Democracy Intelligence gGmbH“
(Nachtrag 16. Dezember 2025)
Zum Ende dieses langen Blogbeitrags versuche ich mich mal an einer zusammenfassenden Einschätzung.
1. Die „Democracy Intelligence gGmbH“ beansprucht Welpenschutz, schont aber selbst niemanden
Einmal beansprucht die „Democracy Intelligence gGmbH“ Welpenschutz, zugleich aber schont sie niemanden. Sie verurteilt andere hart und kompromisslos, reagiert selbst aber allergisch und aggressiv auf Kritik. Mirko Langes Reaktionen auf Kritik von Martina Vogel oder von mir bei LinkedIn stehen beispielhaft für dieses ungewöhnliche Verhalten.
Das Delta zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist eklatant: Wenn ein Projekt einerseits heftige öffentliche Bewertungen vornimmt, beansprucht es für sich eine Rolle mit hoher normativer Autorität. Diese Rolle verpflichtet zu Offenheit, Kritikfähigkeit, Fehlerkultur und methodischer Transparenz. Beruft sich dasselbe Projekt andererseits bei Kritik auf Welpenschutz – also darauf, „gerade erst angefangen zu haben“ –, verlässt es diese Rolle wieder.
Mirko Lange beansprucht den Einfluss einer Instanz, allerdings ohne deren Rechenschaftspflicht. Er will ein Platzhirsch sein und geschont werden. Andere stehen im Feuer, er selbst beansprucht Immunität. Wir dürfen das als Doppelmoral bezeichnen.
Das Argument „Wir fangen gerade erst an“ würde nur ziehen, wenn die Akteure als Anfänger auftreten. Doch von der zu erwartenden Zurückhaltung ist bei der gGmbH nichts zu finden. Sie tritt auf als Instanz, Bewertungsautorität und als Korrektiv für öffentliche Kommunikation, das die Weisheit gepachtet hat.
Im Nachhinein erleben wir jetzt eine Kennzeichnung als „Beta“, doch die ersten drastischen Verurteilungen von Politikern wie Johann Wadephul und anderen waren nicht als „Beta“ gekennzeichnet.
Der Punkt ist: Wir können nicht gleichzeitig Lernender und Richter sein. Geben wir es vor, offenbaren wir einen inneren Widerspruch, der nach außen kaum seriös wirkt.
Welpenschutz gilt für Projekte, die lernen, testen und vorsichtig kommunizieren. Nicht für solche, die früh harsche normative Urteile fällen und Kritik rhetorisch abwehren mit dem Verweis darauf, dass das Ganze wissenschaftlich fundiert sei. Um später, wenn die Kritik anhält, das Argument anzuführen, neu dabei zu sein, und über die Kritik zu jammern. Mit der weinerlichen Betonung, man wolle doch nur etwas für die Demokratie tun.
2. Die „Democracy Intelligence gGmbH“ bezeichnet sich als „Bewegung“ und „NGO“, ist aber eine Bewertungsinstanz und hängt an einer Figur
Die „Democracy Intelligence gGmbH“ kommuniziert wie eine Bewegung und behauptet von sich selbst, eine „NGO“ zu sein, agiert aber als Bewertungsinstanz. Diese Rollen sind wenig kongruent.
Es geht hier zudem nicht um eine Gruppe demokratiebewegter Bürgerinnen und Bürger, die gemeinsam einen Verein gegründet hätten, sondern um das Projekt eines Einzelnen. Und in diesem Projekt werden Äußerungen anderer und deren demokratische Legitimität bewertet.
Seriöserweise müssten Geschäftsführung und Bewertungsabteilung personell getrennt sein. Zudem wäre ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat erforderlich, der die Behauptungen und Einordnungen der Bewertungsabteilung mit den gängigen wissenschaftlichen Standards der westlichen Welt abgleicht.
Insgesamt ist bisher immer noch unklar, worin die „Organisation“ („NGO“) über ihre reine Organisiertheit als GmbH hinaus besteht. Aktuell haben wir es mit einer GmbH und ihrem Gründer und Geschäftsführer zu tun. Das Wesen einer GmbH ist, dass sie sich im Eigentum von jemandem befindet – und der gibt vor, wo es langgeht. Hier ist die zentrale Figur Mirko Lange.
Möglicherweise wäre der e.V. die besser geeignete Rechtsform – mit Kontrolle durch die Mitgliederversammlung und andere demokratische Elemente. Die Rechtsform der GmbH ist ihrem Wesen nach nicht demokratisch, der e.V. schon.
Üblicherweise verkauft eine gGmbH auch ein Produkt – beispielsweise Altenpflege. Vereine stellen meist Informationen bereit, wie es hier die gGmbH Mirko Langes tut, die sich mit ihren Veröffentlichungen von Kommentaren über die Äußerungen anderer eher publizistisch betätigt.
Es ist nebensächlich, aber mir ist nicht klar, welche Produkte die „Democracy Intelligence gGmbH“ eigentlich gegen Bezahlung anbietet und wer die Zielgruppe ist. Gemeinhin kenne ich die gGmbH als Rechtsform für soziale Träger.
3. Das „Kernteam“ wirkt wie ein Feigenblatt
Dass unter „Kernteam“ Namen genannt werden, zahlt möglicherweise auf den Eindruck einer „Bewegung“ ein – doch nur weil eine Organisation eine Geschäftsstelle hat, ist sie noch keine Bewegung. Zumal nicht transparent gemacht wird, in welchem Verhältnis die öffentlich präsentierten Akteure unter dem Stichwort „Kernteam“ zur GmbH stehen.
Steffen Buch beispielsweise, auf der Website mit dem Stichwort „Unternehmenskommunikation“ genannt, ist laut seinem verlinkten LinkedIn-Profil „External Communication Manager“ bei Melitta.

Bei der Unternehmenskommunikation der „Democracy Intelligence gGmbH“ scheint es in erster Linie um eine stimmige externe Wahrnehmung zu gehen – die Rede ist von Strategien, von konsistenten und wirkungsvollen Botschaften und davon, die gGmbH als Partner zu positionieren. Dass die Unternehmenskommunikation auch Anlaufstelle für Journalistenanfragen ist, steht nicht dabei – möglicherweise spielt ja eher das Marketing eine Rolle.
Von seiner Tätigkeit als „Unternehmenskommunikation“ bei der „Democracy Intelligence gGmbH“ steht auf Steffen Buchs LinkedIn-Profil Stand heute nichts – obwohl er laut der gGmbH-Seite bereits sehr umfassend aktiv sein müsste. Dort ist zu lesen:
Er gestaltet die interne und externe Kommunikation von Democracy Intelligence und sorgt für konsistente, wirkungsvolle Botschaften über alle Kanäle hinweg. Seine Expertise in Change-Kommunikation und Stakeholder-Management stärkt das Vertrauen in die Organisation und ihre Mission.
Steffen Buch stärkt also offensichtlich schon nachweislich das Vertrauen in die Organisation und ihre Mission – wird behauptet. Sollte dem so sein, scheint Steffen Buch bereits mit hohem Engagement dabei zu sein. Sonst dürfte er das Vertrauen in die Organisation kaum so beeindruckend stärken können, wie es der Text sagt.
Sicher wird kommuniziert, dass die meisten Mitglieder des Kernteams „derzeit noch“ ehrenamtlich arbeiten. Doch welche nicht? Wer ist bereits sozialversicherungspflichtig angestellt, wie sich ja aus der Formulierung „die meisten“ ergibt? Steffen Buch arbeitet bei Melitta. Was ist mit den anderen?

„Die meisten“ im Kernteam arbeiten „noch ehrenamtlich“. Wer denn nicht? Suggeriert werden Hauptamtliche.
Eine transparente Organisation würde hier für Transparenz sorgen. Stattdessen unterstellt eine suggestive Rhetorik Hauptamtliche, ohne die Sache näher zu erklären. Der Eindruck festigt sich, dass wir es bei der gGmbH mit einem Scheinriesen zu tun haben, der vor allem durch eloquente Formulierungen riesig erscheint. Ist am Ende etwa Mirko Lange der einzige bisherige Hauptamtliche? Die windelweiche Formulierung der gGmbH an dieser Stelle, die sich zugleich einer subtil einschüchternden Rhetorik bedient, würde das einschließen.
4. Die „erweiterte Community“ wird bislang nur behauptet
Unter „Unsere erweiterte Community“ heißt es:
Democracy Intelligence lebt von einem Netzwerk aus Experten, Praktikern und engagierten Menschen, die unsere Vision teilen:
Wissenschaftler:innen aus Kommunikations-, Politik- und Medienwissenschaft, die Forschung und Praxis verbinden.
Praktiker:innen aus Politik, Medien, NGOs und Bildung, die unsere Tools nutzen und verbessern helfen.
Technolog:innen und Entwickler:innen, die ethische KI und demokratische Technologien vorantreiben.
Engagierte Bürger:innen, die sich für bessere demokratische Kommunikation einsetzen.
Nichts davon ist überprüfbar. Eine „erweiterte Community“ ohne Namen ist nichts als eine Nebelwand. Ist das ein Netzwerk? Keine Ahnung. Bisher ist das Netzwerk einfach nur eine Behauptung, die mit ihren Buzzwords bestimmt manche Menschen anspricht. Doch wer sind denn die Praktiker und „Technologen“?
Weil die Öffentlichkeit diese Behauptungen nicht prüfen kann, sind sie wertlos. Sie widersprechen dem Falsifizierbarkeitsgebot Karl Poppers. Was wir nur glauben können oder eben nicht, ist mangels Transparenz keine qualifizierte Information. Menschen mit Informationskompetenz wissen das.
Erneut stärkt sich der Scheinriesen-Eindruck. Eine NGO ist mehr als eine Person mit Netzwerk. Sie braucht institutionelle Eigenständigkeit.
Wenn Strategie, Außenauftritt, Deutungsrahmen und öffentliche Reaktionen maßgeblich von einer zentralen Figur geprägt sind, stellt sich die Frage: Handelt es sich hier tatsächlich um eine Nichtregierungsorganisation – oder eher um eine individuelle Initiative, die sich NGO nennt, bevor sie organisatorisch eine ist? Gerade wer andere Akteure öffentlich bewertet, sollte bei der eigenen Selbstbeschreibung präzise und nachvollziehbar kommunizieren.
Die „Democracy Intelligence gGmbH“ fordert also Transparenz, liefert sie aber selbst nicht.
5. Buzzwords vermitteln Pathos statt Substanz
Auffällig ist die hohe Dichte an Buzzwords. Die Website ist voll von Wortwucht, hinter der unbedarfte Menschen Substanz vermuten, ohne dass diese Substanz belegt würde. Es geht um ein „umfassendes Ökosystem für demokratische Kommunikation und Transparenz“, „eng an wissenschaftlichen Standards orientiert“. Doch was bedeutet das alles inhaltlich?
Was fehlt, ist die Übersetzung dieser Buzzwords in überprüfbare Kriterien: Was genau gilt hier als Evidenz? Wo beginnt Normativität? Wie wird Objektivität praktisch abgesichert? Ohne Definitionen und transparente Abgrenzungen bleiben diese Wörter semantische Platzhalter. Sie erzeugen Autorität, ohne dass sie abgesichert wären.
Menschen ohne Informationskompetenz bekommen signalisiert: Hier wurde bereits geprüft, sortiert und entschieden – eigenes Nachdenken ist nicht mehr nötig. Für diese Menschen wirken die vielen beeindruckenden Begriffe wie Qualitätssiegel, ohne dass ihre inhaltliche Bedeutung oder ihre methodische Einlösung überprüfbar wäre.
Und damit betreibt die „Democracy Intelligence gGmbH“ im Grunde die gleiche Rhetorik wie die Absender von Desinformation: Sie behauptet etwas und macht die Nachvollziehbarkeit kompliziert und schwammig. Für das Publikum entsteht der Eindruck von Neutralität und Unangreifbarkeit, obwohl de facto zahlreiche Fragen offen sind. Viele Menschen können diese Wirkung nicht reflektieren. Daher ist ja Informationskompetenz so wichtig.
Und: „Wir sind Demokratie“ heißt es über dem „Kernteam“. Kommunikationsprofis erkennen die Rhetorik: mehr Pathos als Inhalte. Es geht ums Emotionalisieren, nicht ums Informieren. Es klingt gut, ist aber hohl. In jedem Fall solange das „Wir“ nicht nachvollziehbar ist und wir auf dem LinkedIn-Profil von Steffen Buch nur etwas von Melitta lesen und nichts von der „Democracy Intelligence gGmbH“. Oder solange uns Mirko Lange nicht transparent macht, wer die von ihm behaupteten beteiligten Wissenschaftler/-innen nun sind.
Solange in puncto wissenschaftlicher Fundiertheit unüberprüfbare Dinge behauptet werden, und das Muster beobachten wir ja nun schon seit Monaten, dürfen wir das Ganze als Augenwischerei bezeichnen.

„Wir sind Demokratie“: Klingt gut, sagt wenig. Dass es sich um eine Bewegung handelt, wird einfach unterstellt – es ist nicht nachzuvollziehen und daher als Information wertlos.
Das Gefährliche bei dieser Rhetorik: Buzzwords erzeugen Autorität, ohne die Methode sichtbar zu machen – und besonders Menschen ohne Informationskompetenz sind dafür anfällig.
6. Fehlende Versionierung bewirkt Transparenzdefizit
Ein weiteres strukturelles Problem ist die fehlende Versionierung von Methodik, Kriterien und Bewertungen. Immer wieder ändert jemand die Paramater. Wer eigentlich? Mirko Lange allein im stillen Kämmerlein? Doch wenn Scores, Gewichtungen oder Begründungen immer wieder angepasst, nachgeschärft oder still verändert werden, ohne dass frühere Fassungen öffentlich dokumentiert bleiben, entsteht ein gravierendes Transparenzdefizit.
Wie soll beispielsweise überprüfbar sein, ob sich eine Bewertung aufgrund neuer Erkenntnisse geändert hat oder aufgrund öffentlicher Kritik etwa durch Martina Vogel oder mich?
In wissenschaftlichen Kontexten ist Versionierung Standard: Sie schafft Nachvollziehbarkeit, schützt vor klandestiner nachträglicher Glättung und ermöglicht Lernprozesse. Und da Mirko Lange mit seiner gGmbH ständig Wissenschaftlichkeit behauptet, sollte er sich auch an die wissenschaftlichen Regeln halten.
Wer evidenzbasiert arbeitet, muss zeigen können, was wann warum gegolten hat. Ohne Versionierung gibt es keine belastbare Verantwortungskette – nur einen jeweils aktuellen Zustand, der sich der historischen Prüfung entzieht. Und das oft sogar mit dem Vorwand, man stehe erst am Anfang.
7. Der Irrglaube, Sprache formalisiert bewerten zu können
Das vielleicht Wichtigste ist der Irrglaube, Sprache formalisiert bewerten zu können.
Auf mich wirkt Mirko Lange wie jemand, der über der Auseinandersetzung stehen will. Er bewertet, wie andere diskutieren. Das könnte die Reibung mit Kritikern erklären. Wer von unten fragt, stört die Perspektive von oben.
Doch Demokratie lebt von Streit, Revision und Fehlbarkeit. Wegen dieses Missverhältnisses ist der denklogische Ansatz des Projektes in meinen Augen der Demokratie abträglich.
Woher kommt der Gedanke, Sprache formal bewerten zu können? Ich vermute, Mirko Lange sehnt sich nach Eindeutigkeit und finaler Einordnung. Wer als Strategieberater gearbeitet hat, ist möglicherweise darauf trainiert, Komplexität zu strukturieren und Botschaften zu ordnen.
Vor diesem Hintergrund ist die „Democracy Intelligence gGmbH“ lesbar als Fortsetzung dieser Logik: Politische und gesellschaftliche Kommunikation soll nicht nur beschrieben werden, sondern auch messbar, vergleichbar und steuerbar sein.
Hier entsteht die eigentliche Problematik. Demokratie, Öffentlichkeit und politische Kommunikation folgen nicht der Logik von Effizienz oder Optimierung, sondern der Logik von Widerspruch und Debatte. Der Wunsch nach klaren Kategorien, Scores und objektiven Maßstäben mag verständlich sein, doch er kollidiert mit der Natur der Sache.
Je stärker der Anspruch auf Messbarkeit, desto größer die Gefahr, Normativität als Neutralität zu verkleiden. Sinnbildlich gesprochen: Mirko Lange hat einen Hammer. Daher sind die Phänomene dieser Welt für ihn eben Nägel.
Ein klassischer Denkfehler ist dabei: „Weil ich für Demokratie bin, ist meine Einordnung demokratisch.“ Auch das ist menschlich nachvollziehbar, aber logisch falsch.
Ist in dieser Logik jemand gefangen, erscheint auch berechtigte substanzielle Kritik als Störung der Mission. Ein kognitiver Kurzschluss, der sich in Mirko Langes Reaktionen auf meine Kritik oder jene von Martina Vogel bei LinkedIn gut zeigt.
Und noch einmal: Alles, was Mirko Lange und seine gGmbH an Äußerungen verbreiten, mag von Art. 5 GG gedeckt sein. Nur: Gemeinnützig sind die Meinungen Einzelner nicht. Und zu behaupten, persönliche Meinungen seien wahr, ist schlicht Unsinn.
Aussagen werden sowohl strukturiert als auch willkürlich gesammelt
Ergänzung 19. Dezember 2025
Auf der Seite https://democracy-intelligence.de/monitor findet sich inzwischen eine weitere Kuriosität. Einerseits behauptet die gGmbH dort, sie würde politische Aussagen „strukturiert“ sammeln:

Andererseits sagt die gGmbH zu, willkürlich eingereichte „demokratisch konstruktive Aussagen von Spitzenpolitikern“ zu ergänzen, und zwar „sofort“:

Erneut stellt sich die Frage, welche Wissenschaftler/-innen für diese Arbeitsweise stehen.


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