Sie wollen Frieden in der Ukraine? Dann setzen Sie sich dafür ein, dass Putin seine Truppen abzieht. (Bild von Engin Akyurt auf Pixabay)

Sie behaupten, Russland musste die Ukraine angreifen, weil die NATO sich ausgedehnt hat – obwohl immer mehr Nationen wegen Russlands Drohungen unter den Schutzschirm der NATO fliehen? Dann sind Sie ein russischer Einflussagent.

Sie behaupten, die NATO wollte die Ukraine aufnehmen – obwohl Deutschland und Frankreich beim Bukarester NATO-Gipfel 2008 ihr Veto eingelegt haben und von einem NATO-Beitritt keine Rede mehr war? Dann sind Sie ein russischer Einflussagent.

Sie behaupten, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe einen Bürgerkrieg gegen sein Volk in der Ost-Ukraine geführt – obwohl Wladimir Putin die Ostukraine durch Milizen ohne Hoheitsabzeichen angegriffen hat, woraufhin sich die Ukraine wehrte? Dann sind Sie ein russischer Einflussagent.

Sie behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei eine Diktatur, die die Meinungsfreiheit einschränkt – obwohl Sie Ihre „Informationen“ aus zahlreichen „alternativen Medien“ beziehen, die ungestört online Putins Positionen verbreiten? Dann sind Sie ein russischer Einflussagent.

Sie behaupten, Deutschland stehe unter der Fuchtel der „imperialistischen USA“ – obwohl die USA weder in Deutschland 1945 noch in Vietnam noch im Irak US-Pässe verteilt haben, und ignorieren den Imperialismus Russlands (Georgien, Tschetschenien, Ukraine, …)? Dann sind Sie ein russischer Einflussagent.

Einflussagenten destabilisieren für Putin den Westen

Beim Tucker-Carlson-Interview mit Putin zeigte sich erneut, worum es Putin geht: um eine imperialistische Ausdehnung seines Einflussgebietes, um ein großrussisches Reich. Wer es bis dahin nicht wusste, weiß es jetzt.

Der Präsident der Mongolei, Tsachiagiin Elbegdordsch, konterte Putins Geschichtsvergessenheit mit einer Mongoleikarte aus der Zeit Dschingis Khans, der damals Moskau plünderte.

Putins nächstes großes Ziel – oder auch das seines möglichen Nachfolgers Dmitri Medwedew – ist die Auflösung der NATO, damit Russland ohne viel Gegenwehr das Baltikum, Finnland und Polen angreifen kann. Medwedew sieht bekanntermaßen ein Reich bis Portugal.

Länder zu überfallen, die sich nicht verteidigen, ist leichter, als Länder zu überfallen, die sich im Rahmen der NATO verteidigen. Putin setzt insofern auf das Prinzip der „low hanging fruits“.

Vorgelagert ist der Sieg über die Ukraine – denn dort sind enorme russische Ressourcen gebunden. Daher arbeitet Putin daran, dass die westliche Unterstützung der Ukraine endet.

Forderungen, die Ukraine fallenzulassen, sind also im Sinne von Putins imperialistischer Expansion. Akteurinnen wie Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht setzen sich hier für den Kriegsverbrecher Putin ein: In ihrem „Manifest für Frieden“ fehlt seltsamerweise jeder Aufruf an Putin, den Krieg zu beenden. Obwohl er das sofort tun könnte.

Putins Agenten zermürben die westlichen Gesellschaften von innen heraus

Darüber hinaus plant Putin eine Destabilisierung der NATO. Daher setzt Putin auf Donald Trump als erneuten US-Präsidenten und auf Ungarn als russisches U-Boot in EU und NATO. Trump hat jüngst klargemacht, dass er als US-Präsident die wichtigste NATO-Vereinbarung brechen würde – er würde seinen Einsatz im Bündnisfall davon abhängig machen, welche Länder beim Verteidigungshaushalt die 2-Prozent-Regel erfüllen. Kurz: Er würde liberale westliche Länder der russischen Diktatur preisgeben.

Um die Verteidigungsfähigkeit des Westens zu zerstören, setzt Putin auf die westliche Demokratie, die sich ihren Willen durch Mehrheiten bildet. Er arbeitet massiv daran, dass sich eine Mehrheit gegen die USA und die NATO ausspricht und stattdessen für Russland. Putin züchtet sich im Westen ein Heer von nützlichen Idioten heran. Daher unterstützt er die AfD und Sahra Wagenknecht.

Ein Schlüssel dazu ist die öffentliche Meinung in den freien Ländern des Westens. Damit die Menschen dort gegenüber internationalen Institutionen argwöhnisch werden, streut Putin im Westen Falschinformationen über die westlichen Demokratien. So wächst das Misstrauen gegenüber den USA und der NATO, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und gegenüber westlichen Politikern insgesamt.

Putins Ziel ist es, durch die Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland einen NATO-Austritt zu bewirken – wie etwa den Austritt Großbritanniens aus der EU.

Dazu streut Putin durch zahlreiche willige Helfer im Westen antiwestliche Ressentiments: Die NATO sei aggressiv, die USA imperialistisch, die Bundesrepublik Deutschland den USA hörig, die Meinungsfreiheit im Westen nicht gegeben, westliche Politiker seien korrupt. Damit folgt Putin seinem alten Prinzip, die eigenen Eigenschaften dem Gegner vorzuwerfen.

Dass manche Putin durchschauen, stört Putin nicht

Dass einige Intellektuelle im Westen den Plan durchschauen, stört Putin dabei nicht: Er setzt darauf, dass sich die breite Masse auf Dauer durch Propaganda in seinem Sinne manipulieren lässt. Indem er nicht alle erreichen muss, sondern nur eine relative Mehrheit, nutzt er die Freiheit des Westens als Einfallstor für Demokratiegefährdung, um genau diese Freiheit zu zerstören.

Dass durch die Strategie genau die Freiheit endet, der Akteure wie der Gedächtnistrainer Markus Hofmann ihre Persönlichkeitsentfaltung und ihre Erfolge verdanken, begreifen die Betroffenen bisher ebenfalls nicht. Ihnen fehlt der Blick für die Zusammenhänge, und sie stellen die wichtigen kritischen Fragen nicht. (Hier noch einmal der Link zu Markus Hofmanns Falschbehauptungen und seiner impliziten Umsturzfantasie sowie der Link zu meiner Richtigstellung dazu.)

Laut Bundesinnenministerium (BMI) kommen die wichtigsten westlichen Multiplikatoren dieser feindlichen Agitation „aus den Phänomenbereichen Rechtsextremismus, Reichsbürger und Selbstverwalter sowie Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates. (…) Teile der (ehemaligen) Corona-Protestbewegung sind empfänglich für russische Desinformation und Propaganda und verbreiten diese weiter. Darüber hinaus können sich auch linksextremistische Gruppierungen von den russischen Narrativen angesprochen fühlen.“

Und das BMI schreibt: „Es ist davon auszugehen, dass die Verbreitung pro-russischer Narrative u.a. im verschwörungsgläubigen Milieu fortgesetzt wird. Die russischen Auslandsmedien in Deutschland knüpfen über ihre Kanäle in den sozialen Medien mit Hilfe des verwendeten Vokabulars bewusst an diese Milieus an.“

Entscheidende Merkmale nahezu aller Behauptungen der russischen Propaganda und ihrer willigen Helfer in Europa sind:

  • Sie sind unbewiesen.
  • Sie lassen sich nicht prüfen.

Damit sind die Propaganda-Behauptungen aus wissenschaftlicher Sicht gegenstandsloser Unsinn (siehe bitte die Wikipediaeinträge „Falsifikationismus“ und „Russells Teekanne“).

Die Kombination „unbewiesen und unprüfbar“ trifft auf Hörensagen zu, auf Gerüchte, auf Aberglauben und auf sämtliche Verschwörungsmythen. Solchen Dingen glaubt ein bestimmter Menschenschlag; der aufgeklärte moderne Mensch folgt derlei Unsinn nicht.

Putin setzt auf Akteure ohne Medienkompetenz

Wer an etwas glaubt, was nicht bewiesen ist und sich nicht prüfen lässt, bildet sich seine Erkenntnisse und Meinungen nicht nach professionellen Maßstäben. Wer derlei Unsinn weiterträgt, ist entweder nützlicher Idiot oder Täter.

Wer sich seine Meinung anhand von Lügen bildet und das nicht merkt, dem fehlt Medienkompetenz.

Zu glauben, Desinformation sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, ist ein Irrtum: Nach Art. 18 GG darf niemand die Meinungsfreiheit dazu missbrauchen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen.

Auch wenn pro-russische Akteure wie der Schweizer Daniele Ganser legitimen Widerspruch und korrigierende Faktenchecks als „Zensur“ deuten, ist das ein Zeichen für politisch-publizistischen Unverstand: Falschbehauptungen sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Das bekannteste Beispiel einer unzulässigen Falschbehauptung ist die Holocaustleugnung: Diese ist keine Meinungsäußerung, sondern eine Lüge.

Und Lügen sind keine Meinungen. Lügen sind Behauptungen. Zur Unterscheidung: Meinungen lassen sich nicht beweisen oder widerlegen, Behauptungen dagegen schon.

Beispielsweise sind die von mir kommentierten Behauptungen Markus Hofmanns in seinem zitierten Blogbeitrag unwahr. Markus Hofmann lügt, wenn er behauptet, niemand frage, wo der Strom fürs Elektroauto herkomme, wenn sogar das Bundesumweltministerium diese Frage thematisiert. Er kann sich dabei nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Und es ist auch keine Zensur, wenn hier jemand die Desinformation der breiten Öffentlichkeit benennt und kritisiert.

Wer Putins Propaganda nachplappert, zielt auf die Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland, und das müssen wir beim Namen nennen, wenn uns unsere Sicherheit und unsere Freiheit etwas lieb sind. Die freiheitlichen Demokratien schützen sich bis heute immer noch nicht vor der Gefahr, die von Agitationen wie jener von Markus Hofmann und Daniele Ganser ausgeht. Warum geht der Staat nicht effektiv gegen Falschbehauptungen vor, die die freiheitliche Demokratie destabilisieren?

Das BMI schreibt: „Verschiedene Akteure nutzen die Möglichkeiten des freien Meinungsaustauschs für die Verbreitung von Desinformation. Damit wird die Absicht verfolgt, das Vertrauen in staatliche Stellen zu untergraben und über polarisierende Themen gesellschaftliche Spaltungen zu provozieren oder zu vertiefen. Teilweise versuchen Staaten durch Desinformation auch, das gesellschaftliche Stimmungsbild in anderen Staaten zu ihren Gunsten zu beeinflussen oder die politische Willensbildung in den Zielstaaten gemäß ihrer eigenen politischen Agenda zu verändern oder zu hemmen.“

Das Strafrecht aber sanktioniert in § 99 StGB (Geheimdienstliche Agententätigkeit) lediglich die Weitergabe geheimer Informationen an ausländische Dienste. Immerhin ist durch die Neufassung von § 130 StGB nun die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen explizit strafbar. Doch der Rechtsstaat wehrt sich bisher nicht generell gegen die Tätigkeit von Einflussagenten (Wikipedia: „Personen, deren Äußerungen oder Aktivitäten als im Interesse einer ausländischen Macht liegend und in irgendeiner Weise von dieser Macht gesteuert angesehen werden“).

Sie wollen Frieden? Warum sagen Sie Putin dann nicht, er soll abziehen?

Haben Sie erkannt, dass Sie bisher als russischer Einflussagent tätig waren? Dann kommen Sie zur Besinnung und verstehen Sie, dass Sie einer Gehirnwäsche ausgesetzt waren wie bei einer Sekte – ob Sie zu den „Querdenkern“ gehören, den Coronaleugnern oder den Reichsbürgern.

Begreifen Sie bitte endlich, dass das alles paranoide Modelle sind (Lesetipp: der Psychiater Hans-Ludwig Kröber über Verschwörungstheorien und Wahninhalte).

Und dann setzen Sie sich bitte wirklich für Frieden ein, statt sich weiter für dumm verkaufen zu lassen: Fordern Sie Putin auf, seine Truppen abzuziehen.