Mit seinem Einverständnis poste ich hier eine Erwiderung auf Markus Hofmanns Blogbeitrag „Wenn’s keiner sagt, sag’s ich“.

Markus Hofmann und ich kennen einander seit langer Zeit durch die German Speakers Association e.V. (GSA). Ich schätze Markus’ Arbeit sehr, vor allem seinen Einsatz an den Schulen – er unterstützt Schülerinnen und Schüler mit Lerntechniken und inspiriert auch zahlreiche Lehrer. 2012 war er einer der Autoren des von Martin Laschkolnig und mir herausgegebenen Buches „Die Bildungslücke“.

Ende 2023 hat Markus Hofmann dann den erwähnten Blogbeitrag verfasst, den ich mit einiger Fassungslosigkeit las. Was mich daran fassungslos macht, möchte ich hier darlegen.

Vorab: Widerspruch gehört zur Meinungsfreiheit

Vorab will ich festhalten: Widerspricht einer dem anderen, dann spricht er ihm damit nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung ab. Ich gestehe anderen ihre Meinungen zu – bin ich allerdings anderer Ansicht, bringe ich diese Ansicht ebenfalls zum Ausdruck, was ich ebenfalls darf. Widerspricht mir jemand, darf er das seinerseits oder ihrerseits äußern. Und immer so weiter. Das ist Debatte. Völlig normal. Meinungen (juristisch „Werturteile“) dürfen wir äußern. Wir dürfen werten. Das Werten ist elementar für die westliche Welt.

Auf jeden Fall müssen wir reagieren, wenn jemand öffentlich etwas kommuniziert, was im Ergebnis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schaden kann. Ebenso müssen wir reagieren, wenn jemand dem nachaufklärerischen Weg des Erkenntnisgewinns und der Meinungsbildung zuwiderläuft: In der aufgeklärten Welt bilden wir uns unsere Meinungen anhand gesicherter Erkenntnisse, nicht anhand von Geraune. Wenn jemand ohne Belege Behauptungen in den Raum stellt und die Gefahr besteht, dass sich das Publikum seine Meinung anhand halbgarer Überlegungen bildet, haben wir es mit Desinformation zu tun. Dann müssen wir meiner Meinung nach darauf antworten, und natürlich öffentlich. Denn Desinformation ist eine der größten Gefahren für die westliche Welt. Wir müssen ihr entgegentreten.

Markus selbst tritt für die freie Meinungsäußerung ein. Er hat mir geschrieben: „Wenn du möchtest, kannst du das als Blog-Beitrag natürlich veröffentlichen. Ganz klar!“ Vorab hatte ich Markus einen Entwurf mit vielen Gedanken geschickt.

Wäre Markus dagegen gewesen, dass ich diese Erwiderung schreibe, hätte ich das respektiert. Doch Markus ist ein Befürworter der freien Debatte und sagt das auch. Er gesteht auch mir meine Meinung zu.

Laut Markus hat die Meinungsfreiheit an Freiheit eingebüßt

Mir geht es gar nicht so sehr um die Meinungen in Markus’ Text. Vielem stimme ich zu: Um die Bildung ist es übel bestellt, das Land lebt viel zu sehr von der Substanz, wir sollten im Inland Fachkräfte ausbilden, wir müssen den Gedanken der Wertschöpfung stärker gesellschaftlich verankern, das E-Auto als Lösung aller Probleme ist fragwürdig.

Alles das sind Markus’ Meinungen, gegen die in meinen Augen überhaupt nichts spricht. Sehr viele Menschen können diesen Gedanken problemlos zustimmen. So vertritt Martin Limbeck in seinem Buch „Dodoland“ zahlreiche vergleichbare Positionen.

Allerdings erweckt Markus in seinem Beitrag den Eindruck, es sei derzeit nicht möglich, „über Themen zu diskutieren, sich auszutauschen und Missstände offen anzusprechen“. Und er raunt, wir bräuchten wegen der eingeschränkten Meinungsfreiheit hierzulande – und wegen vieler weiterer Missstände – einen „Systemwechsel“.

Markus Hofmann führt also jede Menge legitime politische Meinungen an, heftet ihnen das unzutreffende Etikett des Tabus an (unzutreffend, denn sie sind nicht tabu, wir dürfen darüber sprechen und tun es auch) und behauptet dann, niemand traue sich, diese Dinge anzusprechen. Wer keine Medien rezipiert, könnte das glauben. Seinen Lesern erklärt er, dass er das Schweigen breche – und aus dem Ganzen leitet er raunend und über angedeutete Gedankenwege ab, die derzeitige politische Ordnung sei eine „Falschheit“. Zugleich legt er dem Leser suggestiv die Notwendigkeit eines „Systemwechsels“ nahe.

Und dass Markus Hofmann das tut, das kann ich eigentlich nicht glauben. Auch wenn das Wort „eigentlich“ eigentlich gestrichen gehört. Offenbar muss ich es glauben, aber es erscheint mir bizarr. So kenne ich Markus nicht.

Aber der Reihe nach.

Zu Anfang schreibt Markus, er habe sich lange darüber Gedanken gemacht, ob er seine Meinung überhaupt sagen dürfe:

Im Anschluss verwendet er das bekannte Argumentationsmuster „Ich bin ja kein Nazi, aber …“:

… und im gleichen Atemzug erklärt er, er sei „im Prinzip“ von unseren demokratischen Wurzeln begeistert.

Zugleich gibt Markus vor, es sei in Deutschland nicht möglich, sich auszutauschen (wenn es „wieder möglich sein“ muss, wie er schreibt, ist es aktuell nicht möglich):

Leider liefert Markus keine Belege, wer genau in seiner Meinungsfreiheit beschnitten wird – das würde es erleichtern, seine Behauptung einzuordnen.

Indem er diesen Beleg schuldig bleibt, bedient sich Markus eines entscheidenden rhetorischen Mittels heutiger Propaganda: Er stellt unbewiesene Behauptungen auf, die sich mit den Informationen, die er uns zur Verfügung stellt, nicht prüfen lassen.

Zu dem Phänomen habe ich am 25. Oktober 2023 einen Blogbeitrag geschrieben. Die Kombination aus „unbewiesen“ und „nicht prüfbar“ ist eines der wichtigsten Wesensmerkmale von Verschwörungsmythen und Propaganda.

Die Methode verstößt gegen den in Wissenschaft und Publizistik üblichen Grundsatz, dass wir nicht über Halbgares reden. Nach Bertrand Russell („Russells Teekanne“) und Karl Popper (Falsifikationismus) ist Unbelegtes, was nicht prüfbar ist, letztlich gegenstandslos. Wir müssen uns damit nicht befassen. Es ist Geraune, vulgo: Geschwurbel. Niemand, der etwas Unbelegtes behauptet, das sich nicht prüfen lässt, hat einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden.

Zugleich arbeitet die gesamte aktuelle Propaganda so, von den Behauptungen in den sogenannten „alternativen Medien“ bis hin zu Verschwörungsmythen. Wer nicht weiß, wie man Informationen professionell einordnet, geht dem schnell auf den Leim.

Natürlich ist die Meinungsfreiheit nicht unbegrenzt

Nun ist die Meinungsfreiheit in Deutschland natürlich nicht unbegrenzt. Das wissen alle, die Art. 5 Abs. 2 GG schon einmal gelesen haben, worin es heißt:

„Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Beispiele für unzulässige Äußerungen sind Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), verhetzende Beleidigung (§ 192a StGB), falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und andere. Sogar wahre Tatsachenbehauptungen können unzulässig sein, wenn sie jemandes Rechte verletzen, etwa auf den Schutz der Intimsphäre.

Nun will der verständige Leser von Markus Hofmanns Blog natürlich wissen, welche Fälle Markus bezüglich der eingeschränkten Meinungsfreiheit meint. Den entscheidenden Punkt nämlich verschweigt Markus seinen Lesern:

Sind die Äußerungen, auf die er sich bezieht und die „zensiert“ werden, zulässig oder unzulässig? Wurden also Menschen „denunziert“ und „mundtot gemacht“, weil sie etwas Zutreffendes und Zulässiges gesagt haben? Oder haben das Menschen erlebt, die möglicherweise unzulässige oder auch einfach unqualifizierte Äußerungen getätigt haben, die beispielsweise durch Andeutungen Falschbehauptungen oder Diffamierungen transportieren?

Das würden wir Leser gerne wissen.

Also: Meint Markus möglicherweise den „Quer­denker“-Star Sucharit Bhakdi, der gesagt hat, das „Volk der Juden“ habe von den Nazis das „Erzböse“ gelernt und „umgesetzt“?

Wenn Markus Äußerungen dieser Art meint, mit denen sich jemand selbst ins soziale Aus schießt, dann wäre das von einer anderen Qualität, als wenn jemand wegen einer zulässigen, zutreffenden und qualifizierten Äußerung ins Abseits gerät.

Aber Markus sagt uns nicht, welche konkreten Äußerungen er meint, deretwegen jemand Konkretes denunziert und ins Abseits gestellt wurde. Und so können wir seine Behauptungen nicht prüfen. Nötig wäre, dass uns Markus einige Fälle nennt, in denen Menschen daran gehindert oder dafür bestraft wurden, zulässige und qualifizierte Äußerungen getätigt zu haben. Also Äußerungen, die vom Recht auf Meinungsfreiheit hätten gedeckt sein müssen. Mit dieser Frage lässt uns Markus leider alleine.

Markus gaukelt Lesern vor, nur er traue sich, Bestimmtes zu sagen

Auf dieser wackligen Grundlage will Markus nun seinen Lesern weismachen, er sei der Einzige, der sich traue, so manche unbequeme Wahrheit zu äußern. So beklagt er sich über die Situation der Bildungslandschaft. Allerdings sagt er damit nichts, was nicht auch viele andere sagen. Ein großes Tabu bricht er damit nicht. Kritik an der Bildungsmisere ist überall zu lesen:

https://www.tagesschau.de/kommentar/pisa-foederalismus-100.html

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Kommentar-Nach-PISA-Schock-mehr-Milliarden-fuer-die-Bildung,hamburgkommentar886.html

https://www.swr.de/swr2/wissen/kommentar-zur-pisa-studie-die-schlechten-leistungen-haben-wir-erwachsene-verbockt-100.html

https://www.fr.de/meinung/kommentare/kommentar-pisa-studie-noten-deutschland-politik-ampel-koalition-regierung-kritik-92712953.html

https://www.ksta.de/schule/kommentar-schlechtes-pisa-zeugnis-mit-dramatischen-folgen-696490

Martin Limbeck schreibt im Founders Magazin, was angeblich niemand sagen darf und formuliert einen „dringend nötigen Weckruf für Bildungssystem und Wirtschaft“:

https://founders-magazin.de/2023/12/30/pisa-schock-ein-dringend-noetiger-weckruf-fuer-bildungssystem-und-wirtschaft/

Dann beklagt Markus Hofmann, in „den letzten Jahren“ hätten „die politischen Fehlentscheidungen in Anzahl und Tiefe zugenommen“. Ja, sicher. Denke ich an die frühere und zum Glück gegangene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die wegen der Frauenquote im Amt war und wertvolle Zeit für eine Stabilisierung gegenüber der russischen Aggression hat verstreichen lassen, stimmt das. Über politische Fehlentscheidungen beklagen sich nun wirklich nicht nur die heldenhaften „alternativen Medien“ und Markus Hofmann, sondern auch der „Mainstream“:

https://www.focus.de/politik/experten/videos/politik-die-drei-historischen-fehlentscheidungen-von-angela-merkel_id_6125407.html

https://de.in-mind.org/article/fehlentscheidungen-in-politischen-gremien-wie-sie-entstehen-und-wie-sie-sich-verhindern

https://www.inforadio.de/rubriken/debatte/matthay-fragt/2023/06/politiker-fehlverhalten-fehlentscheidung-reaktion-helene-bubrowski.html

https://www.tagesspiegel.de/politik/entschuldigung-das-lief-leider-schlecht-4305871.html

Das sind Links mit Beschwerden über politische Fehlentscheidungen. Wen von den vielen Autoren hat die Meinungsdiktatur Bundesrepublik Deutschland da denn verhaftet? Markus Hofmann verrät es uns in seinem Text nicht.

Oder nehmen wir Markus’ legitime Meinung, die Schulschließungen in der Pandemiezeit seien ein Fehler gewesen. Sagt nur er das heroisch endlich einmal, weil es sonst niemand wagt? Keineswegs. Auch andere sagen es:

https://idw-online.de/de/news820551

https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/forschende-mahnen-bei-schulschliessungen-zu-vorsicht-5848

https://www.zeit.de/gesundheit/2023-08/corona-psyche-jugendliche

Oder nehmen wir den Vorschlag, im Inland eine Fachkräfteinitiative zu starten. Auch das ist nicht Markus Hofmanns exklusive Idee, die zu formulieren sonst niemand den Mumm hat, sondern es ist unter anderem eine alte Forderung der FDP:

https://www.fdp.de/seite/mehr-fachkraefte-fuer-deutschland-exzellenzinitiative-berufliche-bildung

https://www.fdp.de/wir-geben-der-beruflichen-bildung-einen-neuen-schub

Seltsam – niemand verbietet der FDP in diesen Dingen den Mund. Die schreiben das im Ernst auf ihrer Website, und niemand verhaftet sie. Wieder kann ich nicht nachvollziehen, was Markus behauptet – nämlich, dass „es niemand sagt“.

Oder Markus’ Ärger darüber, niemand dürfe die Klimapolitik kritisieren, ohne dafür gemaßregelt zu werden:

Im „Spiegel“ spricht ein Autor im Zusammenhang mit der „Letzten Generation“ von einer „Klimasekte“: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/razzia-gegen-die-letzte-generation-protest-wichtel-im-outlaw-outfit-spiegel-leitartikel-a-e6aae3f3-5261-4edc-a424-03c581ae8def

„RND“ weist auf Parallelen der Klimabewegung zu Sekten hin: https://www.rnd.de/politik/klimaaktivisten-psychologe-warnt-vor-parallelen-zu-sekten-QEI3FEUIXPKI3VIBQX4Z6TNPDQ.html

„Cicero“ kritisch über „FFF“: https://www.cicero.de/kultur/fridays-for-future-clemens-traub-streitschrift-elite-klimawandel

„Bild“: „Mit diesen Methoden werden Klima-Kriminelle gedrillt“

„Bild“: „Klima-Kriminelle: So hart greifen unsere Nachbarländer durch“

„Bild“: „Münchner Landgericht greift hart durch: Klima-Kleber als kriminelle Vereinigung eingestuft“

„Bild“: „Es wird immer irrer! Der neue Kupfer-Trick der Klimakleber“

Dann schreibt Markus: „Das Elektroauto wird hochgelobt, aber niemand fragt nach, wie der Strom erzeugt wird.“ Im Ernst jetzt? Erinnert er sich nicht an den Kampf der FDP gegen das Verbrenner-Aus? Kleine Liste:

„FDP zweifelt an Nachhaltigkeit von Elektroautos“

FDP: „Verbrennungsmotor nicht verbieten“

FDP: „Nicht noch mehr  Milliarden für Elektroautos“

Bei smarter-fahren.de heißt es außerdem: „Wenn die Deutschen emissionsfrei E-Autos fahren wollen, muss der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen. Den bekommt nur, wer ihn ausdrücklich über einen Ökostromtarif bestellt. Ansonsten fließt aus der Steckdose der deutsche Strommix, dessen Anteil erneuerbarer Energien 2018 erstmals über 40 Prozent gestiegen ist. Die restlichen 60 Prozent stammen aus Braun- und Steinkohle, Erdgas sowie Kernkraft.“

„Niemand“ fragt sich, behauptet Markus Hofmann, wie der Strom erzeugt wird? Ist klar. Sogar das Bundesumweltministerium erklärt: „Elektroautos sind so sauber wie der Strom, mit dem sie fahren.“

Es ist also keineswegs so, dass nur Markus Hofmann hier endlich mal ausspricht, was sonst niemand zu sagen wagt, wie er es uns in seiner Überschrift glauben macht. Wer keinen Kontakt zur Außenwelt mehr hat, weil er sich im „Querdenker“-Sumpf wie bei Sekten üblich von seriösen Informationsquellen abgekapselt hat, dürfte Markus hier allerdings folgen.

Ist es also viel­leicht doch nicht so gefährlich, dass wir unsere Meinung sagen, wie Markus vorgibt? Das denkt der ver­ständige Leser. Der bekommt zunehmend den Eindruck, dass wir es bei Markus’ Blogbeitrag nicht mit einem normalen Text zu tun haben, der uns nach modernen westlichen Maßstäben durch die Darlegung gesicherter Erkenntnisse und durch eine saubere Argumentation von etwas zu überzeugen versucht. Dieser Text bedient sich einer anderen Rhetorik, zumal keiner aufklärerischen. Sondern hier geht es um Halbwahrheiten und rhetorische Tricks.

Markus Hofmann verklausuliert Umsturzfantasie

So erklärt Markus Hofmann, die „bürgerlichen Grundrechte wurden und werden außer Kraft gesetzt, wenn man sie als Abwehrrechte gegenüber einem übergriffigen Staat am nötigsten braucht“. Wenn er beklagt, der Staat mische „sich in privateste Dinge ein, wie zum Beispiel in die Entscheidung für oder gegen Pharmaprodukte“, dann meint er vermutlich nicht Aspirin. Aber was dann? Er sagt es nicht. Die Masern-Impfung? Die Corona-Impfung, die nicht nur nach Ansicht der Bundesregierung nachweislich jede Menge Leben gerettet hat? Auch wenn Markus – wie jeder Mensch – gerne gegen das Impfen sein darf, bleibt er auch hier leider beim Raunen. Weil er nicht deutlich macht, worum es geht. Wovon spricht er?

Markus hinterlässt aber auch mit diesen Andeutungen den Eindruck, als arbeite die Bundesrepublik Deutschland systematisch repressiv, um Andersdenkende einzuschüchtern.

Um die behauptete Systematik und das offenbar inflationäre Auftreten von Grundrechtsverletzungen seitens des Staates nachvollziehen zu können, die Markus hier behauptet, bräuchten wir als Leser Belege. Da brauchen wir Stoff. Inhalt zum Prüfen und Nachvollziehen. Aber da ist nichts. Wir sollen Markus’ Gedanken folgen, ohne uns solide überzeugen zu lassen. Das macht diesen Text so ungewöhnlich und so untypisch für Markus, der sonst sehr professionell mit Informationen umgeht.

Wäre es ein seriöser Text und kein Geraune, würde Markus Fakten liefern, die sich nachvollziehen lassen, wodurch wir uns dann eine Meinung bilden könnten. Aber Markus überspielt den Faktenteil mithilfe von Andeutungen: Der Text arbeitet in seiner Struktur darauf hin, dass wir uns gleich anhand von Markus’ Meinungen eine Meinung bilden, nämlich seine. Das ist ungewöhnlich, weil sich Markus hier keiner Rhetorik des Überzeugens, sondern der Manipulation bedient. So kenne ich Markus nicht.

Durch dieses Geschwurbel – unbelegte Behauptungen in Gestalt von Andeutungen, ohne dass der Leser das Behauptete nachvollziehen kann – führt Markus Hofmann seine Leser schließlich zum Kernstück seines Blogbeitrags: zu einer verklausulierten Umsturzfantasie.

Dass die Bundesrepublik Deutschland verfault ist, ist bis dahin im Text ausreichend angedeutet. Das Motiv ist gepflanzt, würde es in der Dramaturgie heißen. Wem diese auf Andeutungen aufgebaute Argumentation genügt, folgt der Gedankenführung unkritisch, wie zahlreiche Kommentare unter Markus’ Blogbeitrag zeigen. Jetzt geht es darum, sich mutig wie Markus gegen die behaupteten skandalösen Zustände zu erheben, trotz des behaupteten allgemeinen Sprechverbots gegen den Willen der Obrigkeit den Mund aufzumachen und heldenhaft einen „Systemwechsel“ zu bewirken wie 1989 in der DDR. Markus Hofmann schreibt:

Ist es einmal geschehen, gibt es keinen Weg zurück? Aha. Worum handelt es sich denn bei dem, wonach sich Markus in diesem Land dem Vernehmen nach sehnt und was auf subversive Weise herbeizuführen wäre? Offenbar nicht um eine demokratische Wahl.

Und das, was wir im Augenblick hier erleben, also die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer politischen Ordnung, wohin kein Weg mehr zurückführt, ist „Falschheit“?

Verstehe.

Ob es schon einen Termin für den Tag X gibt? Koordiniert Heinrich XIII. Prinz Reuß das Ganze vom Knast aus?

Regierungskritik oder Delegitimierung?

In der Bundestagsdrucksache 20/774 antwortet die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zum im April 2021 eingeführten Begriff der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Es geht um die Frage, worin der Unterschied zur legitimen Regierungskritik besteht. Die Bundesregierung erklärt das in meinen Augen ganz gut:

Kurz: Es geht um Verunglimpfungen und Verächtlichmachungen des Staates, die das Vertrauen in die freiheitlich-demokratische Grundordnung erschüttern. Es geht um Angriffe ohne Augenmaß, um Entstellung von Tatsachen und um Diffamierungen, durch die der Eindruck entsteht, die Bundesrepublik Deutschland sei zu beseitigen, etwa weil die Zustände unerträglich seien.

Verständige Menschen begreifen, was hier gemeint ist. Wer über ein wenig Medienkompetenz verfügt, kennt die Grenze zwischen sachlich begründeter und zulässiger Kritik einerseits und gefährlicher Demagogie andererseits. Es dürfte auch jedem völlig klar sein, dass die freiheitliche Demokratie dazwischen eine Grenze ziehen muss, um sich nicht durch demagogische Angriffe destabilisieren und letztlich zerstören zu lassen.

Gegen begründete Kritik am Regierungshandeln spricht gar nichts – also beispielsweise die Schulschließungen in der Pandemiezeit anzuprangern, ist richtig und wichtig. Gegen Meinungsmache durch Desinformation, durch Halbgares, durch Andeutungen, und das mitunter schlicht auch durch Falschbehauptungen, gerne auch suggestiv, im Konjunktiv oder als Scheinfragen – gegen derartige Demagogie wehrt sich die freiheitliche Demokratie natürlich.

Verständige Menschen begreifen auch, dass die Einführung der Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eine Reaktion ist auf Putins höchstaggressiven Desinformationskrieg gegen den Westen (Link zur russischen Propaganda insgesamtLink zu Putins Troll-Armee). Durch Diffamierungen destabilisiert die russische Propaganda konsequent die westlichen Gesellschaften. Und die wehren sich verständlicherweise.

Wer versteht es nicht? Diejenigen, die meinen, die Meinungsfreiheit gelte für sämtliche Äußerungen. Diejenigen, die glauben, zulässige Eingriffe in die Meinungsfreiheit seien unzulässig.

Und auch die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag versteht diesen einfachen Zusammenhang offenkundig nicht, denn in ihrer Frage Nummer 11 fragt sie, ob ihre als sachliche Kleine Anfrage klar zu erkennende sachliche Kleine Anfrage bereits eine Delegitimierung bedeute.

Nun wissen Demokraten: Ist eine Kleine Anfrage nicht sachlich formuliert, wird sie abgelehnt. Bei Kleinen Anfragen gilt die gleiche Grenze zwischen „qualifiziert“ und „unqualifiziert“ wie auch bei legitimer Kritik, an wem auch immer. Eine Kleine Anfrage, wäre sie im schwurbelnden Stil von Markus Hofmanns Text mit vielen Andeutungen und unbelegten Behauptungen verfasst, würde nicht beantwortet und wäre insofern Arbeit für den Papierkorb. Sachlich zu sein, verlangt der professionelle Standard. Insofern ist die AfD-Fraktion bei Kleinen Anfragen gezwungen, ihr sonst übliches Schwurbeln bleiben zu lassen.

Der Unterscheid zwischen „sachlich“ und „unsachlich“ müsste im Grunde jedem klar sein, nur die AfD-Fraktion scheint es nicht zu kapieren. Folgerichtig antwortet die Bundesregierung lediglich kurz mit „Nein“:

Natürlich stören sich auch die Täter an der neuen Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, also diejenigen, die die politische Ordnung durch Desinformation und Destabilisierung abschaffen wollen. Aber diese Täter verstehen den Zusammenhang ganz sicher. Mir geht es hier um die bereitwilligen Unterstützer dieser Propaganda, die die Zusammenhänge nicht verstehen.

Es gebricht den Leuten einfach am Wissen. Die Frage ist: Kann jemand Informationen treffend einordnen oder nicht? Können die Leute sachliche Kritik von einer Schmähkritik unterscheiden? Wissen die Menschen überhaupt, was der Unterschied zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist? Oder warum falsche Tatsachenbehauptungen wie die Holocaustleugnung nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind?

Für mein Gefühl ist dieses Wissen viel zu rar gesät, sodass erschreckend viele Menschen halbgare Gerüchte für gesicherte Fakten halten. Viele halten schlicht für wahr, was ihnen vorstellbar, möglich oder plausibel erscheint, und bilden sich darauf ihre Meinungen, von denen sie dann sehr überzeugt sind.

Radikalisierung mit dem Feindbild „Die Eliten im Staat“

Besonders stark vertreten scheinen diese Wissensdefizite in einer Gruppe zu sein: bei den Impfgegnern und Coronaleugnern. Im März 2023 haben die Medien (hier beispielsweise der „Focus“) ein Papier des Verfassungsschutzes NRW zitiert. Darin heißt es über die bei vielen zu beobachtende Radikalisierung:

„Aus der Corona-Protestlerszene haben sich Demokratiefeinde entwickelt, denen es um die Delegitimierung des Staates geht. Es handelt sich vor allem um den radikalisierten Teil der Protestszene gegen die Corona-Schutzmaßnahmen, der das Feindbild ,Die Eliten im Staat‘ entwickelt hat.“

Eine detaillierte Einordnung des Phänomens präsentiert Prof. Stefan Goertz von der Hochschule des Bundes im Blog „KSV-Polizeipraxis“:

„Zu beachten gilt, dass alleine aus dem Bestreiten der Pandemie beziehungsweise ihrer Auswirkungen und der damit verbundenen Ablehnung von Eindämmungsmaßnahmen keine Verfassungsfeindlichkeit resultiert. Das ist erst dann der Fall, wenn die Legitimität der Verfassung und ihrer Institutionen bezweifelt und zu ihrer Überwindung aufgerufen oder zu diesem Zweck sogar aktiv gehandelt wird.“

Weiter schreibt Goertz:

„So gibt es innerhalb der ‚Leugner‘-Szene verfassungsfeindliche Teile, die versuchen, die bestehenden Zweifel als ‚Brückenthema‘ für ihre eigenen politischen Ziele zu nutzen. Letzteres entspricht der seit längerem vom Verfassungsschutz beobachteten Strategie der ‚Entgrenzung‘ in den extremistischen Szenen. Ziel einer solchen ‚Entgrenzung‘ ist der Versuch extremistischer Akteure und Organisationen, über gesellschaftliche Konflikte und Krisen mit den eigenen Themen und Botschaften Anschluss an bislang nicht extremistische Teile der Gesellschaft zu gewinnen, um extremistischen Positionen und Zielvorstellungen Akzeptanz zu verschaffen – verbunden mit der Absicht, diese politisch gestaltungswirksam werden zu lassen.“

Und:

„Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg haben es die extremistischen Akteure geschafft, ihre verfassungsfeindlichen Botschaften über die ‚Querdenken‘-Veranstaltungen in weite Teile der nichtextremistischen Protestierenden hinein zu verbreiten. So habe sich die Zielrichtung der ‚Querdenken‘-Proteste zu ‚Reichsbürger‘-typischen Narrativen verschoben und die Verfassungsschutzbehörden erkennen ein zunehmend hohes Maß an Staatsfeindlichkeit. Dazu analysierte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Januar 2021, dass es zu einer verstärkten Verbreitung von extremistischen Inhalten aus dem Organisationsteam der ‚Querdenken‘-Bewegung selbst heraus kam.“

Nur: Wer es nicht versteht, versteht es nicht. Ich fürchte, so mancher ahnungsloser Unterstützer der Propaganda wähnt sich im Recht und alle anderen liegen falsch.

Ein Missbrauch des verstorbenen Roman Herzog

Markus Hofmann erzählt uns also ohne Belege, die Meinungsfreiheit sei beschädigt. Menschen würden wegen ihrer Meinungen denunziert und zensiert und „Hausdurchsuchungen und monatelange Untersuchungshaft ohne Anklage sollen Regierungskritiker einschüchtern“. Auf dieser Basis legt er uns den Gedanken nahe, wir bräuchten einen „Systemwechsel“. Dazu bemüht er eine pathetische und kitschige Erwecker-Rhetorik, indem er von einer „Wahrheit“ erzählt, die am Ende „immer“ gewinnt.

Einen staatstragenden Anstrich bekommt sein Ansinnen, indem Markus als Kronzeugen Altbundespräsident Roman Herzog heranzieht, der einst sagte, es müsse ein „Ruck“ durch Deutschland gehen. Er nutzt Roman Herzogs Bedeutung, wie er auch die Bedeutung der Wende 1989 in der DDR nutzt, um seinem Ansinnen eines unumkehrbaren Systemwechsels Nachdruck zu verleihen. Er holt sich von beiden Größen – Wende in der DDR und Bundespräsident – ein wenig Würde, um sein Ansinnen eines Systemwechsels aufzuwerten und als ehrenhafte Sache darzustellen.

Ob Roman Herzog mit seinem „Ruck“ gemeint hat, dass ein „Systemwechsel“ als „Moment der Wahrheit“ nötig ist, der aus der jetzigen „Falschheit“ (womit die derzeitige politische Ordnung gemeint ist) hinausführt und der nicht mehr rückgängig zu machen ist, wie es Markus Hofmann formuliert?

Der Verfassungsrechtler Roman Herzog ist 2017 gestorben. Er kann sich nicht mehr gegen eine solche Vereinnahmung wehren.

Fraglicher Text zum Umsturz ist „duplicate content“

Insgesamt wundert mich Markus Hofmanns Text vor allem. Ich kenne Markus völlig anders – wissenschaftsorientiert statt schwurbelnd, klar statt schwammig. Und ich kenne ihn auch nicht als Gegner der politischen Ordnung. Daher habe ich mir seinen Text etwas genauer angesehen.

Dabei bin ich über einige stilistische Ungereimtheiten gestolpert, die in mir die Frage aufwerfen, wer diesen Text eigentlich geschrieben hat. Nun läuft der Text ja in Markus Hofmanns Blog, weitere Autoren sind nicht aufgeführt. Insofern beansprucht Markus Hofmann die Urheberschaft. Als Leser gehen wir also davon aus, dass Markus den Text geschrieben hat. Dass es seine originären Gedanken sind. Unique.

Doch warum schreibt Markus gleich zu Beginn von „dieser Nachricht“? Er frage sich, „ob ich diese Nachricht überhaupt schreiben soll“. Geht es hier nicht um einen Blogbeitrag? Wenn schon, dann müsste da stehen, er wisse nicht, ob er „diesen Blogbeitrag überhaupt schreiben soll“. Oder „diesen Text“. Aber „Nachricht“ trifft es nicht. Und was soll dann noch die weitere „Nachricht“ des Kollegen, die er erwähnt?

Oder warum schreibt der Autor manche Absätze sachlich, relativ übliche politische Haltungen, versteigt sich aber an anderen Stellen zu völlig unverhältnismäßigen Beleidigungen und Hass („schwerreiche staatsnahe Stiefellecker“)?

Mal ganz abgesehen von der Frage, was Markus Hofmann daran schlimm findet, wenn jemand „staatsnah“ ist: Emotional verfolgt der Text keine organische Linie, sondern er scheint aus verschiedenen Fragmenten mit unterschiedlicher Anmutung zusammengesetzt zu sein. Ein Wechselbad zwischen Sachlichkeit und Zorn, und immer wieder unbelegte unterschwellige Behauptungen.

Oder: Warum legt Markus Hofmann zum einen so einen großen Wert auf die Grundrechte zu Anfang des Grundgesetzes, will dann aber Staatsanwälte in Redaktionen schicken und Politiker auf ihren Wahlversprechen festnageln und erklärt, es gebe einen wie auf einer Rutschbahn unumkehrbaren „Systemwechsel“? Für mich ist das ein Widerspruch.

Und siehe da: Ich finde die schwulstige Passage über „die Kräfte der Lüge und der Wahrheit“, die „Brachialität der Wahrheit“, den „Mut der vielen“ und den „Systemwechsel“ auch noch woanders, und zwar im Blog „Freischwebende Intelligenz“. (Kurz zu der verfälschten MDR-Geschichte dort, damit hier keine Fake-News entstehen: Der „Volksverpetzer“ stellt den korrekten Zusammenhang her.)

Wie kommt’s? Weshalb sind hier so viele Formulierungen identisch? Wer ist denn nun der Urheber der verklausulierten Umsturzfantasie, die auf Markus Hofmanns Website als seine erscheint? Schreiben inzwischen andere von Markus ab? Oder ist Markus da jemandem auf den Leim gegangen und macht sich dessen Äußerungen unkritisch zu eigen?

Den Respekt fürs Grundgesetz nehme ich Markus ab. Eine Ablehnung der politischen Ordnung wäre mir neu. Ich kenne Markus Hofmann bisher nicht als Demokratiegegner. Entsprechend weiß ich nicht, warum er diesen Passus mit der Umsturzfantasie bringt.

Wir sind eben „unterschiedlicher Ansicht“

Ich hatte Markus Hofmann vor einigen Tagen geschrieben, dass ich denke, dass er sich verlaufen hat. Ich habe ihm den gesamten Kontext dargestellt:

  • dass die These, die westlichen Demokratien seien Diktaturen, ein Narrativ der Putin-Propaganda ist, um den Westen zu zersetzen;
  • dass die Desinformation aus den russischen Trollfabriken derzeit die größte Gefahr für die freiheitlichen Demokratien seit ihrem Bestehen ist;
  • dass die sogenannten „alternativen Medien“ seit Jahren unzensiert und ungestraft Reichsbürger-Propaganda, Querdenker-Fantasien, unwissenschaftlichen Unsinn und jede Menge antiwestliche Desinformation aus den Fake-News-Küchen Wladimir Putins veröffentlichen und daher der Vorwurf der „Zensur“ einigermaßen absurd ist;
  • dass die Mittel der Wahl verschleierte Behauptungen sind, etwa als Andeutungen („Es könnte doch sein“) oder als Scheinfragen („Was, wenn …?“), was die versteckten Behauptungen bagatellisiert;
  • dass vor allem die AfD und die Wagenknecht-Partei für diese Propaganda im Westen stehen;
  • wie die Propaganda strukturell funktioniert und auf wen sie abzielt (in aller Kürze: Unbewiesenes und zugleich Unprüfbares trifft auf Menschen ohne Medienkompetenz, die sich daraufhin scheinbare Erkenntnisse bilden);
  • dass Verschwörungstheorien nach Karl Popper der Aberglaube von heute sind.

Ich habe Markus außerdem geschrieben, …

  • dass ich selbst nicht erlebe, dass ich nicht sagen dürfte, was ich denke – wobei ich mich aber auch nicht in Kreisen bewege, die totalitäre Haltungen vertreten oder behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei eine Diktatur;
  • dass ich seine suggestive Unterstellung, „wir“ (wer eigentlich?) hätten nie eigen­verantwortlich gedacht und nie die Dinge hinterfragt, für Unfug halte – ich hinterfrage zum Beispiel, warum Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht in ihrem „Manifest für Frieden“ nicht auf die Idee kommen, Putin aufzufordern, seine Truppen abzuziehen, obwohl das das Nächstliegende wäre;
  • dass ich meine, er tue sich nicht gut, wenn er mit Andeutungen arbeitet und mit den rhetorischen Stilmitteln von Ver­schwörungsmystikern arbeitet;
  • dass die Lehrer, die ich kenne, über derartige Andeutungen, Gerüchte und Verschwörungstheorien fluchen, die indoktrinierte Kinder aus ihren Elternhäusern ins Klassenzimmer tragen;
  • dass er sich zu einem Helfer dieser Propaganda macht und zwischen den Zeilen ganz nebenbei einen Umsturz ins Spiel bringt, der dann irreversibel sei.

Zu seiner Idee eines Gesetzes, wonach Wahlversprechen bindend sind, habe ich Markus geschrieben, dass Politiker vor der Wahl ihren Anhängern sagen, was sie vorhaben – und dass sie naturgemäß Kompromisse machen müssen, wenn sie dann in einer Koalition landen. Das weiß auch jeder Mensch mit etwas politischem Bewusstsein. Ich habe Markus geschrieben, dass seine Leser möglicherweise zu dem Schluss kommen, dass er das Konzept der Koalition nicht versteht.

Landet eine Partei in der Opposition, ist das etwas anderes – dann würde ich mich als AfD-Anhänger auch betrogen fühlen, wenn die Partei sich erst generell gegen Subventionen einsetzt und dann den Bauern dabei beisteht, gestrichene Subventionen zurückzugewinnen.

Zu seinem Ansinnen, Unwahrheiten zu bestrafen, habe ich Markus geschrieben, dass das zwar ein gutes Mittel gegen Fake-News wäre und das Ende fast aller „alternativer Medien“ bedeuten würde, aber dass ich die Idee totalitär finde. Wir im Westen sehen Staatsanwälte eigentlich ungern in Redaktionen, das ist eher eine Sache der Diktaturen.

Zugleich fürchte ich, dass Markus etwas anderes mit „Wahrheit“ meint als der wissenschaftlich-publizistische Mainstream.

Zu Markus’ Behauptung, der Hauptzweck der Ukraine-Unterstützung sei es, Menschen gegeneinander aufzuhetzen, habe ich ihm geschrieben, dass das nicht stimmt: Hauptzweck ist es, die Ukraine bei der Verteidigung gegen ein autokratisches Regime zu unterstützen. Der Hetzer ist Putin. Putin ist ein so guter Agitator, dass inzwischen sogar ein kluger Kopf wie Markus Hofmann Putin-Propaganda publiziert. Er transportiert hier eines der wichtigsten Narrative von Putins Propaganda: Es geht darum, den Westen als Kriegstreiber darzustellen, obwohl Putins Grund, die Ukraine anzugreifen, reinster Imperialismus ist.

Und ich habe Markus geschrieben, dass Putin darauf setzt, dass Deutschland unter einer AfD-Regierung aus der NATO austritt, damit Putin oder sein Nachfolger durchmarschieren kann. Von dieser Dimension ist das wahre Problem. Akut geht es darum, die westliche Zivilisation zu retten. Die 100 Mrd. Euro dienen der Sicherung genau der Werte, für die sich Markus Hofmann in der Schule in Gestalt der Grundrechte im Grundgesetz einsetzt.

Dass Markus diesen Zusammenhang offenbar nicht sieht, verwundert mich: Wenn der Westen den Bach runtergeht, brauchen wir auch kein Geld mehr in die Bildung zu stecken. Dann können wir mal schön in die USA auswandern (die unter Donald Trump möglicherweise auch aus der NATO austreten und auch sonst kein Interesse daran haben könnten, Europa zu unterstützen). Oder wir agitieren im Sinne Putins, dann machen wir in wenigen Jahren vielleicht Putins Hampelmann in der Schule.

Aber hier in Europa? Hier können wir zumachen, wenn die Propaganda aus Markus Hofmanns Blog Wirklichkeit wird. Dann ist Schluss mit der Freiheit.

Auch habe ich Markus geschrieben, dass er möglicherweise seine Community halbiert, denn laut Konrad-Adenauer-Stiftung sind etwa 40 Prozent der Menschen anfällig für Verschwörungstheorien (was immer noch erschreckend viele sind).

Und ich habe ihm geschrieben, dass zahlreiche seiner angeblich unsagbaren harmlosen Positionen auch in Martin Limbecks Buch „Dodoland“ stehen und es insofern keinen Anlass gibt zu glauben, man dürfte diese Dinge nicht sagen.

Wer spricht durch Markus?

Wie auch immer: Markus schrieb mir zurück, da seien wir „in ein paar Dingen einfach unterschiedlicher Ansicht“. Weder lieferte er Belege für seine Behauptungen noch ging er auf meine einzelnen Punkte ein.

Mich lässt das ratlos zurück, denn unterschiedlicher Ansicht können Menschen nur in Meinungsdingen sein, nicht bei Fakten. Wir können nicht der Meinung sein, heute sei Mittwoch. Entweder es ist Mittwoch oder nicht. Wenn ich nun also auf belegbare Fakten hinweise und sage: Hier und dort äußern Journalisten die gleichen Ansichten wie du, also scheint es nicht verboten zu sein, darüber zu sprechen, dann sagt Markus, er sei anderer Ansicht? Der Logik kann ich nicht folgen.

Es gibt keine Meinung ohne Faktenkern. Jede Meinung bezieht sich auf eine Information. Finden wir eine Rockband gut, setzt das eine Rockband voraus. Bezüglich der Meinungen, die wir uns anhand einer Faktenlage bilden, können wir unterschiedlicher Ansicht sein. Aber die Sachlage selbst – und dazu finden wir in Markus’ Text ja keine Belege – ist keine Ansichtssache. Wir sollen uns stattdessen eine Meinung bilden, ohne dass Markus uns die Sachlage sauber darlegt. So ein Vorgehen ist extrem ungewöhnlich für den Markus Hofmann, den ich bisher kenne.

Lieber Markus, aus deinem Blogbeitrag sprichst für meine Begriffe nicht du. Jedenfalls erkenne ich dich nicht wieder. Wer spricht da durch dich? Wer missbraucht dich als Sprachrohr?

Nachtrag (11. Januar 2024)

„Bild“ fragt: „Ist ein Umsturz wirklich möglich? Derzeit versuchen „Querdenker“ bekanntermaßen, die Bauernproteste für ihre Zwecke zu kapern, was in etwa der Strategie der verfassungsfeindlichen Teile dieser Gruppierung betrifft, die Prof. Goertz oben beschreibt. Diese Gegner der Bundesrepublik (der bereits verlinkte Wikipedia-Eintrag zur „Patriotischen Union“ um Heinrich XIII. Prinz Reuß verrät viel über das Denken in dieser Szene) wollen „mit den eigenen Themen und Botschaften Anschluss an bislang nicht extremistische Teile der Gesellschaft gewinnen“, etwa an die Bauern.

In Langenfeld (Rheinland) konnten die Demonstranten eine Vereinnahmung durch „Querdenker“ abwenden: „Die Bauern machten kurzen Prozess und sprachen einen Platzverweis aus“, heißt es bei „Der Westen“. „Die Polizei entfernte die betreffenden Personen schließlich vom Versammlungsort.“

In dem „Bild“-Beitrag sieht der frühere Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof die Gefahr, „dass sich jemand des Systems bedient, um es per ‚Marsch durch die Institutionen‘ auszuhöhlen“. Und er sagt: „Angenommen, eine verfassungswidrige Partei erhält 75 Prozent der Mandate im Bundestag, dann halten die Dämme nicht. Es muss ein Grundkonsens in der Bevölkerung vorhanden sein. Wenn der völlig weg ist, halten auch keine verfassungsrechtlichen Sicherungen.“

An diesem Grundkonsens nagt die permanente „Querdenker“-Propaganda. Deshalb ist das alles so aktuell und so gefährlich, und deshalb sind Beiträge wie der von Markus Hofmann so detailliert zu analysieren. An diesen von Kirchhof erwähnten 75 Prozent arbeiten diese Leute derzeit intensiv, massiv unterstützt durch Putins Propaganda. Deren Kernlüge und wichtigstes Narrativ: Wir im Westen lebten nicht in einem freien Land, die Meinungsfreiheit sei nicht gegeben und wir müssten einen „Systemwechsel“ herbeiführen.

Dieses Narrativ kommunizieren die Umsturzanhänger kontinuierlich – und zwar über Lügen, kaschiert durch Andeutungen und Beleglosigkeit. Querdenker“-Demagogen appellieren an die Menschen, „sich ihr eigenes Bild zu machen“, um die Leute aufs laienhafte autodidaktische Gleis zu lenken und wissenschaftlichen Einfluss abzuwehren. Wer Informationen nicht professionell einordnen kann, fällt darauf herein.